Selbstzensur in deutschen Medien – Bundespressekonferenz schließt Oppositionsjournalisten aus

Von Hans-Georg Münster

Mit Kritik und teilweise auch Spott bedachten deutsche Medien die Pressekonferenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Beginn des Jahres 2022. Über den angeblich „handverlesenen Teilnehmerkreis“ an der Pressekonferenz empörte sich der Mitteldeutsche Rundfunk, und die Tageszeitung Die Welt monierte genauso wie das Magazin Focus, dass der Kreml angeblich vergessen habe, die von Friedensnobelpreisträger Dimitri Muratov gegründete Oppositionszeitung „Novaja Gazeta“ einzuladen. Doch wer mit dem Finger auf andere zeigt, sollte nicht vergessen, dass dabei gleich mehrere Finger auf einen selbst zurück zeigen. Denn um die Pressefreiheit in Deutschland steht es nicht besonders gut. Ausgrenzung und Boykott von oppositionellen Journalisten sind inzwischen Praxis im deutschen Medienbetrieb.

Anders als in anderen Ländern gibt es in Deutschland keine Regierungspressekonferenzen. Die Journalisten, die über die Bundesregierung und den Bundestag berichten, haben sich in einem Verein mit dem Namen „Bundespressekonferenz e.V.“ zusammengeschlossen und verwalten und finanzieren sich selbst. Hintergrund sind Erfahrungen aus der Nazizeit, als Pressekonferenzen der Regierung reine Propagandaveranstaltungen waren. Die Bundespressekonferenz lädt die Sprecher des Bundeskanzlers und aller Ministerien dreimal pro Woche zu Pressekonferenzen ein, wo sie dann ohne zeitliche Begrenzung Fragen zu beantworten haben. Regelmäßig werden auch der Kanzler und die Minister zu Pressekonferenzen eingeladen. Fernsehzuschauer können diese Art Veranstaltungen an der blauen Saalwand im Hintergrund und an dem Schriftzug Bundespressekonferenz erkennen. Wer nicht Mitglied der Bundespressekonferenz ist, darf auch nicht an deren Veranstaltungen teilnehmen. 

Dieses besondere Verfahren, das vor Auswüchsen des Totalitarismus schützen sollte, funktionierte über Jahrzehnte – bis der kritische Journalismus weitgehend ausstarb, indem zum Beispiel konservative Journalisten entweder aus den Redaktionen herausgedrängt wurden oder aus Altersgründen ausschieden. Der Publizist Wolfgang Bok stellte in einer Untersuchung fest, in Deutschlands Redaktionen bestimme heute die „Generation Greenpeace“ das Geschehen: „Sie ist mit der ständigen Apokalypse aufgewachsen. Der grüne Alarmismus ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Das ist viel schlimmer als eine Gleichschaltung, wie man sie aus autoritären Staaten kennt“. Diese Journalisten würden vornehmlich in Freund-Feind-Kategorien denken und die Welt am liebsten in Gut und Böse einteilen: „Gut ist alles, was den Genderrichtlinien entspricht, mehr soziale Gerechtigkeit verheißt und vor allem gegen rechts klare Kante zeigt. So hecheln die Dauerbesorgten im medialen Geleitzug von Skandal zu Skandal. Stets die drohende Klimakatastrophe, die Menschheitsvergiftung oder die anstehende Machtübernahme durch Horden von Neonazis vor Augen.“ 

Diese neue Generation von Journalisten pflegt dem Kurs der Regierung und besonders der Partei Die Grünen in allen Bereichen kritiklos zu folgen, egal ob es um Klima oder um das Impfen gegen Corona geht. Andere Meinungen werden entweder pauschal zurückgewiesen oder gleich ignoriert. Die eingeschränkte Wahrnehmung führt in der Außenpolitik dazu, dass US-Präsident Biden automatisch zu den Guten gezählt wird und Putin dagegen zum Reich des Bösen gehört. 

Während anderswo autoritäre Regierungen gegen kritische Journalisten vorzugehen pflegen, machen dies in Deutschland die Medien selbst, wodurch in der Praxis die Zensur durch eine Selbstzensur ersetzt wird. So war in der Süddeutschen Zeitung zu lesen, manche Journalisten würden ihre Auftritte in der Bundespressekonferenz „für Propaganda und Verschwörungsmythen“ missbrauchen. Die auch in anderen Medien erhobenen Vorwürfe konzentrierten sich auf ein Mitglied in der Bundespressekonferenz: Boris Reitschuster. Der fällt regelmäßig durch kritische Fragen auf, zum Beispiel, ob sich der Bundeskanzler auch schon einmal mit Corona-Impfkritikern getroffen habe.
Begleitet vom Jubel einiger Medien wurde Reitschuster inzwischen aus der Bundespressekonferenz ausgeschlossen. Vorgeschoben wurde ein formaler Grund. Reitschuster gibt im Impressum seiner Internetseite eine Adresse in Montenegro an. Und daher könne er kein Mitglied der Bundespressekonferenz sein, weil er seine Tätigkeit aus Berlin oder Bonn für eine Firma, die in Deutschland ansässig sei, ausüben müsse, befand der Mitgliedsausschuss der Bundespressekonferenz gegenüber dem Journalisten. Allerdings zeigt schon ein Blick in das Mitgliederverzeichnis der Bundespressekonferenz, dass Reitschuster kein Einzelfall ist, sondern sich dort zahlreiche ausländische Medien finden, zum Beispiel das „Luxemburger Wort“, „ServusTV“ aus Österreich oder amerikanische Medien wie das „Wall Street Journal“, „Bloomberg“, „Reuters“ sowie „Associated Press“. 

Reitschuster ist nicht der einzige, der in die Fänge der journalistischen Selbstzensur geriet. So wurde dem deutschen Publizisten Henryk Broder die Aufnahme in die Bundespressekonferenz verweigert mit der Begründung, er erfülle den Tatbestand des Korrespondenten nicht. Broder gehört zu den bekanntesten konservativen Journalisten in Deutschland und ist für seine kritische Kommentare zur Regierungspolitik bekannt. Im Mitgliederverzeichnis der Bundespressekonferenz finden sich allerdings genügend Journalisten, die außerhalb der Hauptstadt zum Beispiel als Chefredakteure von Zeitungen tätig sind. Außerdem scheinen inzwischen auch Klimaschutzlobbyisten Zutritt zu dem Verein gefunden zu haben.
Dass regierungskritische Kommentare und Nachrichten auf Internetseiten wie Facebook, YouTube gelöscht werden, ist seit längerem bekannt. Und kürzlich wurde die Satelliten-Ausstrahlung des deutschen Programms des russischen Fernsehsenders RT durch die deutsche Medienaufsicht gestoppt, weil der Sender angeblich keine gültige Lizenz habe. Und wieder klatschen deutsche Medien Beifall. Der Sender RT sei nichts anderes als ein „Propagandainstrument des Kremls“, freute sich Spiegel Online über den Sendestopp. Genauso gut könnte aber der Deutschlandfunk als Propagandainstrument der Bundesregierung bezeichnet werden.
Die großen, von amerikanischen Unternehmen betriebenen Plattformen wie Facebook und YouTube lassen unter Zuhilfenahme deutscher Unternehmen im Regelfall alle Nachrichten, die der Regierung und den etablierten Parteien nicht gefallen könnten oder die für Positionen der konservativen Partei AfD werben, löschen. Oppositionelle Kräfte wechseln daher zumeist zum Kanal Telegram, der für die deutsche Medienaufsicht und Justizbehörden wegen seines Sitzes in Dubai nicht erreichbar ist. Auf YouTube gingen die regierungsnahen Löschgruppen kürzlich gegen das Portal „Achse des Guten“ vor, auf der unter anderem auch Henryk Broder publiziert. Sämtliche Beiträge des Portals wurden gelöscht.
Aber zurück zur Bundespressekonferenz. Dieser Verein wirkt heute wie aus der Zeit gefallen, als eine Veranstaltung, die in den Bonner Nachkriegsjahren geboren wurde und in Berlin nicht mehr richtig ankam. Wenn der Vorsitzende der Bundespressekonferenz, Mathis Feldhoff vom Staatsfernsehen ZDF, seinen Verein als die „Herzkammer der Meinungsfreiheit“ bezeichnet, so ist festzustellen, dass das Herz der freien Berichterstattung und des kritischen Journalismus in Deutschland längst aufgehört hat zu schlagen.

Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“