Das ist der Einstieg in den Ausstieg für die Bundeskanzlerin. Man hat sowieso den Eindruck, dass in Deutschland gerade eine merkwürdige Windstille herrscht und alle eigentlich nur noch darauf warten, dass die Dame geht. Das ist der allgemeine Eindruck,

Zersplitterung Europas.

Zersplitterung Europas

Willy Wimmer, Staatssekretär a.D., im Gespräch mit Alexander Sosnowski

WE: Wohin geht es nun mit uns? Es gab vor kurzem eine Meldung, das CDU-Präsidium hätte eine Sitzung ohne die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehalten. Was ist das nun? Ein Putsch gegen die Ex-Vorsitzende?

Willy Wimmer:

Das ist der Einstieg in den Ausstieg für die Bundeskanzlerin. Man hat sowieso den Eindruck, dass in Deutschland gerade eine merkwürdige Windstille herrscht und alle eigentlich nur noch darauf warten, dass die Dame geht. Das ist der allgemeine Eindruck, glaube ich. Aber Ihre Frage greift aus meiner Sicht noch weiter. Wir müssen uns mit der Situation in Deutschland und der Lage Deutschlands in der Welt beschäftigen. Wenn wir uns die Situation in der Welt ansehen, dann erleben wir im Augenblick, dass die Vereinigten Staaten einen weiteren Versuch unternehmen sich innerlich zu zerlegen. Die beiden großen Blöcke in Washington rasen aufeinander zu und drohen mit der gegenseitigen, beiderseitigen und allumfassenden Vernichtung. Das hat natürlich auch auf alle Staaten Auswirkungen, die sprichwörtlich von Washington heraus geführt werden - dazu zählt natürlich auch Deutschland. Es kann auch auf uns große Auswirkungen haben, denn wir werden von den amerikanischen Wirtschafts- und Finanzgiganten genau so geführt, wie von den amerikanischen Militärbefehlshabern für Europa. Welcher Spielraum dabei für Deutschland und für unsere Nachbarstaaten bleibt, das wird man dann sehen. Das kann auch klug gehandhabt werden. Allerdings nicht von einer Bundeskanzlerin, die sich erkennbar auf die Seite der Feinde Trumps geschlagen hat. Das muss man ganz deutlich sagen.

Ich habe heute eine Buchbesprechung in der Süddeutschen Zeitung gelesen. Für mich vermittelt sich dabei der Eindruck, dass in Deutschland, vor dem Hintergrund des fortdauernden Verfassungsbruchs, den diese Bundesregierung in der Migrationsfrage begeht, die Konsequenz darin bestehen soll, dass all diejenigen, die mit dieser fortdauernden verfassungsbrechenden Aktivität nicht einverstanden sind, vom politischen Diskurs und der politischen Teilhabe in einer Demokratie ausgeschlossen werden sollen. Wir erleben gerade, aus meiner Sicht, einen schleichenden Weg in ein totalitäres System - organisiert von der Regierung. Und das macht natürlich die Dimension jeder Entscheidung deutlich, die jetzt in Berlin getroffen wird. 

WE: Man könnte in der letzten Zeit den Eindruck gewonnen haben, dass die USA gerade drei „Gegner“ haben: China - der Konkurrent in Handelsfragen, Russland - der militärische Opponent und als drittes die EU, ebenfalls ein Konkurrent und Opponent. Vieles von dem, was die Vereinigten Staaten gerade auf den Weg bringen, führt geradewegs zur Zersplitterung Europas, oder?

Willy Wimmer:

Das hat vielleicht etwas mit einem sprichwörtlichen semantischen Unterschied zu tun. Die alte deutsche Militärtradition bestand darin, sich mit der Welt genau so zu beschäftigen, wie sie ist. Und deshalb hat man den Begriff „Lage“ geprägt. In der angelsächsischen Diktion ist das sofort eine Bedrohungsanalyse. Das heißt, ich kann mich mit anderen Staaten unter dem Gesichtspunkt beschäftigen „Welches Potential haben sie? Ist dieses Potential möglicherweise gegen mich gerichtet oder wie muss ich das bewerten?“. Wenn ich mir die amerikanische Sicht der Welt ansehe - und bei den Briten ist das auch nicht anders - dann ist sie davon geprägt, dass alles andere um sie herum Feindesland ist. Das ist in etwa so, wie mit den Indianerkriegen in den USA - es war alles feindliches Umland. Das macht es ja auch so schwer mit den USA gedeihlich zusammen zu arbeiten, weil alles und jedes als feindlich betrachtet wird. Das sieht man sehr gut am Beispiel der Russischen Föderation. Da erklärt der russische Präsident Putin seit Jahr und Tag, dass er eine Politik der ausgestreckten Hand verfolgt und stellt es auch nachdrücklich unter Beweis. Und da geht man in Washington hin und verbietet dem eigenen Präsidenten auf dieses friedliche Angebot einzugehen, und legt ihn dermaßen in Ketten, dass es eigentlich kaum noch schlimmer geht. Dadurch wird natürlich deutlich, dass die USA eine friedensgefährdende Macht darstellen - in der Koalition des amerikanischen Kongresses und der bisherigen Präsidenten. Wenn man sich die Rede des amerikanischen Präsidenten Trump letzte Woche bei den Vereinten Nationen anhört, durchliest, verinnerlicht, dann wird offenbar, dass in den Vereinigten Staaten durch den Präsidenten offensichtlich der Versuch unternommen wird, den USA eine friedensbezogene Perspektive zu eröffnen. Die Aussagen, die er da getroffen hat, sind fast deckungsgleich mit dem, was der russische Präsident seit vielen Jahren sagt. 

WE: Kommen wir wieder zurück nach Deutschland. Sollte es wirklich eintreffen, dass die Bundeskanzlerin zurücktritt, wird nach ihr ein leeres Feld zurück bleiben. Es gibt doch im Moment kaum eine Persönlichkeit im politischen Betrieb, die das Ruder übernehmen könnte?

Willy Wimmer:

Das hat aus meiner Sicht ausschließlich damit zu tun, dass die langjährige Parteivorsitzende und die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel die CDU zerstört hat. In einer zerstörten Partei kann es keine Führungskräfte mehr geben, die in der Lage sind, in einer neuen, schwierigen Situation die Geschicke in die Hand zu nehmen, das verbietet sich von selbst. Es spricht daher alles dafür, dass der politische Abschied von Frau Merkel eine Implosion der CDU/CSU zwingend zur Folge haben wird. Dafür muss man weder ein Prophet sein noch sich dieses Ergebnis wünschen - es ist zwangsläufig so, wenn man sich mit dem verglühenden politischen Stern CDU/CSU beschäftigt. Wir haben das in anderen europäischen Staaten auch erlebt und es wird auch bei uns der Fall sein. Dazu trägt bei - und das ist der Dreh- und Angelpunkt - dass Frau Merkel eine Politik des fortdauernden Verfassungsbruchs betreibt und das wird der Kristallisationspunkt der neuen Kräfte bei der CDU/CSU werden. Jeder wird in Zukunft danach beurteilt werden, wie er in dieser Frage gestanden hat und ob er Frau Merkel dabei in den Arm gefallen ist. Und das hat ja niemand getan. Das wird auch dazu benutzt werden den Prozess des auseinander Fallens in der CDU/CSU massiv zu betreiben. 

WE: Sprechen wir kurz über unsere Nachbarn - Österreich. Wie beurteilen Sie den dortigen Wahlausgang?

Willy Wimmer:

Österreich ist wie die Niederlande, sowas wie ein Testraum für Deutschland. Das hat viele Ursachen, aber man kann das schon so sagen. In Zusammenhang mit dem österreichischen Wahlergebnis hat der ZDF-Korrespondent Klaus Kleber, in der entsprechenden Nachrichtensendung, eigentlich die Katze aus dem Sack gelassen, in dem er dem Wahlsieger und dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Kurz vorgehalten hat, dass die Regierungen in Berlin, Paris und den Beneluxstaaten eine Erwartung an die österreichische Regierung haben, nämlich dass sie die FPÖ aus dem politischen Gewerbe heraus drängt. Und das macht dem möglichen nächsten österreichischen Bundeskanzler das politische Geschäft deutlich. Hat er Bewegungsspielraum und kann für Österreich machen was er möchte oder verstärken sich die Gerüchte, die es um die so genannte Ibiza-Affäre gegeben hat, dass es eine Einflussnahme aus dem Ausland - Berlin, Paris, Israel und den Vereinigten Staaten - gegeben hat, um die erfolgreiche Regierung in Wien mit nachrichtendienstlichen Mitteln auseinander zu treiben? Was wir unter dem Begriff „Ibiza“ gesehen haben, ist eine langfristige, nachrichtendienstliche Aktion gewesen, auf die vor wenigen Wochen der jetzt noch im Amt befindliche österreichische Fachinnenminister im ÖRF aufmerksam gemacht hat.

WE: Es stehen uns also spannende Zeiten bevor und wir können nur hoffen, dass alles um uns herum nicht plötzlich zusammenbricht?

Willy Wimmer:

Der Umbruch in Europa wird langfristig organisiert, stammt mit Sicherheit nicht von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern und erst recht nicht von den deutschen Bürgerinnen und Bürgern. Da kann man sich eigentlich nur noch festhalten, weil man nicht weiß, wer als erster von dieser Achterbahn rausfliegt. 

WE: Herr Wimmer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Tags: Deutschland, Europa, Russland, World Economy, Willy Wimmer, Alexander Sosnowski

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Alexander Sosnowski/Willy Wimmer, Und immer wieder Versailles – Ein Jahrhundert im Brennglas, Verlag zeitgeist Print & Online, Höhr-Grenzhausen 2019

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