Wie ein vorbestrafter „Russe“ gegen die Schweiz wettert

Von Oberst d.G. Gerd Brenner

Die schweizerische Justiz kommt auch ohne Nawalnys „Belehrungen“ gut zurecht.
Alexei Nawalny fühlt sich dazu berufen der schweizerischen Justiz Ratschläge für den Umgang mit Russland zu geben, einer Justiz, die - gemessen an den anhängigen Verfahren am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - höchste Standards erfüllt. Da hat er wohl eine Institution aufs Korn genommen, die etwas mehr Vertrauen verdient, als er selbst. Als Vorwand für seine Angriffe gegen die Schweiz hat der seltsame Oppositionsaktivist das Sommermärchen, die WM-2006 in Deutschland, ausgewählt.
Vorgeschichte
Die Fußball-Weltmeisterschaft des Jahres 2006 in Deutschland blieb im kollektiven Gedächtnis als das deutsche "Sommermärchen" haften und brachte Deutschland einen enormen Imagegewinn. Das Land erwies sich als fähiger Organisator und würdiger Gastgeber. In sportlicher, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht profitierte Deutschland in hohem Masse. Inzwischen wurde aus dem Sommermärchen aber eine banale, schmutzige Korruptionsgeschichte, in welche selbsternannte Saubermänner und Stars des internationalen Fußballs involviert sind.
Vorwürfe der Bestechung hatten von Anfang an den Erfolg der deutschen Bewerbung getrübt. Schon die entscheidende Abstimmung im Exekutivkomitee des Welt-Fußballverbands FIFA blieb nicht ohne unschöne Nebengeräusche und kurz danach gingen Gerüchte umher, wonach Deutschland den Zuschlag für die Durchführung der Fußball-WM durch Stimmenkauf gewonnen habe. In den Jahren danach blieb es ruhig, bis im Jahr 2012 FIFA-Präsident Sepp Blatter unter Druck kam und "auspackte". Im März 2015 nahm die schweizerische Bundesanwaltschaft auf eine Anzeige der FIFA hin Untersuchungen an die Hand. In deren Zentrum standen der ehemalige Präsident des Deutschen Fußballbunds (DFB), Theo Zwanziger, sein Amtsnachfolger Wolfgang Niersbach, der frühere DFB-Generalsekretär Horst Schmidt, sowie der ehemalige FIFA-Generalsekretär Urs Linsi. Aus einem ersten Strafverfahren entstand im Verlauf der folgenden Jahre ein Komplex von rund zwei Dutzend Verfahren (1). Auch gegen die Fußball-Ikonen Franz Beckenbauer und Michel Platini wurde ermittelt (2).
Korruption in Sportverbänden
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich um die Vergabe sportlicher Großereignisse Korruptionsgerüchte ranken, und betroffen ist nicht nur die FIFA: Im Zusammenhang mit der Vergabe der Fußball EM 2012 an Polen und die Ukraine gingen Gerüchte um Stimmenkauf im europäischen Fußballverband UEFA umher (3). Ähnliches gilt für die Olympischen Sommersspiele 2016 in Brasilien (4). Politiker aller Couleur nutzen sportliche Großereignisse gerne zur Selbstdarstellung und unterstützen die Durchführung solcher Veranstaltungen. Eine politische Dimension ist nicht abzustreiten.
In den Untersuchungen zur Vergabe der Fußball-WM in Deutschland ging es unter anderem auch um Fernseh-Ausstrahlrechte, die der spätere FIFA-Präsident Gianni Infantino als damaliger UEFA-Chefjurist unterzeichnet hatte. Genau mit diesem Mann traf sich der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber drei Mal informell, wobei nicht ganz klar ist, was bei dieser Gelegenheit besprochen wurde. Solche Treffen sind zwar grundsätzlich zulässig, doch hätten sie protokolliert und in den Akten dokumentiert werden müssen. Ohne Protokolle verstießen sie nach Auffassung des schweizerischen Bundesstrafgerichts gegen den Grundsatz der Transparenz und das Gebot der Gleichbehandlung aller Verfahrensbeteiligten in einem Prozess. Durch diese Treffen zog sich Bundesanwalt Lauber den Zorn des Bundesstrafgerichts zu, das ihn im Juni 2019 in ungewöhnlich scharfer Weise kritisierte. Schon im Mai 2019 hatte die Aufsichtsbehörde des schweizerischen Parlaments über die Bundesanwaltschaft eine Disziplinaruntersuchung gegen Lauber eröffnet, weil dieser im Zuge der Ermittlungen das Amtsgeheimnis verletzt habe (5).
In der Person von Michael Lauber engagierte die Schweiz im Jahr 2011 einen hochkarätigen Fachmann und erfahrenen Ermittler auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität. Der promovierte Jurist arbeitete ab 1995 als Chef der Spezialfahndung der Berner Kriminalpolizei und leitete nach seinem Wechsel ins Bundesamt für Polizei die Zentralstelle Organisierte Kriminalität. Ab 2001 war Lauber im Fürstentum Liechtenstein tätig, wo er die Meldestelle für Geldwäscherei, die sogenannte "Financial Intelligence Unit" und später die Finanzmarktaufsicht leitete. Außerdem war Lauber Geldwäscherei-Evaluator für Russland, Zypern, Oman, Luxemburg und Monaco, sowie Experte für schwere Wirtschaftskriminalität, organisierte Kriminalität und Geldwäscherei in verschiedenen Projekten des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank (6).
Unter Druck geraten, erhob die schweizerische Bundesanwaltschaft im August 2019 Anklage gegen die vier verdächtigten Sportfunktionäre. Möglicherweise trieb die Angst vor der absehbaren Verjährung der Straftaten im April 2020 die Bundesanwaltschaft zur Eile an. Genau dieser Fall trat nun vor wenigen Wochen ein, als das schweizerische Bundesstrafgericht in Bellinzona das Verfahren bis zum Eintreten der Verjährung aussetzte. Es hält sich offenbar innerhalb der Bundesanwaltschaft die These, dass das Verfahren bewusst bis zum Eintreffen der Verjährung verschleppt worden sei. Im sogenannten "Sommermärchen-Prozess" wird es zumindest in der Schweiz keinen Urteilsspruch geben (7). Das bedeutet aber nicht, dass die Vorwürfe nie mehr geklärt werden können, denn im Mai 2018 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anklage gegen drei Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Offenbar beanspruchen solch komplizierte Verfahren auch in Deutschland viel Zeit (8).
Bundesanwalt Lauber unter Druck
Nachdem er dieses bedeutende Verfahren verpatzt hatte, kam Bundesanwalt Lauber unter politischen Druck, sodass seine Wiederwahl 2019 ernsthaft gefährdet war (9). Die schweizerische Staatsanwälte-Konferenz brach aber eine Lanze für Lauber, weil dieser entscheidende Arbeit bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität und Terrorismus, sowie bei der Kommunikationsüberwachung geleistet habe (10). Lauber wurde 2019 zwar wiedergewählt aber inzwischen äußerten mehrere Fraktionen des schweizerischen Parlaments Rücktrittsforderungen, denn Lauber erwies sich als weitgehend kritikunfähig und wenig kooperativ mit der Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft (11).
Wie immer man die Person Laubers und seine Ermittlungsarbeit im Zusammenhang mit der Fußball-WM Deutschland beurteilt: Die Affäre zeigt doch, dass die schweizerische Bundesanwaltschaft gut gegen politische Einflussnahme geschützt ist und dass die notwendige Aufsicht durch Politik und Öffentlichkeit funktioniert. Gerade letzteres beweisen die teilweise geharnischten Artikel, die in schweizerischen Medien nach der Einstellung des "Sommermärchen-Verfahrens" erschienen.
Michael Lauber kam aber noch im Zusammenhang mit anderen Fällen unter Druck, denn der informelle Ermittlungsstil, den er selbst praktizierte, mochte er bei anderen nicht tolerieren. Der Chefermittler der Bundesanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte, Olivier Thormann, wurde freigestellt und sollte sich für informelle Treffen mit dem Chefjuristen der FIFA, Marco Villiger, verantworten. Diesen Fall delegierte Lauber an einen externen Staatsanwalt, der das Verfahren sogleich einstellte (12). Offenbar war an den Vorwürfen gegen Thormann doch nicht so viel Substanz gewesen, wie Lauber meinte.
Der zweite, ähnlich gelagerte Fall betraf einen langjährigen Top-Ermittler der Bundesanwaltschaft, Viktor K., der explizit den Auftrag bekam, auf informellem Weg Informationen aus Russland zu beschaffen. Viktor K. hängte im Anschluss an Dienstreisen in Russland offenbar ein paar Tage Urlaub an und ließ sich einmal zu einer Bootsfahrt auf dem Baikalsee und ein anderes Mal zur Bärenjagd in Sibirien einladen. Gegen ihn ging Lauber persönlich vor und verknurrte ihn wegen mehrfacher Vorteilsannahme zu einer Geldstrafe. Aber Viktor K. wehrte sich durch alle Instanzen und bekam zum Schluss weitgehend recht. Von den vorgebrachten Vorwürfen gegen ihn ließ sich nur einer erhärten. Das Bundesstrafgericht verurteilte ihn im Zusammenhang mit der Bärenjagd wegen Vorteilsannahme. Ein Beamter macht sich strafbar, wenn er einen ungebührenden Vorteil annimmt, der seine Amtsführung beeinflussen könnte. Das Gericht hob die erstinstanzlich ausgesprochene Strafe aber auf, denn – so erklärte das Bundesstrafgericht – sein Verschulden sei "sehr gering" (13).
Nawalnys dreiste Belehrungen
Ganz anders sieht hingegen Alexei Nawalny den Sachverhalt: "Das ist nichts Anderes als Bestechung", sagte er Ende Juni in einem Interview mit der schweizerischen "SonntagsZeitung". Dass persönliche Kontakte in Russland sehr wichtig seien, sei kein stichhaltiges Argument. "Wenn Sie in Russland mit Vertretern der Justiz oder der Regierung jagen gehen, ist völlig klar, dass es dabei um zwielichtige Geschäfte geht", sagte Nawalny. Es gebe keine Hinweise, dass bei diesen Ausflügen Informationen flossen, die zur Klärung von Verbrechen oder Geldwäscherei dienten. Und weiter belehrt er die Bundesanwaltschaft, wie die Arbeit zu organisieren sei: Nach seiner Ansicht hätten Gespräche zwischen Russland und der Schweiz auf Ebene Justiz auch mit Briefen, E-mails oder persönlichen Kontakten stattfinden können (14). Gerade Kontakte zwischen schweizerischen und russischen Ermittlern sind wichtig, zumal die Schweiz in ihrer Botschaft in Moskau keinen vollamtlichen Polizeiattaché akkreditiert hat. Das Bundesstrafgericht Bellinzona fand keine Hinweise, dass Viktor K. sich in seiner Amtsführung durch den erhaltenen Vorteil hatte beeinflussen lassen. Für Nawalny sind aber offenbar alle korrupt, außer er selbst. Vielleicht fehlt es ihm aber auch am notwendigen Urteilsvermögen.
Wer im Glashaus sitzt
Alexei Nawalny, der sich selbst gerne als Ikone der Opposition in Russland und Saubermann gegen Korruption präsentiert, war im Verlauf seiner politischen Laufbahn Mitglied zahlreicher politischer Organisationen, deren Mehrzahl er selbst gründete. Unter anderem gründete er zusammen mit Mariya Gaidar die Bewegung "Da" ("Ja"). Deren Vater Jegor Gaidar war einer der Initiatoren der verheerenden "Schocktherapie" gewesen, mit welcher Anfang der Neunzigerjahre die Marktwirtschaft in Russland eingeführt wurde. Damit öffnete er dem Raubtier-Kapitalismus Tür und Tor – und auch der damit verbundenen Korruption.
Die Bewegung gegen illegale Migration, der Fonds zur Korruptionsbekämpfung, die Volksallianz, die Fortschrittspartei und die Gewerkschaft der Staatsangestellten sind weitere Gründungen Nawalnys. Mittlerweile betreibt er eine eigene Homepage RosPil (15) und einen eigenen Kanal auf YouTube. Das ist die Art, wie er mit seinen Unterstützern kommuniziert.
Im Jahr 2013 kandidierte Nawalny für die Partei RPR-Parnas für das Amt des Moskauer Bürgermeisters, obwohl er offiziell nicht Parteimitglied war (16). Als er in dieser, nach Aussage unabhängiger Beobachter fairen Wahl eine Niederlage erlitt, weigerte er sich, das Wahlresultat zu akzeptieren und sprach von Betrug (17). In der Folge tat er sich durch persönliche Angriffe auf politische Gegner hervor, vor allem auf die Regierungspartei "Einiges Russland", die in Russland in der Tat einen schlechten Ruf genießt (18).
Weitere Bekanntheit erwarb sich Nawalny durch eine Reihe von Strafprozessen, in welchen er sich als Opfer der russischen Justiz und Wladimir Putins darstellte. Einer davon war der Prozess wegen angeblicher Unterschlagung beim staatlichen Holzbetrieb Kirowles im Gebiet Kirow, der sich von 2012 bis 2017 hinzog (19). Ihm wurde vorgeworfen, Gelder in Höhe von 400'000 Euro veruntreut zu haben. Der Vorwurf, dass sich der Geschäftsführer Wjatscheslaw Opalew und der "staatliche Berater" Nawalny abgesprochen hätten, um Holz weit unter dem Marktwert zu verkaufen, entspricht einem Muster, dass in Russland in dieser Zeit an vielen Orten praktiziert wurde. Der Schuldspruch vom Juli 2013 auf fünf Jahre Haft wurde erfolgreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR angefochten. Dieser urteilte, dass der Prozess willkürlich geführt worden sei. Einen politischen Hintergrund sahen die Richter in Straßburg allerdings nicht (20). Hier nahm die russische Justiz zu Nawalnys Vorteil politische Rücksichten, indem der General-Staatsanwalt das Urteil aussetzte – nicht aufhob – und Nawalny damit den Weg zu einer Kandidatur um das Amt des Moskauer Bürgermeisters ebnete (21).
Von 2012 bis 2017 lief ferner ein Prozess gegen Nawalny wegen des Verdachts auf Unterschlagung bei Geschäften mit der russischen Tochter des Kosmetik-Konzerns Yves Rocher. Im Verlauf der Ermittlungen stellte sich heraus, dass Alexei Nawalny und sein Bruder Oleg ein Jahr vor Beginn des Geschäfts mit Yves Rocher eine Offshore-Gesellschaft auf Zypern gegründet hatten, welche Transport-Dienstleistungen verkaufte (22). Der EGMR kam am 17. Oktober 2017 zum Urteil, dass der Prozess gegen Nawalny und seinen Bruder unfair, die Entscheidung der russischen Richter willkürlich gewesen sei. Eine politische Motivation stellte der EGMR hingegen erneut nicht fest (23). Ob Nawalny selbst sich durch die Gründung dieser Offshore-Gesellschaft strafbar machte, ist die eine Frage, ob er sich dadurch für hohe politische Ämter empfahl, eine völlig andere. Unklar ist auch, was an den Vorwürfen gegen Nawalny im Fall Allekd dran ist, die ebenfalls im Jahr 2012 vorgebracht wurden (24). Zusammengefasst darf man sich aber schon die Frage stellen, ob Nawalny nicht mit denselben Methoden operierte, die er anderen vorwarf.
Eine politische Motivation sah der EGMR hingegen hinter den diversen Festnahmen und Verwaltungsverfahren gegen Nawalny im Zusammenhang mit seinen Protestaktionen zwischen März 2012 und Februar 2014 – immerhin sieben an der Zahl (24). Es stellt sich in der Tat die Frage, ob angesichts der geringen Teilnehmerzahl von 50 bis maximal 500 Personen und des friedlichen Verlaufs der Protestaktionen ein Eingreifen der russischen Polizei wirklich notwendig war. Andererseits kann man sich fragen, ob diese Verfahren, in denen Geldstrafen von 25.- bis maximal 740.- Euro und insgesamt 22 Tage Verwaltungshaft verhängt wurden, wirklich die Aufmerksamkeit verdienten, welche die westliche Presse ihnen widmete. Es ist offensichtlich, dass Nawalny bewusst den Konflikt mit den Behörden sucht und eine Festnahme anstrebt, damit er sich in der Opferrolle präsentieren und die russische Justiz in ein schiefes Licht rücken kann.
Alexei Nawalny selbst verlieh einer Strafsache eine politische Note, als er im Februar 2016 Strafanzeige gegen Staatspräsident Wladimir Putin erhob, weil der russische Staat mit dessen Schwiegersohn angeblich unsaubere Geschäfte abgewickelt hatte (25). Hier wollten sich aber die Richter offenbar nicht instrumentalisieren lassen und ließen die Klage gar nicht zu.
Im Jahr 2018 ermittelte die russische Justiz wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen Alexei Nawalny: Die Mitarbeiter von Nawalnys Stiftung sollen von Dritten eine Geldsumme von knapp einer Milliarde Rubel (derzeit um die 14 Mio. Euro) erhalten haben (26).
Nawalnys Kritik an der Schweizer Justiz
Harte Kritik an der Schweizer Bundesanwaltschaft übte Nawalny im Zusammenhang mit Artjom Tschajka, dem Sohn des Generalstaatsanwaltes Jurij Tschajka. Artjom Tschajka sei vor einigen Jahren mit zwei Millionen Dollar nach Genf gekommen. Niemand habe damals Fragen gestellt, obwohl zuvor dubiose Machenschaften und ein mysteriöser Todesfall für Schlagzeilen gesorgt hätten. Er habe damals die Bundesanwaltschaft (BA) darauf aufmerksam gemacht und gehofft, sie werde Ermittlungen aufnehmen, erklärte Nawalny im Interview mit der "SonntagsZeitung". Das hat die Bundesanwaltschaft offenbar auch getan: Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) wurde beauftragt, Abklärungen durchzuführen. Dieses habe aber keine konkreten Hinweise auf Geldwäscherei und insbesondere keine Hinweise auf eine verbrecherische Herkunft des Geldes feststellen können, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Nawalny hingegen beklagt sich, dass aus der Schweiz die Botschaft gekommen sei, es werde nicht ermittelt und es brauche keine weiteren Dokumente. "Das war für uns extrem frustrierend. Und es hat uns sehr geschadet", sagte Nawalny (27). Da fragt sich nur, wen Nawalny mit "uns" meinte: den russischen Staat oder seine private Stiftung, die selbst gerade Gegenstand einer Strafuntersuchung ist? Die Schweizer Justiz ist nicht verpflichtet, Nawalnys politische Ambitionen zu unterstützen und auf sein Geheiss hin Urteile zu fällen.
Fazit
Zweifellos erwarb sich Alexei Nawalny im Kampf gegen die Korruption in Russland grosse Verdienste. Gezielt nutzt er die Schwächen der russischen Justiz für seine Zwecke aus. Dass deren Standards in vielen Bereichen (noch) nicht den westeuropäischen entsprechen, ist unbestritten. Angesichts der Spitzenplätze, welche die EU-Mitgliedsländer Rumänien und Polen in der Statistik pendenter Verfahren vor EGMR belegen, hat der Westen allerdings keinen Grund zur Häme (28). Nun versucht Nawalny offenbar seine Masche auch gegenüber der Schweizer Justiz anzuwenden und sie in seinem Sinne zu beeinflussen. Die Fälle Lauber, Thormann und Viktor K. zeigen aber, dass das Bundesstrafgericht in Bellinzona zu differenzierten Urteilen kommt und dass die Bundesanwaltschaft in Bern unabhängig, aber nicht unkontrolliert agiert.  Bei aller Kritik, die an den Handlungen der schweizerischen Bundesanwaltschaft und des Bundesstrafgerichts angebracht werden kann, ist kaum anzunehmen, dass die schweizerische Justiz auf Nawalnys Unterstützung angewiesen sein könnte und ohne seine Ratschläge nicht funktionieren würde.

Anmerkungen

  1. 1.https://www.sueddeutsche.de/sport/korruption-bei-der-fifa-wie-deutschland-die-wm-bekam-1.1413203; https://www.zeit.de/sport/2012-07/blatter-wm-2006-korruption/seite-2; https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/fussball-wm-2006-anklage-gegen-fruehere-dfb-funktionaere-16320384.html; https://www.spiegel.de/video/zerstoertes-sommermaerchen-dfb-video-99011162.html; https://www.spiegel.de/spiegel/wm-2006-so-kam-es-zur-sommermaerchen-affaere-a-1110465.html.

  2. 2.https://www.tagblatt.ch/schweiz/sommermaerchen-prozess-in-bellinzona-bereits-vertagt-weil-deutsche-beschuldigte-unentschuldigt-fernblieben-ld.1202068.; https://www.aargauerzeitung.ch/sport/fussball/verfahren-gegen-blatter-auf-platini-ausgeweitet-138285608; https://www.zdf.de/nachrichten/sport/sommermaerchen-wm-2006-schweiz-prozess-eingestellt-verjaehrung-100.html.

  3. 3.https://www.t-online.de/sport/fussball/id_43273584/em-2012-korruptionsvorwurf-gegen-ukraine-und-polen.html

  4. 4.https://www.n-tv.de/sport/Rios-Ex-Gouverneur-gesteht-Stimmenkauf-article21127771.html.

  5. 5.https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/bericht-verfahren-gegen-bundesanwalt-lauber/story/29678512.; https://www.nzz.ch/schweiz/die-luft-fuer-bundesanwalt-lauber-wird-duenn-ld.1489794.

  6. 6.https://www.webcitation.org/623HFrsJw?url=http://www.fma-li.li/file/2010_CV_M_Lauber_Praesident_des_AR_der_FMA_Liechtenstein.pdf; https://www.parlament.ch/afs/data/d/bericht/2011/d_bericht_v_k536_0_20110213_0_20110824.htm.

  7. 7.https://www.sport1.de/fussball/2020/04/sommermaerchen-prozess-vs-niersbach-zwanziger-wird-eingestellt; https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/wir-die-bananenrepublik-wie-die-schweizer-strafjustiz-international-zum-gespoett-wurde-137743160.

  8. 8.https://www.spiegel.de/sport/fussball/sommermaerchen-affaere-theo-zwanziger-und-wolfgang-niersbach-angeklagt-a-1209133.html.

  9. 9.https://www.nzz.ch/schweiz/mehrheit-der-sp-will-lauber-wiederwaehlen-ld.1511073.

  10. 10.https://www.blick.ch/news/politik/rueckendeckung-fuer-bundesanwalt-staatsanwaelte-fordern-laubers-wiederwahl-id15502845.html.

  11. 11.https://www.nzz.ch/schweiz/showdown-in-der-gerichtskommission-kommt-es-zum-amtsenthebungsverfahren-gegen-bundesanwalt-michael-lauber-ld.1557564. https://www.luzernerzeitung.ch/meinung/kommentare/kommentar-baerenjaeger-ld.1226372.

  12. 12.https://www.nzz.ch/schweiz/der-russland-experte-des-bundesanwalts-wehrt-sich-gegen-die-anschuldigungen-seiner-ex-kollegen-ld.1558799?reduced=true; https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/gericht-rollt-russlandaffaere-der-bundespolizei-neu-auf-wird-der-baerenjaeger-freigesprochen-138018982; https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/ein-aussergewoehnliches-urteil-laubers-berater-ist-schuldig-bleibt-aber-straffrei-138093330.

  13. 13.https://www.bote.ch/nachrichten/schweiz/putin-kritiker-nawalny-geht-hart-ins-gericht-mit-bundesanwaltschaft;art177490,1243959.; https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/putin-kritiker-nawalny-geht-hart-ins-gericht-mit-der-bundesanwaltschaft-137998138.

  14. 14.https://web.archive.org/web/20120217145517/http://navalny.livejournal.com/541417.html?thread=56716521.

  15. 15.https://web.archive.org/web/20121026014027/http://www.tagesschau.de/ausland/russland-opposition102.html; http://www.ng.ru/politics/2013-10-08/1_navalny.html.

  16. 16.https://www.spiegel.de/politik/ausland/buergermeisterwahl-in-moskau-verlierer-putin-a-921104.html; https://web.archive.org/web/20140518203850/http://www.levada.ru/14-05-2014/vozmozhnye-rezultaty-prezidentskikh-i-parlamentskikh-vyborov; https://www.forbes.ru/mneniya-column/vertikal/244554-bezuslovnyi-refleks-skolko-somnitelnykh-golosov-na-vyborakh-mera-mosk; https://www.vedomosti.ru/politics/articles/2013/09/09/na-bolotnoj-ploschadi-nachinaetsya-miting-v-podderzhku.

  17. 17.https://de.sputniknews.com/politik/20130226265610271-Umfrage-40-Prozent-der-Russen-misstrauen-der-Kreml-Partei-/.

  18. 18.http://www.tagesschau.de/ausland/russland716.html.

  19. 19.https://www.dw.com/de/was-man-über-alexej-nawalny-wissen-muss/a-42354583.

  20. 20.https://www.spiegel.de/politik/ausland/staatsanwaltschaft-in-russland-legt-haftbeschwerde-im-fall-nawalny-ein-a-911943.html; https://www.zeit.de/politik/2013-07/nawalny-wird-in-freiheit-gebraucht; https://www.sueddeutsche.de/politik/kreml-gegner-in-russland-gericht-setzt-haftstrafe-fuer-nawalny-zur-bewaehrung-aus-1.1795941.

  21. 21.https://www.dw.com/de/neue-anklage-gegen-kreml-kritiker-nawalny/a-17193492; http://rapsinews.com/judicial_news/20131115/269672881.html; https://web.archive.org/web/20151208161639/http://www.openspace.ru/article/716; https://www.welt.de/politik/ausland/article121364634/Neue-Anklage-gegen-Oppositionellen-Nawalny.html; https://www.lemonde.fr/international/article/2014/12/30/proces-navalny-yves-rocher-une-plainte-au-service-du-pouvoir_4547460_3210.html.

  22. 22.https://www.dw.com/de/was-man-über-alexej-nawalny-wissen-muss/a-42354583.

  23. 23.https://web.archive.org/web/20121225183605/http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-20836116.

  24. 24.Vgl. European Court of Human Rights, Press Release ECHR 390 (2018), 15.11.2018.

  25. 25.https://echo.msk.ru/news/1711584-echo.html; https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-der-anti-putin-blogger-im-portraet-a-911847.html; https://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-verurteilt-kreml-kritiker-nawalny-wegen-veruntreuung-a-911727.html; https://web.archive.org/web/20130720011739/http://www.tagesschau.de/ausland/nawalni100.html.

  26. 26.https://kurier.at/politik/ausland/justiz-ermittelt-wegen-geldwaesche-gegen-nawalny-stiftung/400569269.

  27. 27.https://www.msn.com/de-ch/nachrichten/international/«schweiz-hat-uns-sehr-geschadet»/ar-BB14OTvO#page=2.

  28. 28.https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76450/umfrage/anhaengige-verfahren-am-europaeischen-gerichtshof-fuer-menschenrechte/.

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