Vergiftung von Navalny als Casus Belli

Von Andrei Kishnewskii

Das Interview von Alexey Navalny mit dem „Spiegel“ hätte zu einer Bombe werden können, wenn es nicht bereits zuvor mit dem nicht-existenten chemischen Kampfstoff vom Typ „Novichok“ vergiftet worden wäre.
Alles, was Navalny den Reportern erzählte, schien frei erfunden oder, genauer gesagt, sehr weit hergeholt gewesen zu sein. Selbst die Beschreibung, wie er in die Spiegelredaktion kam, klang wie ein Detektiv dritter Klasse. Er ging in die Redaktion, schreibt der Spiegel, setzte sich auf ein grünes Sofa, auf dem Tisch davor stand eine Flasche Wasser. Vier Leibwächter, die rund um die Uhr für Navalny zuständig sind, erklärten, dass die Wahrscheinlichkeit eines neuen Attentats so hoch sei, dass sie selbst eine Flasche Wasser aus den Redaktionsbeständen auswählen müssten. Angeblich dürfen sie nicht zulassen, dass eine unkontrollierte Flasche auf den Tisch gestellt wird. Daher wählten die Sicherheitskräfte eine "zufällige" Flasche aus - dies verringere die Wahrscheinlichkeit mit einer giftigen Substanz präpariertes Wasser auf den Tisch gestellt zu bekommen, erklärte der Spiegel.
Eines ist sicher - sowohl diese Geschichte als auch diese von den Leibwächtern gewählte Wasserflasche, haben einen schlechten Beigeschmack.
In der Geschichte von Navalny spielt die Flasche eine besondere Rolle. Nach Angaben der deutschen Seite und des Gefolges von Navalny haben Spezialisten des Bundeswehrlabors darauf angeblich Spuren eines chemischen Kampfstoffs aus der Novichok-Serie gefunden.
Der Spiegel geht bereitwillig auf die Regisseure des Spiels ein und führt die berüchtigte Wasserflasche gleich zu Anfang des Gesprächs ins Geschehen ein. Von diesem Moment an ist das gesamte Interview nichts weiter als eine Inszenierung, bei der alle Fragen und Antworten bereits im Voraus klar und deutlich sind.
Navalny verhaspelt sich gleich von Anfang an.
Zuerst erzählt er bereitwillig, wie er sich im Flugzeug schlecht gefühlt hat und, als er bereits zu Boden fiel, es gerade noch schaffte dem Steward zuzurufen: "Ich wurde vergiftet!“ Also, ein Mensch, der sich auf den Weg zur Toilette machte, weil er sich krank fühlte und dem nach eigenen Angaben übel wurde, öffnete die Toilettentür, fiel zu Boden und wusste da schon mit Sicherheit, dass er vergiftet worden ist? Er wurde nicht krank, es lag nicht daran, dass er etwas schlechtes gegessen oder zu viel getrunken hatte, es lag nich daran, dass er im Flugzeug seekrank wurde, sondern er wurde definitiv vergiftet?
Das erscheint nicht besonders glaubwürdig, denn laut Navalny selbst fragte der Steward, als er ihn ansah, ob mit seinem Herzen alles in Ordnung sei.
Das ist jedoch nicht alles.
Die Frage nach Navalnys politischer Ausrichtung zu ignorieren, ist in diesem bemerkenswerten Interview kaum möglich. Der Spiegel fragte unverblümt, ob seine Ansichten als nationalistisch angesehen werden könnten. Navalny argumentierte lange und mühsam, dass seine Unterstützung für die Kommunisten in keiner Weise als Unterstützung für die kommunistische Idee angesehen werden könne. Und die Unterstützung der Gewerkschaften hat, seiner Meinung nach, nichts mit seiner Position zu Migranten zu tun. Er vermied es auf jede Weise über den eigenen Nationalismus zu sprechen. Navalny verhaspelte sich in seinen Einschätzungen, was nun rechter und was linker Nationalismus sei und wollte - oder konnte - sich nicht festlegen. Man muss die Beharrlichkeit der Reporter in dieser Frage würdigen, die es trotzdem geschafft haben noch eine Antwort von Navalny zu bekommen. Etwas verlegen gab er eine Definition des Nationalismus zu dem er sich bekennt - ein liberaler Nationalismus, den das gesamte Oppositionslager propagiert. Was dieser liberaler Nationalismus darstellt, weiß indes niemand. Können liberaler und sozialer Nationalismus verglichen werden? Navalny ist der gleiche radikale Nationalist geblieben, der er vorher auch schon war. Allein das hätte den Spiegel, der sonst so bereitwillig über die Unzulässigkeit jeglicher Form des Nationalismus spricht, von dem Gespräch mit ihm abschrecken sollen.
Hat es aber nicht.

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