Politische Prostitution als Geschäftsmodell

Seit Jahren tummelt sich die sogenannte liberale Opposition Russlands im Baltikum, namentlich in Litauen, und übt sich in politischer Prostitution. Seit dem vergangenen Sommer kopieren nun belarussische Oppositionelle das Geschäftsmodell ihrer russischen Kollegen.

Von Oles Libobetz
Mit dem alljährlich im noblen "Club der Kaufleute" stattfindenden "Forum des demokratischen Russlands" kristallisierte sich die Stadt Vilnius mehr und mehr als Zentrum der politischen Opposition Russlands heraus. An dieser Veranstaltung tummeln sich gut betuchte Geschäftsleute, die in den chaotischen Neunzigerjahren auf teilweise fragwürdige Weise zu großen Vermögenswerten gekommen waren und finanzieren die Teilnahme von willfährigen Journalisten, Vertretern sogenannter "think-tanks", Politikern und anderer. Man war sich beispielsweise auch nicht zu schade, den ehemaligen Chef des ukrainischen Geheimdiensts SBU, Valentin Nalivaychenko zu der Veranstaltung einzuladen. Der SBU wurde in der Vergangenheit wiederholt vom UN-Menschenrechtsbeauftragten für die zahlreichen Fälle von willkürlicher Festnahme, Folter, unbegründeter Haft und sonstige schwerste Menschenrechtsverletzungen kritisiert. Finanziert wird die Veranstaltung, die von privaten Stiftungen organisiert wird, zu großen Teilen durch Regierungsstellen aus dem Westen. Die meisten Vertreter dieser Stiftungen machten politische Opposition gegen die Administration Putin zu ihrem Beruf und lassen sich hierfür von ausländischen Geldgebern bezahlen (1).
Stiftungen aus Belarus
Seit den Protesten im Gefolge der Präsidentschaftswahlen in Belarus hat sich in Vilnius eine neue Gruppe eingenistet: Vertreter der belarussischen Opposition. Darunter befindet sich Natalia Kolegova, die Gattin eines gut betuchten litauischen Geschäftsmannes und Chefin der Stiftung ByHelp ("Dapamoga"). Sie hilft Flüchtlingen aus Belarus, indem sie diese – angeblich kostenlos – in einer der Wohnungen, die ihr Ehemann im Stadtzentrum besitzt, unterbringt (2). Ein weiterer ist der Geschäftsmann Yaroslav Lihachevskiy (3), der vor drei Jahren in die Niederlande auswanderte um dort, zusammen mit einem Geschäftsfreund eine Firma gründete, die Software zur Diagnose von Augenkrankheiten per Foto entwickelt. Er schuf den sogenannten belarussischen Solidaritätsfond BySol, den er gemeinsam mit Andrei Stryzhak (4), Eduard Palchis (5) und Alexander Podgornyy (6) leitet. Und natürlich gehört auch Svetlana Tichanovskaya, die Ehefrau des Oppositionellen Sergei Tichanowski mit ihrer Stiftung "Strana dlya zhizn" (Страна для жизни) (7) zu diesem Klüngel. Außer ihrer Ehe mit Ehemann Sergej befähigt sie nichts zur Rolle einer Spitzenpolitikerin.
Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie nach Jahren des Exils nach den Protesten gegen die Präsidentenwahl im August 2020 ihre Liebe zur Heimat wiederentdeckten und Stiftungen zur Unterstützung von Menschen gründeten, die Belarus nach den Unruhen verlassen mussten. Im Unterschied zu Russland fehlt in Belarus allerdings eine Gesellschaftsschicht, die im Rahmen der "Prikhvatisatsyi", der ungeregelten Verteilung der Produktionsbetriebe in den Neunzigerjahren auf problematische Weise zu großen Vermögen kamen. Somit ist der Kreis von Neureichen und Oligarchen, welche die Opposition im Exil finanzieren können, beschränkt. Deshalb ist die Notwendigkeit, westliche Investoren für das Projekt der politischen Opposition zu motivieren ist wohl noch dringender, als bei den russischen Kollegen.
Bereicherungsvorwürfe 
Am 21. Dezember dieses Jahres richtete eine ehemalige Mitarbeiterin der Stiftung BySol in einem Videointerview des Kanals BeldiasporaTV, das auf YouTube veröffentlicht wurde, schwere Vorwürfe an die Adresse des Managements der Stiftung (8). Dieser Fernsehsender gehört dem belarussischen Geschäftsmann und Oppositionspolitiker Sergej Cherechen, Vorsitzender der Belarussischen Sozialdemokratischen Hramada (BSDH) und Präsidentschaftskandidat in den Präsidentenwahlen 2020 (9).
Svetlana Anatoljewna Galuzo, Absolventin der Fakultät für Journalismus der renommierten Belarussischen Staatlichen Universität BGU, promovierte im Jahr 2018 mit dem Thema der Darstellung der europäischen Integrationsprozesse in polnischen Medien und arbeitete danach im staatlichen Verlag "Belarus heute" (Беларусь сегодня). Im Frühjahr 2020 verließ sie Belarus und war von August bis Dezember vergangenen Jahres in der BySolStiftung in Vilnius tätig (10). Im Laufe des Gesprächs sagte S. Galuzo, dass die Stiftung BySol derzeit Probleme mit den finanziellen Mitteln habe, welche für die Unterstützung all jener belarussischen Bürger bestimmt sind, die unter dem "Regime von A. Lukaschenko leiden". Ein Grund für diese Situation sei der Missbrauch von Geld durch die Organisationsleiter Stryzhak, Podgornyy und Lihachevskiy (11). So seien zum Beispiel im August 100'000 Euro auf das Konto des Fonds eingegangen, die für die Unterstützung von Arbeitern bestimmt waren, die in den Streik getreten und später entlassen worden waren. In Wirklichkeit habe diese Personengruppe insgesamt nicht mehr als 7'000 Euro erhalten. Die Herkunft dieser Gelder vermochte Galuzo ebenso wenig zu erklären, wie den Verbleib der übrigen 93'000 €.
Daneben wirft Galuzo den Managern der Stiftung BySol vor, Gelder veruntreut zu haben, die für belarussische Bürger bestimmt waren, die in der Zeit nach den Wahlen aus politischen Gründen nach Litauen gezogen sind. So werden von den 1'500 Euro, die einem belarussischen Flüchtling nach seiner Einreise in die Republik Litauen von den Stiftungen versprochen sind, deren 1'000 ausgezahlt. Das ist für belarussische Verhältnisse viel Geld, wenn man bedenkt, dass ein Durchschnittslohn in Belarus bei ungefähr 470 € monatlich liegt (12). Die restlichen 500 € werden als Bezahlung für die Unterkunft während des Aufenthalts im Lande für die Zeit der obligatorischen Quarantäne nach der Einreise zurückbehalten. In der Regel übersteigen die realen Kosten für die Unterkunft, in denen diese Personen einquartiert werden, selten die Summe von 200 €.
Darüber hinaus sagte Galuzo, dass das Management von BySol Probleme mit der Interaktion mit anderen Stiftungen, wie eben jene von Natalia Kolegova und von Svetlana Tichanovskaya bekunde, die in Litauen tätig sind. Der Hauptgrund hierfür bestehe darin, dass das Management von BySol diese Stiftungen nicht als Partner, sondern als Feinde und Konkurrenten betrachte. Am 14. Dezember vergangenen Jahres verließ S. Galuzo BySol, weil die Organisation in Tat und Wahrheit nur Auserwählten Unterstützung zukommen lasse. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass bis zum 12.01.2021 von über 1'300 Antragstellern nur gerade deren 325 die versprochene finanzielle Unterstützung erhalten hatten (13). Bei einer Protestbewegung von hunderttausenden von Menschen und der angeblich weit verbreiteten Drohung mit Arbeitsplatzverlust ist diese Zahl überraschend gering. Gleichzeitig will Galuzo nicht, dass nach Lukaschenkas Rücktritt "das Land von Dieben und Gaunern wie den BySol-Mitarbeitern regiert wird".
Schwelgen im Luxus
Im Interview auf BeldiasporaTV kritisierte Galuzo ferner auch die Unterbringung der Mitarbeiter der Stiftung BySol, sowie des Stabs von Tichanovskaya in einem Vier-Sterne-Hotel in Vilnius, ebenso wie die Unterbringung von Flüchtlingen in überteuerten Unterkünften (14). Nach "Absitzen" der Quarantänefrist zogen Tichanovskayas Beraterstab und das Personal der BySol Stiftung in zwei Stockwerke eines großen Bürogebäudes in Vilnius ein. Der Mitarbeiterstab der Stiftung BySol bestand aus circa 30 Personen, von denen die Mehrheit nicht als unbezahlte Freiwillige, sondern als Angestellte mit festem Lohn tätig waren. Offenbar war diese große Anzahl Personal notwendig, um die zwei bis drei Anträge auf finanzielle Unterstützung, die der Stiftung in der Regel täglich zugingen, zu bearbeiten. Stutzig machte sie auch, dass sie zwar ein Gehalt, aber keinen Arbeitsvertrag erhielt (15). Offenbar war das ganze Konstrukt der belarussischen Diaspora in Kanada so suspekt, dass sie die Zusammenarbeit mit der BySol Stiftung ablehnte (16). 

Natürlich sind die Vorwürfe von Svetlana Galuzo kaum unabhängig zu überprüfen, aber eine Beurteilung der Plausibilität ist durchaus möglich.
Angesichts der Tatsache, dass in Russland eine große Anzahl von Stiftungen besteht, deren primärer Zweck darin besteht, den Lebensunterhalt ihrer Mitarbeiter zu bestreiten, würde es nicht überraschen, wenn die belarussische Opposition das Schema der russischen Nachbarn kopiert hätte. Und nicht wenige der russischen Stiftungen sind in den baltischen Republiken angesiedelt. Manche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben es sich in Vilnius als professionelle Flüchtlingshelfer bequem eingerichtet und werden alles tun, damit der Fluss von Flüchtlingen und Geldern nicht so rasch versiegt.
Der Westen ist gut beraten, Vertretern belarussischer Exil-Stiftungen mit einem gesunden Maß an Misstrauen zu begegnen. Das Anprangern von Missständen im Land, verbunden mit Forderungen nach Rücktritt von Staatpräsident Lukaschenko entsprechen noch lange nicht einem politischen Programm, das als glaubwürdige Alternative zur derzeitigen Politik betrachtet werden könnte. Es ist auch in Betracht zu ziehen, dass mancher Protestteilnehmer vom Frühherbst sich eher an der Manipulation des Wahlprozesses störte, als am Wahlausgang. Allianzen mit Persönlichkeiten, die nichts zu bieten haben und die Förderung politischer Prostitution sind dem Ansehen des Westens in Belarus bestimmt nicht förderlich. 

Anmerkungen:

 

  1. Vgl. auch https://www.world-economy.eu/nachrichten/detail/der-tanz-liberaler-nostalgiker-ums-goldene-kalb/ und https://www.world-economy.eu/nachrichten/detail/russische-opposition-der-wunsch-sich-an-die-fleischtoepfe-der-macht-zu-draengen/

  2. https://bolshoi.by/persona/biznesvumen-natalya-kolegova-belorusyi-obhodyat-zakon-esli-est-vozmozhnost/ und https://www.lrt.lt/ru/novosti/17/1267952/glava-dapamoga-nataliia-kolegova-s-kakimi-problemami-stalkivaiutsia-belorusy-v-litve

  3. Belarussische Schreibweise Iaraslau Lihachewski. Er will insbesondere Polizeibeamte, die den Dienst quittierten, mit drei Monatslöhnen finanziell unterstützen: https://42.tut.by/700719. Siehe auch ein Interview mit ihm unter https://nn.by/?c=ar&i=260266&lang=ru

  4. Zu seiner Person siehe https://naviny.media/new/20210109/1610197287-soosnovatel-byhelp-i-bysol-vlast-gotovit-seriyu-provokaciy. Er verließ inzwischen Belarus in Richtung Ukraine https://reform.by/145756-koordinator-bycovid19-andrej-strizhak-s-semej-vyehal-iz-belarusi

  5. Er wurde inzwischen wegen angeblicher Organisation von Unruhen angeklagt: https://naviny.media/new/20201109/1604936083-pravozashchitniki-popytki-obvinit-eduarda-palchisa-v-organizacii-massovyh

  6. Podgornyy (belarussische Schreibweise Aliaksandr Podhorny) bezeichnet sich selbst als Unternehmer im Informatikbereich: https://naviny.by/new/20200818/1597762879-dlya-podderzhki-bastuyushchih-sozdan-nacionalnyy-zabastovochnyy-komitet

  7. Belarussische Schreibweise Swjatlana Zichanouskaja und Sjarhej Zichanouski. Der Name der Stiftung bedeutet "Land fürs Leben". 

  8. Das, von der Moderatorin Vera Horton geführte Interview ist online zu finden unter www.youtube.com/watch?v=qarqZE1Omns.

  9. Belarussische Schreibweise Siarhei Cherachen. Seine Biographie findet sich unter https://cherechen.by/biogphy. Siehe auch https://cherechen.by/sergej-cherechen-i-dazhe-esli-slozhno-sejchas.-ne-stoit-zabyivat-o-budushhem. Resultat der Präsidentschaftswahlen https://www.statista.com/statistics/1147363/belarus-presidential-election-results/. Die BSDH sieht sich in der Tradition der Belarussischen Sozialistischen Hramada aus der Zeit zwischen 1902 und 1918 und führt deshalb die rot-weißen Farben der damaligen Republik Belarus. Auch das Logo des Fernsehsenders BeldiasporaTV ist in diesen Farben gehalten. 

  10. Siehe https://elib.bsu.by/handle/123456789/206967

  11. Siehe https://nn.by/?c=ar&i=260266&lang=ru

  12. Siehe https://www.laenderdaten.info/durchschnittseinkommen.php und https://www.ceicdata.com/de/indicator/belarus/monthly-earnings

  13. Siehe https://nn.by/?c=ar&i=260266&lang=ru, S. 6. 

  14. Siehe Interview, www.youtube.com/watch?v=qarqZE1Omns, Minuten 8, 10, 30-31 und 61.

  15. Ebd., Minuten 35 und 49. 

  16. Ebd., Minute 19.

 

Bilder @depositphotos

Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“