Verhängnis für Deutschland

Von Willy Wimmer

Man tut gut daran, das „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ als gleichsam Dreh-und Angelpunkt für das gesamte vergangene Jahrhundert zu betrachten und dieses Grundgesetz für die Zukunft so gut es geht fortzuschreiben. In diesem Grundgesetz wurde die jahrhundertelange Verfassungsgeschichte-und Tradition ebenso fortgeschrieben wie die Respektierung der Konsequenzen aus den Ereignissen zwischen 1914 und 1945 vorgenommen. Das vornehmste Postulat lautete deshalb, daß dieses Deutschland, so zerrissen es sich auch als Folge des Zweiten Weltkrieges darzustellen in der Lage war, „dem Frieden in der Welt dienen sollte“. Wie selbstverständlich ging man 1949 deshalb davon aus, diesem Frieden durch die Charta der Vereinten Nationen, den sie tragenden Gedanken und dem Respekt vor ihnen entsprechen zu können. Die daraus resultierenden deutsche Verständigungs-und Vertragspolitik, verbunden mit den Namen von Konrad Adenauer und Willy Brandt, führte infolge der Politik von Helmut Schmidt und Helmut Kohl mit dem Fall der Berliner Mauer und der anschließenden Vereinigung von der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland zu einem Erfolg, der überwältigend genannt werden muß. Es war ein Erfolg, der ohne deutsche Berechenbarkeit und Völkerrechtstreue so nicht möglich gewesen wäre. Für Jahrzehnte bestand kein Zweifel daran, daß die Charta der Vereinten Nationen die internationale Ordnung repräsentierte, die in der Konsequenz von zwei Weltkriegen weiterem Elend vorzubeugen in der Lage war. Der Bruch Deutschlands mit dieser international respektierten Ordnung ebnete den Weg Deutschlands in ein Verhängnis, das mit der gegen Deutschland geführten Politik seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 und vor allem mit Versailles 1919 seinen Anfang genommen hatte. Mit dem völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 stand Deutschland nicht mehr länger für die Charta der Vereinten Nationen ein sondern machte mit als Koalitionsmitglied einer Globalmacht in der Durchsetzung ihrer Interessen, in einem klaren Bruch der Charta der Vereinten Nationen. In den Entscheidungen des Bundeskanzlers Gerhard Schröder zur deutschen Beteiligung am Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und die Weigerung, Deutschland, an der Seite der Globalmacht USA in den Krieg gegen den Irak zu führen, machte nicht nur das deutsche Dilemma deutlich. Jedermann konnte In der Folge sehen, wohin sich die tatsächliche Waage neigte. Übrigens bis hin zu der Weigerung Deutschland, in der Person der Bundeskanzlerin Angela Merkel, den auf Verständigung mit Russland ausgerichteten US-Präsidenten Trump auch nur im geringsten zu unterstützen. Es kam mit dem Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien nicht mehr darauf an, die Charta der Vereinten Nationen zum Fixstern deutscher Politik zu machen und dort zu festigen. Man mußte auf der richtigen Seite stehen und dafür das deutsche Potential einbringen. Mit dem Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien wurde erstmals deutlich, in welchem Maße deutsches Finanzpotential abgeschöpft werden sollte und wurde, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bis zur heutigen Lage einzuhegen. Dieses „ auf der richtigen Seite stehen“ wurde schnell zur geeigneten innenpolitischen Waffe. Es galt und gilt nicht der demokratische Diskurs der Bonner Republik. Die Berliner Republik fordert geradezu „Haltung zu zeigen“ und Dominanzgehabe an der Tag zu legen. Der christliche Grundsatz, „der Stadt Bestes zu suchen“ kann heute gegen jedermann gerichtet werden. Der Wind, der durch Deutschland weht, erinnert an unseliges Geschehen vor Zeiten. Das Bewußtsein im Osten Deutschlands ist aus gegebenen Gründen näher an der Erinnerung. Der 7. Oktober 2023 wird sich in in das politische Denken geradezu einschmelzen, nicht nur in Nahost oder bei den unmittelbar betroffenen Menschen. Die Sorge um eine Ausdehnung macht deutlich, was auf dem Spiel steht, wenn man einen derartigen Tag und seine Folgen anstrebt und auch nicht mit allen Mitteln verhindert. Wird das Bemühen, den globalen Großkonflikt zu verhindern, davon bestimmt, die Charta der Vereinten Nationen als Grundlage für dieses Streben zu betrachten oder geht es darum, den Kernbereich der mutmaßlichen, faktischen Ordnung nach 1990. aufrechtzuerhalten? Geht es um eine Waffenruhe oder nicht darum, daß sich endlich die Präsidenten Xi, Putin und Biden zusammenfinden, um die Potenzierung von 1914 und 1939 zu verhindern? Und für Deutschland darum, jedes deutsche Handeln in Koalitionen oder bei Einzelstaaten an das eigene Grundgesetz und die Charta der Vereinten Nationen zu binden?

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