Vorläufer des dritten Weltkrieges?

Von Prof. Alexander Sosnowski

Mit großem Interesse besuchte ich das diesjährige Forum zur Arktis - den „Arctic Circle", das wieder in Reykjavik stattfand. Natürlich war die Rede vom schmelzenden Eis, vom Klimawandel und der Verantwortung der Weltmächte für diese Region der Erde. All das wurde im Forum diskutiert. Aufgrund der Pandemie war die Teilnehmerzahl deutlich geringer als 2019, dennoch waren die Hauptakteure bei der Veranstaltung anwesend. Nach Angaben der Organisatoren kam die größte Delegation aus China, etwas kleiner - die Vereinigten Staaten, dann Kanada und weiter unten - Dänemark, Großbritannien und andere. 

Die Tagesordnung war gefüllt mit Berichten, bilateralen Verhandlungen, die im Wesentlichen mit Erklärungen begannen, das Klima zu retten, die Arktis zu schützen und alle strittigen Fragen friedlich lösen zu wollen.

Deklarieren heißt jedoch nicht erfüllen.
Und gute Worte über das Klima und die friedliche Lösung von Problemen bedeuten keineswegs, dass das Thema der Militarisierung der Arktis nicht angesprochen wurde. Jedenfalls wurden diese Themen bilateral diskutiert. Die Aktivitäten der NATO, Russlands Weigerung militärische Strukturen in der eigenen Interessenzone zuzulassen, Europas Position und schließlich Chinas Anspruch auf eine Art "Eisseidenstraße" sind gewissermaßen zur Schattenagenda des Polarkreises geworden.
Die Region der Erde um den Polarpol erlebt in den letzten 10 Jahren eine strategische Renaissance. Aufgrund der Tatsache, dass es in der Arktis und dem Eisgürtel drumherum, durch den Klimawandel, immer weniger Eis gibt, eröffnen sich das ganze Jahr über Möglichkeiten für eine fast vollwertige Schifffahrt. Vielleicht seien in dieser Hinsicht am Horizont Konturen der Konfrontation sichtbar geworden, die sehr an den Kalten Krieg erinnern, schreibt das Arctic Institute in seinem Artikel. Und das ist sehr realitätsnah, denn eine Reihe von Weltstaaten, darunter Supermächte wie die USA, Russland, China, versuchen sich in dieser Region zu verankern und ihre Ansprüche zu präsentieren, noch bevor andere Länder die Bedeutung der Arktis verstehen.
Darüber wurde auch beim Arctic Circle-Forum in Reykjavik diskutiert, welches dieses Jahr vom 13. bis 16. Oktober stattfand. Zu den Themen, die die Forumsteilnehmer mehrere Tage lang diskutierten, gehörte natürlich auch das Thema Militarisierung bzw. Entmilitarisierung der Arktis.
Auf die Frage unseres Magazins nach der Position Russlands zu diesem Thema antwortete Anton Wassiljew, Vizepräsident der Russischen Polarforscher-Gesellschaft, ehemaliger russischer Botschafter in Island:

„Aus unserer Sicht gibt es in der Arktis keine Probleme, die wir mit militärischen Mitteln gelöst bekommen. Aber leider nehmen die Spannungen im militärischen Bereich in letzter Zeit zu, das Konfliktpotential wächst, aber nicht durch unsere Schuld. Russland hat ehrgeizige Pläne für die Entwicklung der Arktis, den Ausbau der Nördlichen Seeroute, und daher liegt es in unserem Interesse das Bestehende wiederherzustellen und sogar auf einem modernen Niveau weiterzuentwickeln, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten, die Sicherheit unserer Grenzen und die Sicherheit der Schifffahrt. Alles, was wir tun, tun wir auf unserem eigenen Territorium, wir stärken unsere eigenen Grenzen, aber wir grenzen uns nicht von anderen ab, sondern schützen, was wir haben.“
Interessant ist in diesem Sinne die längerfristige und unverrückbare Position der USA. Washington hat seine Haltung gegenüber der Arktis, die während des Kalten Krieges allgemein als „amerikanisches strategisches Denken“ bezeichnet wurde, nicht geändert. Das "Arctic Institute" weist darauf hin, dass die Doktrin einst von Admiral Byrd ins Leben gerufen wurde.
Als die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg eine zunehmend feindliche Haltung gegenüber der Sowjetunion einnahmen, machten Polarexperten, wie der renommierte Marinepilot und Polarforscher Konteradmiral Richard E. Byrd, die amerikanischen Politiker auf die Fallstricke aufmerksam, die das Ignorieren der arktischen und antarktischen Interessen in den langfristigen Planung innehatte“ - schreiben die Autoren in ihrem umfassenden Analyseartikel.

https://www.thearcticinstitute.org/cold-cold-war-rear-admiral-richard-byrd-antarctic-expeditions-evolution-americas-strategic-interest-polar-regions/

Und weiter:
„Die Spannungen im Kalten Krieg machten die Arktis zu einer strategischen Region, insbesondere für die nationale Sicherheit.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg planten amerikanische Strategen ihre Militärpläne sehr aggressiv. Zum Beispiel beschrieb die Doktrin den kürzesten Weg für amerikanische Bomber, um Ziele in der UdSSR durch den Nordpol zu erreichen.
1946 initiierte das US-Militär das Strategic Air Command (SAC), „dessen Bomber zur Abschreckung gegen sowjetische Angriffe kontinuierliche Missionen entlang der nördlichen Grenzen von Alaska, Kanada und Grönland flogen.“
Heutzutage erinnerten sich die Vereinigten Staaten an die Pläne von Admiral Byrd um die sogenannte „Polarbereitschaft" für den Krieg.
Russland müsse sich über die Aktivitäten der NATO in der Region Sorgen machen, betonte Wassiljew.
„Unsere Präsenz zu stärken ist ein logischer und nachvollziehbarer Prozess. Jeder andere an unserer Stelle hätte dasselbe getan. Angesichts der zunehmenden Präsenz des Militärs und der Militärstruktur in der Arktis ist es notwendig, direkt zum Dialog zwischen dem Militär zurückzukehren, der bis 2014 auf allen Ebenen bestand, auch auf der Ebene der Generalstabschefs. Es ist möglich, ein Gespräch auf Expertenebene zu führen, um alle Fragen zu klären, die sich rund um die Arktis stellen.“
Vor dem Hintergrund einer deutlichen Abkühlung der Beziehungen zwischen Russland und der NATO, ist es ein mehr als nüchterner und vernünftiger Ansatz zur Lösung der Probleme der Arktis.
Quellen:

- https://www.arcticcircle.org


- Feiger L & Wilson M (2020) Die Länder, die die Antarktis während der Pandemie ausnutzen.

- Strategie und Wettbewerb am Ende der Erde. Modern War Institute, 6. Januar; Bateman S (2012) Strategischer Wettbewerb und aufkommende Sicherheitsrisiken: Wird die Antarktis entmilitarisiert bleiben? In Hemmings A, Rothwell D & Scott K (Hrsg.), Antarktissicherheit im 21. Jahrhundert. London: Routledge.

- „Operation Highjump" (Undatiert) Box 207, Ordner 7345, Byrd Papers.

- Espach R & Samaranayake N (2020) Die Antarktis ist die neue Arktis: Sicherheit und Strategie im südlichen Ozean. CNA.

Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“