Ukraine: Wie Deutschland Sanktionen gegen sich selbst verhängt

Von Hans-Georg Münster

Die Erwartung Russlands, der Westen werde der Anerkennung der Regionen Donezk und Luhansk und dem Einmarsch von Unterstützungskräften weitgehend tatenlos zusehen, scheint sich zu erfüllen. Von Washington bis Berlin werden jetzt Sanktionen gegen Russland vorbereitet, die den Kremlherrscher Wladimir Putin kaum stören dürften, sondern in vielen Fällen eher die treffen, die sie verhängen. Besonders betroffen ist Deutschland, das dabei ist, seine Energieversorgung zu gefährden.

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte, Kanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden und der französische Präsident Emmanuel Macron seien sich in einem Telefonat einig gewesen, dass es sich um einen klaren Bruch des Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine handele. Dieser Schritt werde nicht unbeantwortet bleiben. „Die Partner waren sich einig, nicht nachzulassen in ihrem Einsatz für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine.“ Scholz ließ inzwischen mitteilen, dass die Erdgaspipeline Nord Stream 2 vorerst nicht in Betrieb gehen werde. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bewertete die Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine als drastischen Bruch des Völkerrechts. „Unsere Antwort darauf wird kraftvoll und deutlich sein“.

Und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte: „Die heutige Anerkennung der separatistischen selbsterklärten ‚Volksrepubliken‘ in der Ostukraine durch Präsident Putin stellt einen eklatanten Bruch des Völkerrechts dar und ist ein schwerer Schlag für alle diplomatischen Bemühungen zur friedlichen Beilegung und politischen Lösung des aktuellen Konflikts.“

Glaubwürdig sind die Vorwürfe aus Berlin gegen Putin nicht, mögen sich auch noch so wortstark vorgetragen werden. Hatten die damaligen und heutigen Regierungsparteien SPD und Grüne doch 1999 grünes Licht für die Beteiligung der Bundeswehr am völkerrechtswidrigen Angriff des westlichen Bündnisses auf Serbien gegeben und in der Folge die Abtrennung des Kosovo-Gebiets von Serbien betrieben. Die Parallelen zur jüngsten Entwicklung in der Ukraine sind offensichtlich. Kosovo, ein Zwergstaat von Nato-Gnaden mit der Größe eines bayerischen Regierungsbezirks, ist bis heute abhängig besonders von deutschen Finanzhilfen. Eine korrupte Regierung ließ es zu, dass sich Kosovo zu einem Zentrum des Frauen- und Drogenhandels entwickelt hat. Der Weg vieler Frauen in die sexuelle Sklaverei in deutschen Bordellen führt über Kosovo, was in der Berliner Regierung wohl bekannt ist. Dagegen unternommen wird nichts.

Das deutsche innenpolitische Problem besteht darin, dass es gegen die Regierung Scholz keine Opposition gibt, die eine Debatte über das Verhalten gegenüber Russland entfachen und die Regierung von Aktionen abhalten könnte, die zu Lasten der eigenen Wirtschaft und der Bevölkerung gehen. Die Linke ist zu schwach, die AfD hat sich weitgehend selbst zerlegt. Und die CDU/CSU lässt sich in ihren Demutsgesten gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika nicht von SPD, Grünen oder FDP übertreffen. "Der Westen muss diesem enthemmten Kriegstreiber mit aller Kraft entgegentreten und ihm Einhalt gebieten", donnerte CDU-Chef Friedrich Merz gegen Putin. Merz, das muss man wissen, war jahrelang Vorsitzender der Atlantik-Brücke, einer Vereinigung besonders amerikafreundlicher Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Beruflich war er für die US-Firma Blackrock tätig, einen der größten Investoren der Welt. Ein Wink aus Washington - und Merz legt im Sinne der Amerikaner los.

SPD und Grüne sind in der Ukraine-Frage ebenso auf amerikanischem Kurs wie die CDU/CSU. Die Pipeline Nordstream 2 ist den Amerikanern ein Dorn im Auge, weil sie ihre eigenen Erdgas-Produkte in Europa absetzen wollen. Doch Deutschland ist technisch nicht einmal in der Lage, verflüssigtes Erdgas aus Amerika (Liquefied Natural Gas– LNG) in seinen Häfen anzulanden. Die technischen Einrichtungen sind nicht vorhanden. Und den Bau von LNG-Terminals im Bundesland Schleswig-Holstein lehnten die dort mitregierenden Grünen erst vor einigen Tagen ab. Dabei setzt die rot-grün-gelbe Koalition auf Erdgas als Ersatz für die vor der Abschaltung stehenden letzten Kernkraftwerke und für die ebenfalls vor der Abschaltung stehenden Kohlekraftwerke. Nur die Gas-Importe aus Russland will man nicht erhöhen, obwohl die eigenen Erdgasspeicher mit einem Füllstand von nur noch 33 Prozent so leer sind wie nie. Die Nutzung der eigenen, reichlich vorhandenen Erdgas-Reserven wird besonders von den Grünen, aber auch von SPD und CDU/CSU abgelehnt, weil dafür das angeblich umweltschädliche Fracking-Verfahren angewendet werden müsste.

So schlittert Deutschland mit den höchsten Energiepreisen der Welt in eine zu einem Großteil selbst verschuldete Wirtschaftskrise hinein. Wenn es als Mittler zwischen Ost und West aufgetreten und um Verständnis für Russland geworben hätte, wäre viel Porzellan in Europa nicht zerschlagen worden. Aber Berlin war nicht einmal imstande, Russland an den Tisch der Münchener Sicherheitskonferenz zu holen. Stattdessen wurde das Treffen zu polemischen Ausfällen gegen Putin genutzt. 

Die größten Fähigkeiten der Berliner Regierung scheinen inzwischen nur noch im Versenden von brüskierenden Twitter-Meldungen zu bestehen. Schon jetzt bekommen die deutschen Wähler die Quittung, dass sie Politik-Darsteller und keine Staatsmänner in die wichtigsten Ämter gewählt haben. Dabei könnte ein besseres Verhältnis zu Russland und ein Ende der nichts bringenden Wirtschaftssanktionen der Bundesrepublik eine bessere Energieversorgung sichern, und die Wirtschaft könnte wieder mehr nach Russland exportieren, wo deutsche Waren unverändert einen guten Ruf haben. Doch der deutsche Handel mit Rußland erreicht gerade einmal zwei Drittel des Handelsvolumens mit der kleinen Republik Tschechien (zehn Millionen Einwohner).

Der Schlüssel für die Lösung vieler, aber natürlich nicht aller deutschen Probleme liegt in Moskau. In seinen glücklichen Zeiten hatte Deutschland Staatsmänner, die das wussten: Bismarck war der eine, Helmut Kohl der andere. Scholz weiß das nicht. 

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