Mitte Januar 2019 trat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vor die Presse und machte Ausführungen zur Tätigkeit seiner Behörde bezüglich der Partei AfD. Unter anderem teilte er sinngemäß mit, dass die Partei „als Prüffall

Prüffall Deutschland

Prüffall Deutschland

Von Helmut Roewer

Mitte Januar 2019 trat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vor die Presse und machte Ausführungen zur Tätigkeit seiner Behörde bezüglich der Partei AfD. Unter anderem teilte er sinngemäß mit, dass die Partei „als Prüffall geführt“ werde. Die zum Vortrag gebrachten Erwägungen halte ich für rechtswidrig, die öffentliche „Einstufung“ für eine Amtsanmaßung. 

Zur politischen Rolle der AfD 

Die AfD hat in den letzten Jahren Millionen von Wähler angezogen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Massenzulauf andauern wird. Hierfür gibt es einen schlichten Grund: Die AfD ist die einzige Partei in der Bundesrepublik, die den Erhalt des deutschen Nationalstaats in den Fokus ihrer politischen Absichten gerückt hat. Die anderen politischen Parteien in Deutschland sehen diese Angelegenheit durchweg anders. Durch die Nicht-Zentrierung auf den deutschen Nationalstaat erwecken sie bei sehr vielen Deutschen die Befürchtung, dass sie der Auflösung der Bundesrepublik das Wort reden. Es wird hier nicht diskutiert, ob das wirklich der Fall ist. Es lässt sich aber nicht bestreiten, dass ein solcher Eindruck entstanden ist. Indem sie hier politisch gegenhält, hat die AfD ein Thema besetzt, dass ihr den Massenzulauf beschert. Alle anderen Parteien bekämpfen die AfD. Das ist im Parteienstaat, wie er sich in Deutschland entwickelt hat, legitim, und angesichts des Massenzulaufs zur AfD auch wenig erstaunlich. Dass alle es gemeinsam tun, hat offenbar nicht den gewünschten, sondern einen zusätzlich wirkenden gegenteiligen Effekt. In den parteipolitischen Stellungnahmen zur AfD hat deswegen – leicht nachvollziehbar – die Schärfe zugenommen. Hierzu gehört auch der sog. Ruf nach dem Verfassungsschutz. Der Ruf nach dem Verfassungsschutz soll beim Bürger den Eindruck erwecken, als sei hier ein finsteres  Gewerbe am Werke, dem jetzt nach Recht und Gesetz der Garaus zu machen sei. Mit anderen Worten: Dem Wahlbürger soll signalisiert werden, die AfD ist für anständige Deutsche unwählbar. Das in etwa ist mit dürren Worten die politische Schlachtordnung. Jetzt kommen die rechtlichen Zutaten. 

Zur Rechtsposition der AfD 

Die AfD ist eine politische Partei. Sie ist – abweichend zu dem, was immer wieder zu hören ist – keine zugelassene Partei, denn Parteizulassungen gibt es in Deutschland nicht. Ihr Recht auf Existenz ergibt sich unmittelbar aus Artikel 21 Grundgesetz. Dort ist auch der Rahmen für eine mögliche Bekämpfung durch den Staat festgelegt. In der Auseinandersetzung zwischen Staat und Partei gibt es eine einzige zulässige Maßnahme: das Parteiverbot. Dieses auszusprechen, ist allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Diese Sonderstellung gegenüber sonstigen Vereinigungen nennt man Parteienprivileg. Hiermit kollidiert die Rolle des Verfassungsschutzes. Das kommt daher, weil sich ab den 1960-er Jahren die Rechtsauffassung durchzusetzen begann, dass die Beobachtung durch einen staatlichen Nachrichtendienst einen schwerer Eingriff in die Rechte der betroffenen Personengruppe und ihrer Mitglieder darstellt. Denkt man diesen Gedanken konsequent zu Ende und vergleicht ihn mit dem Parteienprivileg, wären eine nachrichtendienstliche Beobachtung von Parteien und das regierungsamtliche öffentliche Reden hierüber verfassungswidrig. Die Bundesregierung hat demgegenüber über Jahrzehnte die gegenteilige Auffassung vertreten. Die seit 1968 erschienenen Verfassungsschutzberichte geben hierüber Jahr für Jahr Auskunft. Meines Wissens ist diese Frage niemals höchstrichterlich entschieden worden. Nur einmal erreichte die NPD wegen der Nennung im Verfassungsschutzbericht des Bundes das Bundesverwaltungsgericht und scheiterte. Man sollte zwar für die deutsche Rechtsprechung keine Prognosen abgeben, aber ich nehme an, dass die AfD vor Gericht scheitert, wenn sie sich allein auf die potentielle Rechtsverletzung des Parteienprivilegs (= Verbot der Beobachtung) stützen würde. Der Grund hierfür ist simpel. Die Richterschaft in Karlsruhe ist ein Spiegel der etablierten Parteien. Alle diese Parteien sind – zum Teil aus Existenzangst – einig, dass die AfD mit allen Mitteln zu bekämpfen sei. Damit ist der Fall jedoch nicht vom Tisch, wie jetzt zu erörtern ist. 

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Prüffall 

Zunächst eine wichtige Gesetzesformalie: Mit der Verkündung eines Prüffalls hat der BfV- Präsident ein Instrumentarium in die Debatte eingeführt, das ihm rechtlich nicht zusteht. Ich habe das Bundesverfassungsschutzgesetz noch einmal von vorne bis hinten gelesen. Der Prüffall kommt nicht vor. Er kommt bei einzelnen Verfassungsschutzgesetzen aus den Ländern vor, aber nicht beim Bund. Bei der grundlegenden Neufassung des Bundesverfassungsschutzgesetztes, an der ich in den Jahren 1987 bis 1989 als der zuständige Referent des Bundesinnenministeriums beteiligt war, wurde die Frage des Prüffalls erörtert und ausdrücklich verworfen: Der Inlandsnachrichtendienst mit dem Aufgabenkatalog des Verfassungsschutzes betrachtet die politische Lage der Bundesrepublik insgesamt, um auf dem Laufenden zu sein, was vorgeht. Fällt hierbei auf, dass es den Verdacht für eine der gesetzlich missbilligten Bestrebungen oder Tätigkeiten gibt, fängt er an, gezielt Informationen zu beschaffen. Das ist ein relativ einfaches Verfahren, wiewohl jedermann leicht nachvollziehen kann, dass es im Einzelfall Streit geben wird, ob wirklich die Beobachtungs-auslösenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen oder nicht. Noch einmal: einen irgendwie gesetzlich möglichen oder gar nötigen Prüffall gibt es nicht. Seine öffentliche Verkündung ist ein Rechtsverstoß, nämlich die Anmaßung einer nicht vorhandenen einschlägigen Kompetenz. Ein Handeln ohne gesetzliche Eingriffsermächtigung ist rechtswidrig. Und weiter: Was das BfV mit den von ihm gesammelten Informationen tun darf, insbesondere an wen es die Informationen weiterreichen kann, ist dezidiert im Bundesverfassungsschutzgesetz normiert. Dieses regelt auch – und zwar abschließend in §

18 Absatz 1 – welche seiner Informationen an die Öffentlichkeit gegeben werden dürfen: 

(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz informiert die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Absatz 1, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen, sowie über präventiven Wirtschaftsschutz. 

Und das war’s. Die Information der Öffentlichkeit beschränkt sich also ausdrücklich auf solche Fälle, in denen das BfV nachweisen kann, dass einschlägig verfassungsfeindliche Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen – und diese gewichtig sind. Das ist also schweres Geschütz in schweren Fällen. 

Im Umkehrschluss: Fröhliche Ausführungen in neudeutschem Politblabla, dass man jetzt mal genau hinsehen möchte, sind dem BfV versagt. Hierfür gibt es gute Gründe. Das öffentliche Palaver über Dienstinterna kommt einer Vorverurteilung gleich: Seht her Leute, wir sind durchgestartet. In Wirklichkeit ist es Etikettenschwindel: das BfV teilt mit, dass es nichts genaues weiß, aber keiner merkt es. Also: politischer Auftrag erfüllt. Rechtlich richtiges Verhalten sieht anders aus, denn das BfV darf nur an die Öffentlichkeit, wenn es Genaues weiß, das Wissen einschlägig und gewichtig ist. Doch wenden wir uns neben dem sicher wichtigen Formalen auch dem Inhaltlichen zu. Ich werde hierzu zwei Bemerkungen zum Bestand Deutschlands und zum Islam machen. 

Bekenntnis zum Deutschsein als Verfassungsfeindlichkeit 

Ich habe mit Verblüffung aus den Ausführungen des BfV-Präsidenten herausgehört, dass er eine Verbindungslinie zwischen der Verfassungsfeindlichkeit und dem Bekenntnis zum Deutschsein zieht. Sollte ich mich verhört haben, ist das jetzt folgende überflüssig und zu streichen. Falls nein, gebe ich zu bedenken: Das Bundesverfassungsschutzgesetz erklärt den deutschen Staat und seine Organe ausdrücklich zu seinen Schutzobjekten (zum Beispiel in § 4 Absatz 1). Jemanden zum Beobachtungsfall zu erklären, der mahnend darauf hinweist, dass bestimmte Personen innerhalb der Staatsorgane sich zum Ziel gesetzt haben, den deutschen Staat aufzulösen, bedeutet, den Verteidiger mit dem Angreifer zu verwechseln und umgekehrt. Ich weiß, dass manche Leute Pickel kriegen, wenn Höcke & Co („der Flügel“) sich am Kyffhäuser versammeln. Sie lassen dort Deutschland hochleben. Das mag heutzutage ungewohnt sein, aber eine Angriff auf den deutschen Staat ist das nicht. Der Kyffhäuser ist seit der Romantik ein Symbol des deutschen einheitlichen Staates, manche sagen auch: des Reiches, aber das ist ebensowenig verfassungsschutzrelevant wie der Umstand, dass der Bundestag im Reichstag tagt. Sogenannte Gegendemonstranten sehen das anders. Sie versuchen, solche Veranstaltungen mit Sprechgesängen à la Deutschland verrecke (und Schlimmerem) zu verhindern. Es sind diese Leute, die ganz ungezwungen Platz auf den Rängen der deutschen Staats- und Verfassungsfeinde finden. Das nur nebenbei. 

Islamfeindlichkeit 

Eine kritische bis feindselige Haltung zum Islam – ich spreche nicht vom Anzünden von Gotteshäusern – ist nichts, was den Verfassungsschutz zu interessieren hat. Der deutsche Staat ist, jedenfalls soweit er sich auf preußische Traditionen stützt, religionsneutral. Mit anderen Worten: jeder kann nach seiner Fasson selig werden, wie Friedrich der Große ebenso spitzzüngig wie weise bemerkte. Eine Gesamtschau des Grundgesetzes bestätigt diese Weisheit. Es wird vielleicht den einen oder anderen überraschen: Derjenige, der mitteilt, dass er den Islam partout nicht leiden mag, kann sich auf ein sehr spezielles Grundrecht berufen, nämlich Artikel 4 Grundgesetz, die Religionsfreiheit. Dieses Grundrecht beinhaltet nicht nur die Möglichkeit, an einen bestimmten Gott zu glauben, sondern auch das glatte Gegenteil für unumstößlich zu halten. Hier den weisen Richter zu spielen, ist nicht Sache des Staates – mögen die Ansichten auch noch so schrill sein. Ich finde, das sollte sich auch im ehemals katholischen Köln, dem Sitz des BfV, herumgesprochen haben. Ob diese Kenntnis auch im zunehmend muslimischen Köln vorhanden ist, wage ich zu bezweifeln. 

Schlussbetrachtung 

„Nun sind sie halt mal da,“ wird unsere Kanzlerin angesichts der von ihr illegal ins Land geholten Orientalen tausendfach zitiert. Ich rate allen plötzlichen Verfassungsschutz- Freunden, diesen Satz auch auf die AfD und ihre Mitglieder anzuwenden. Diese haben im Gegensatz zu jenen den Vorzug, dass sie völlig legal hier sind. 

Bilder: @depositphotos  ©Helmut Roewer

Quelle: http://www.helmut-roewer.de/home/index.php

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