Wie Deutschland den Ukraine-Krieg verlängern will / Milliardensummen bis 2029

Von Hans-Georg Münster

Es ist kaum noch auszuhalten: Während sich die USA und Russland langsam wieder annähern und beide Mächte in direkten Gesprächen Fortschritte beim Ziel einer Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine erreicht haben, setzt Deutschland auf eine jahrelange Fortsetzung der Kämpfe. 2,5 Milliarden Euro wurden in einer Sitzung des Haushaltsausschusses am Freitag (21. März 2025) sofort und 8,3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2029 für Waffenlieferungen zur Verfügung gestellt.

Das heißt: Die Berliner Politik will kein schnelles Ende der Kampfhandlungen und will die Ukraine auch nicht an den Verhandlungstisch bringen, sondern mit neuen Waffen dafür sorgen, dass das Sterben im Donbas weitergeht. „Für die bedarfsgerechte Ausstattung der ukrainischen Streitkräfte mit Material und Waffen, hauptsächlich in den Bereichen Luftverteidigung, Schutz- und Spezialausstattung, Durchhaltefähigkeit, Drohnen, geschützte Fahrzeuge, Panzerhaubitzen, Kampfpanzer und Schützenpanzer, müssen im ersten Halbjahr 2025 zahlreiche weitere Beschaffungsverträge unverzüglich abgeschlossen werden“, heißt es in einem Antrag der Bundesregierung an den Haushaltsausschuss, wo die Milliarden-Ausgaben ohne große Debatte durchgewunken wurden. Für die Blitz-Aktion wurde noch der Haushaltsausschuss des alten Bundestages bemüht. Das am 23. Februar neu gewählte Parlament hatte sich noch nicht konstituiert; ein Beschluss des neuen Parlaments für Waffenlieferungen hätte sich hinziehen können. Bis zu dem Beschluss des Hashaltsausschusses war die Höhe der deutschen Unterstützung für die Ukraine mit 44 Milliarden Euro angegeben worden. Aus dem noch vom alten Bundestag beschlossenen 100-Milliarden-Euro-Paket für Aufrüstung können ebenfalls Waffen für Kiew abgezweigt werden.

Vergeblich hatte die Oppositionspartei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), der nur wenige Stimmen zum Einzug in den neuen Bundestag gefehlt hatten, im Haushaltsausschuss gegen die Lieferung argumentiert. Es sei eine traurige Ironie, dass der US-Präsident in ein paar Wochen diplomatisch mehr erreicht habe als die gesamte Bundesregierung in den letzten drei Jahren, auch wenn die Waffen noch nicht schweigen würden. Linke und AfD waren ebenfalls gegen die Aufstockung der Ukraine-Hilfen. 

Die Kriegstreiber in CDU/CSU, SPD, Grünen und in der im neuen Bundestag nicht mehr vertretenen FDP wollen nicht, dass die Waffen schweigen. So sagte der amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nach dem Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, es habe sich um ein „Nullsummenspiel“ gehandelt. Woher der deutsche Verteidigungsminister, der nicht dabei war, das wohl weiß? Der frühere deutsche Diplomat und Ex-Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnt sogar vor einem „erschreckenden Mangel an Sachkunde auf amerikanischer Seite“. Auch Ischinger hat von den Verhandlungen keine Kenntnis. Über die politische Klasse in Deutschland kann man nur feststellen: Jeder blamiert sich, so gut wie er kann. Und die Berliner Politiker können es besonders gut.

Deutschland will, dass weitergekämpft wird. Das Durchhaltenwollen entspricht der deutschen Seele. Mit Begeisterung lasen junge Deutsche früher in dem Buch „Ein Kampf um Rom“ von Felix Dahn von dem gotischen Helden Teja, der vor rund 1.500 Jahren als letzter gegen die byzantinischen Truppen in Italien die Stellung hielt – und schließlich unterging. Dieses Denken und die schon immer verbreiteten Durchhalteparolen führen über Stalingrad und die deutschen „Atlantikfestungen“ in Frankreich, deren Besatzungen auch nach dem 8. Mai 1945 weiterkämpfen wollten, direkt in die heutige Zeit. Trotz aller gegenteiligen Informationen wollen Bundesregierung und eine Mehrheit im Bundestag nicht glauben, dass die Auseinandersetzungen in der Ukraine für das Selenskyj-Regime verloren sind.

Auch wenn die Ukraine über kurz oder lang aufgeben sollte, bleiben die deutschen Kriegstrommler am Werk. Besonders eifrig ist Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität München. Russland bereite den „Großen Krieg“ vor, behauptete Masala, ohne auch nur einen Beweis dafür vorlegen zu können. Und sein oberster Vorgesetzter, der Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer, gab sich überzeugt, dass eine Beendigung des Ukraine-Krieges nicht dazu führen würde, „dass wir wieder Frieden auf dem europäischen Kontinent haben“. Armee-Angehörige, die im Fernsehen ihre persönlichen Thesen zur Weltpolitik verbreiten, würden in anderen Ländern sofort vom Dienst suspendiert. Dass Bundeswehr-Angehörige in Deutschland von einer TV-Sendung zur nächsten weitergereicht werden, ohne dass sie jemand stoppt, zeigt, dass sie in Wirklichkeit im Auftrag der Bundesregierung Kriegspropaganda verbreiten.

Masala weiß sogar schon, wo die Russen angreifen werden: Er rechnet damit, dass Russland zuerst die Stadt Narwa in Estland erobern wird, angeblich um die dort lebende russische Bevölkerung zu schützen. Die deutschen Kriegstreiber, die jeden Kontakt mit der US-Administration meiden, ignorieren somit auch Angaben des US-Sondergesandten Steve Witkoff, der nach ersten Gesprächen mit der russischen Seite die Auffassung äußerte, Putin wolle sich nicht „ganz Europa“ einverleiben. Er sehe nicht, dass Putin es auf ganz Europa abgesehen habe, erklärte Witkoff in einem Interview: „Dies ist eine ganz andere Situation als im Zweiten Weltkrieg - damals gab es keine NATO.“

Doch in Deutschland wird weiter Kriegsstimmung gemacht. Sobald die Ukraine verloren ist, werden andere Länder aufgerufen, für die aufgerüstet werden muss. Aber noch setzt Berlin auf Selenskyjs Durchhaltewillen, auch wenn „wegen der sich kontinuierlich verschlechternden militärischen Lage in der Ukraine die schwerwiegende Gefahr besteht, dass die Ukraine ohne eine deutlich gesteigerte materielle Unterstützung in ihrem Verteidigungskampf unterliegt“, wie es in einem Berliner Regierungsdokument heißt. Intern glaubt man längst nicht mehr daran, dass die Ukraine militärisch wieder in die Vorhand kommen könnte: „Die deutliche Beschleunigung der russischen Geländegewinne seit Sommer 2024, der unerwartete Fall der strategisch wichtigen ukrainischen Verteidigungsstellungen in Wuhledar, die partielle Umschließung des logistisch bedeutenden Knotenpunktes Pokrowsk und der massive russische Beschuss auch ziviler Ziele wie kritischer Energieinfrastruktur haben die militärische Situation und die Lage der Zivilbevölkerung in der Ukraine in den vergangenen Monaten erheblich verschlechtert. Die kontinuierliche Steigerung der Anzahl der von Russland eingesetzten Drohnen überlastet zunehmend die verfügbaren Kapazitäten der ukrainischen Luftverteidigung“, heißt es ganz offen in einem Berliner Regierungsdokument.

Quasi nebenbei ist zu erfahren, dass für Waffenkäufe erwartete Finanzmittel der USA, Kanadas und Japans nicht mehr für diesen Zweck eingesetzt werden dürfen. Es soll sich um ein Volumen von 20 Milliarden Dollar handeln, die nicht mehr für Waffen für Kiew zur Verfügung stehen. Nur die Europäische Union mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will weiter Milliarden ausgeben. 150 Milliarden Euro will die EU bis 2030 zur Modernisierung der Streitkräfte der Mitgliedsländer bereitstellen. Weitere 650 Milliarden sollen die EU-Mitgliedsländer selbst übernehmen, um bis 2023 die volle militärische Selbstständigkeit zu erreichen und somit nicht mehr von den USA abhängig zu sein. Eines ist aber auch klar: Wer so viele Waffen beschafft, wird sie einsetzen.

Bilder: depositphotos

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