WOHIN GEHEN ÖSTERREICH UND EUROPA?

Interview mit Dr. Norbert van Handel, Österreichische Liga St. Georg 2022

WE: Wie ist die politische Situation in Österreich angesichts des momentanen Weltgeschehens?

Dr. Norbert van Handel:
Ich würde sagen, dass formal die Parteien zur österreichischen Neutralität stehen, dass in etwa 70% der Bevölkerung unbedingt neutral bleiben will, dass aber die Ausführung der Neutralität sehr mangelhaft ist.
Man hätte beispielsweise niemals die Sanktionen gegen Russland mittragen dürfen. Es war absolut falsch und meines Erachtens auch neutralitätswidrig österreichische Unternehmungen, die in Russland tätig sind, zurückzuholen. Das war falsch und schlecht. Was den Nahen Osten betrifft, so hat man in Österreich eine klare Position für Israel, allerdings wird schon auch Kritik geübt an dem, was Israel im Gazastreifen macht.

WE: Sprechen wir über die Sanktionen. Man könnte es doch jetzt wahrscheinlich wieder ändern? Eine Initiative starten?

Dr. Norbert van Handel:
Ich glaube, das wäre jetzt nicht sinnvoll. Man sollte warten bis eine neue Regierung kommt, dann wäre es glaube ich sinnvoller Initiativen zu starten. Jetzt hielte ich es für nicht sehr gut, weil es seitens der jetzigen - wie ich glaube nicht sehr guten Regierung - in jeder Weise torpediert werden würde. Aber, wenn eine neue Regierung da ist, wäre das der erste Punkt.

WE: Wie könnte die künftige Regierung aussehen? Wofür stehen die verschiedenen Parteien?

Dr. Norbert van Handel:
Am stärksten und deutlichsten tritt die Freiheitliche Partei für die Neutralität ein, die gleichzeitig auch in den Umfragen mit etwa 32% in Führung liegt. Die Österreichische Volkspartei ÖVP ist zwar generell auch dafür, aber sie handelt nicht immer entsprechend. Die Sozialisten handeln gar nicht, sind aber dafür. Und die Grünen, ebenso wie die Neos, sind sehr EU-hörig und ihre Position zur Neutralität ist nicht so stark wie bei den anderen Parteien. 

WE: Wie könnte die künftige Regierung die eigene Politik besser in der EU durchsetzen?

Dr. Norbert van Handel:
Es gibt da einige Initiativen, lustiger weise auch von Prag aus, die Mitteleuropa in der EU als Gruppe vertreten sehen wollen, so wie wir auch. Da sind natürlich auch Ungarn und Kroatien dabei, möglicherweise die Slowakei, Slovenien, Norditalien, Bulgarien und Rumänien. Und es kommt noch dazu, dass, wenn es denn zur Reform der EU kommt, man ganz hart bei dem Einstimmigkeitsprinzip bleiben muss. Denn wenn wir ein Mehrstimmigkeitsprinzip bekommen, sind wir rettungslos den Staaten Deutschland, Frankreich, Belgien usw. verfallen. Es geht um das Einstimmigkeitsprinzip. 

WE: Wie würde das in Bezug auf den Nahen Osten aussehen? Da sind die Meinungen auseinander gedriftet.

Dr. Norbert van Handel:
Ich würde sagen, dass Österreich im Nahen Osten keine besondere Rolle mehr spielt. Es war zum Zeitpunkt von Bruno Kreisky, der zwar ein Sozialist, aber ein wirklich großartiger Politiker war, da hatte Österreich wirklich Einfluss. Jetzt müsste der Einfluss erst wieder aufgebaut werden, was richtig wäre. Zum Beispiel, hat die frühere Außenministerin Karin Kneissl in Russland einen ThinTank, sie hatte da gute Beziehungen. Aber der jetzige Außenminister ist in meinen Augen einfach sehr, sehr schlecht.

WE: Die Situation um die Sanktionen ist soweit klar, aber ohne Russland sieht alles doch recht armselig aus. Kann man das alles wieder auf die Reihe kriegen?

Dr. Norbert van Handel:
Es ist armselig. Denn Russland ist, auch wenn es sich bedauerlicherweise jetzt im Krieg befindet, ein ganz wichtiger europäischer Staat. Russland hat immer absolut Vertragstreu mit Österreich zusammengearbeitet und umgekehrt genau so. Und eine völlig fehlgeleitete EU hat nun gemeint, die Ukraine ganz besonders unterstützen zu müssen. Obwohl die Ukraine nicht in der EU ist. Obwohl die Ukraine einer der korruptesten Staaten überhaupt ist. Und obwohl die Ukraine nun enorm viel Geld kriegt, das eigentlich unseren Staatsbürgern und unserer Wirtschaft zustehen würde. Ich rede hier nicht von humanitärer Hilfe, überhaupt nicht, aber ich rede sehr wohl von allen anderen Sachen. Vor allen Dingen Waffenlieferungen und Ausbildung usw. Das ist einer der größten Fehler des 21 Jahrhunderts gewesen. Russland gehört zu Europa. Jetzt hat es die EU geschafft eine amerikanische Kolonie zu werden. Jetzt hat man es geschafft, dass Russland mit China, Nordkorea, aber auch mit Drittstaaten eine neue Gruppe aufgebaut hat. Und jetzt hat man es geschafft, dass genau das, was Putin seinerzeit und immer vorgeschlagen hat, eine Zollfreie Zone von Lissabon bis Wladiwostok, nicht mehr passieren kann. Meines Erachtens nach, hat man Putin betrogen.

WE: Herr Baron, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Bilder: depositphotos
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