World Economy führte ein Interview mit dem renommierten österreichischen Politiker und Unternehmer Baron Dr. Norbert van Handel.
Könnte Österreich als das Land, das einen besonderen Platz in Europa einnimmt und eine gewisse Autorität besitzt, beispielsweise den Friedensprozess in der Ostukraine beeinflussen?
Die Länder der Europäischen Union und Österreichs könnten, anstatt beispielsweise Geld in die stagnierende ukrainische Wirtschaft zu stecken, die Höhe der Hilfen für die Ukraine und andere Länder reduzieren, die diese Gelder unkontrolliert und irrational ausgeben. Die Rückkehr europäischer Waren und Dienstleistungen auf den russischen Markt könnte indessen vielversprechender sein. Beispielsweise fließen - für den ukrainischen Haushalt recht happige Beträge - in zweifelhafte national-radikale Projekte. Im Jahr 2020 plant das ukrainische Ministerium für Jugend und Sport ultranationalistischen Organisationen fast 380.000 US-Dollar zuzuweisen.
Wir haben mit unserem Gast über dieses und viele andere Themen gesprochen.
WE: In welche Richtung entwickelt sich gerade die österreichische Außenpolitik, besonders im Hinblick auf Osteuropa - Ukraine. Weißrussland, Polen? Welche Priorität setzt Österreich für sich in der Politik gegenüber diesen Ländern?
Dr. Norbert van Handel:
Ich würde sagen, dass man sich in Richtung Osten eher neutral und bedeckt verhält, im Unterschied zur EU. Die Rechtsstaatlichkeitssituation in Bezug auf Ungarn, wird von Österreich bis jetzt nicht kommentiert. Der FPÖ-Chef Norbert Hofer und ich werden am 06. Oktober einen Besuch in Ungarn absolvieren, um auch ein Näherrücken der Parteien und der Länder zu forcieren. Ich würde glauben, dass im Moment in Österreich alles von Corona überlagert wird. Vor allen Dingen würde ich sagen, dass die Maßnahmen Deutschlands, bei denen man Österreich zum Risikogebiet erklärt hat, in Wirklichkeit eine Retourkutsche von der Frau Merkel für die österreichische Flüchtlingspolitik sind. Corona schädigt gerade alle Industrieländer dramatisch und macht die Nicht-Industrieländer, vor allem die Dritte-Welt-Länder, stärker. Das ist eigentlich der Sinn von diesem schrecklichen Corona-Irrsinn.
WE: Schauen wir doch mal in Richtung Ukraine. Dort lodert seit sechs Jahren ein eingefrorener Konflikt unter der Oberfläche. Wie ist die Subventionierung der Ukraine seitens der EU zu beurteilen? Da wird ihnen von der EU Geld eingepumpt, dass dann für nationalistische Zwecke benutzt wird.
Dr. Norbert van Handel:
Ich glaube, dass man generell mal feststellen muss, dass die Ukraine nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Und im Grunde genommen, sind die Differenzen zwischen Russland und der Ukraine eine interne Angelegenheit zwischen den beiden Ländern. Ich habe nicht gehört, dass man in der österreichischen Außenpolitik eine spezielle Position dazu einnimmt. Es kann allerdings natürlich sein, dass man bei dem heutigen Gipfel in Brüssel, eine andere Haltung einnimmt. Aber unsere Position ist, dass beide Länder, Russland und die Ukraine, nicht der EU angehören. Russland ist, so würde ich sagen, ein sehr solider und vertrauenswürdiger Partner, aber diese meine Meinung wird nicht von allen geteilt.
WE: Wird diese Frage auch im österreichischen Parlament diskutiert?
Dr. Norbert van Handel:
Ich glaube, das wird so schnell nicht passieren. Das österreichische Parlament hat nur von Zeit zur Zeit seine Europa-Abgeordneten und daher werden auch nur ab und zu spezielle Europafragen behandelt. Ich glaube nicht, dass dieses Thema momentan Priorität im Parlament hat.
WE: Wie wird sich Österreich in Zukunft in dem zentraleuropäischen Bündnis positionieren? Werden in dieser Hinsicht weitere Schritte unternommen?
Dr. Norbert van Handel:
Ich halte das langfristig für die einzige Möglichkeit, um in der EU überhaupt bestehen bleiben zu können. Denn man wird, nicht in allen, aber doch in vielen Fragen mit den ehemaligen Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie mit einer Stimme sprechen müssen. Ansonsten ist man dem deutsch-französischen Machtkarussell rettungslos ausgeliefert.
WE: Sprechen wir doch über die letzten Auftritte von Emmanuel Macron, bei denen er seine Position als europäischer Anführer zu festigen versucht hat. Wie schätzen Sie das ein?
Dr. Norbert van Handel:
Ich würde sagen, Macron hat das Problem, dass er momentan innenpolitisch sicherlich keine Mehrheit hat und sich daher außenpolitisch bewegen muss. Ob ihm das gelingt, ist eine Frage. Ich halte es für möglich, denn ich glaube, dass Deutschland momentan in Europa zwar sehr wichtig ist, aber nicht mehr als Führungsmacht wirken wird.
WE: Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch.
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