Seidenstraße: Auch deutsche Firmen gehören zu den Gewinnern

Von Joseph Mathias Roth

In den vergangenen Monaten ist die Neue Seidenstraße etwas aus dem Blickpunkt der deutschen Öffentlichkeit geraten, die sich vor allem mit dem Thema Corona beschäftigte. Doch China befindet sich wirtschaftlich weiter auf der Überholspur. Das gilt auch für den Ausbau der Seidenstraße. Diese wird von der chinesischen Regierung massiv gefördert. China gewinnt in besonderem Maße vom Ausbau der Verbindungen zwischen dem Fernen Osten und Europa. Doch anders als von einem Teil der deutschen Medien dargestellt, profitieren auch deutsche Firmen sehr stark von der Seidenstraße. Es lohnt sich, einen genaueren Blick auf das Projekt zu werfen und seinen Einfluss auf deutsche und osteuropäische Unternehmen.
Deutsche Häfen profitieren
Die Hamburger Hafengesellschaft nutzt aktiv die Chancen, die das „Belt and Road“ Projekt bietet. Unter dem Begriff „Belt and Road“ werden die verschiedenen Strecken der Seidenstraße über Land und See zusammengefasst. Axel Mattern, Vorstand der Hafen Hamburg Marketing, betont: „Der Hamburger Hafen ist Europas größte Logistikdrehscheibe und im Handel ist China der führende Hafenplatz.“ Jeder dritte Container, der hier umgeschlagen wird, kommt aus oder geht nach China.“
Bereits jetzt ist der Hafen sehr gut an den Güterverkehr angebunden. Mattern: „Mit 2.000 angebotenen Containerzugverbindungen pro Woche ist Hamburg mit großem Abstand der größte Player im Markt.“ Ein wachsender Teil der Verbindungen steht im Zusammenhang mit der Neuen Seidenstraße.
Auch der Hafen Duisburg als größter Binnenhafen Europas profitiert vom Belt and Road Projekt. So kooperiert der Hafen eng mit Triest als Endpunkt der maritimen Seidenstraße. Erich Staake, Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG betont: "Das wichtigste Wachstumssegment für Duisburg ist das China-Geschäft. Das wollen wir natürlich ausbauen." Im Umfeld des Hafens haben sich bereits über 100 chinesische Unternehmen angesiedelt.
Insbesondere der Warenverkehr mit China ist auf der Schiene im vergangenen Geschäftsjahr um ca. 70 Prozent angestiegen. 2019 verkehrten wöchentlich zwischen Duisburg und verschiedenen Destinationen in China im Durchschnitt 35 bis 40 Züge. Ab dem zweiten Quartal 2020 registrierte der Duisburger Hafen einen Anstieg auf bis zu 60 Züge in der Woche.
Deutsch-russische Kooperation
Auch in Osteuropa profitieren Logistikunternehmen und Häfen vom Ausbau der Seidenstraße. So ist seit 2019 Kaliningrad, das frühere Königsberg, ein Endpunkt der Seidenstraße in Nordosteuropa. Im Kaliningrader Hafen Baltijsk werden die Container von den Zügen auf Frachtschiffe umgeladen und zum Hafen Mukran an der mecklenburgischen Ostseeküste gebracht, von wo sie per Eisenbahn weitertransportiert werden. Bis zu 16 Züge am Tag können in Baltijsk abgefertigt werden. Organisiert werden die Transporte vom russisch-kasachisch-belarussischen Unternehmen UTLC ERA in Kooperation mit dem Hafen Mukran.
UTLC ERA verantwortet 87% der Transporte per Breitspurbahn von China bis an die polnisch-belarussische Grenze. Bemerkenswert ist, dass trotz Corona die Transporte im Jahr 2020 um 64% gegenüber 2019 auf 530.000 TEU (Standardcontainer) stiegen.
Der Vorteil der Transporte auf dem Schienenweg liegt daran, dass die Züge von China bis nach Europa durchschnittlich nur zwölf Tage Fahrtzeit benötigen, wobei die Fahrtzeit in den nächsten Jahren weiter fallen soll. Dagegen dauert der Transport auf dem Seeweg vier bis sechs Wochen. Und der Luftverkehr ist zwar schnell, aber sehr teuer und die CO2-Emissionen sind 95% höher als bei der Bahn. Alexei Grom, Generaldirektor von UTLC ERA, ist deshalb überzeugt, dass „ab 2025 die Zahl von mindestens einer Million TEU“ auf der Breitspurbahnstrecke von China nach Europa erreicht wird. 
Von den steigenden Bahntransporten profitiert auch das polnische Logistikunternehmen PKP Cargo. So fuhren 2019 drei Viertel der Züge zwischen Europa und China über Polen. Czeslaw Warsewicz, Präsident von PKP Cargo, bemängelt aber „dass nur 25% davon in Polen umgeschlagen wurden.“. Hier gibt es noch Entwicklungsbedarf, ebenso wie bei der Weiterentwicklung des Umschlagterminals inMalaszewicze, wo von der Breitspur auf die europäische Normalspur gewechselt wird. Aktuell gibt es hier noch relativ lange Wartezeiten. PKP Cargo entwickelt das Chinageschäft auch durch direkte Kontakte: So wurde im August 2018 eine Kooperation mit der Stadt Zhengzhou unterschrieben, die ein sehr bedeutender Verkehrsknotenpunkt in China ist.
Deutsche Logistiker blicken nach Osten
Zu den deutschen Transportfirmen, die erfolgreich im Logistikgeschäft tätig sind, gehört das Unternehmen „Hellmann Worldwide Logistics“ aus Osnabrück. Hellmann erzielte 2019 einen Umsatz von 2,9 Mrd. EUR. Die Firma unterhält bereits Büros in verschiedenen Ländern entlang der Seidenstraße und transportiert für Porsche Fahrzeuge von Bremerhaven nach Chongqing in Südchina.  Das Interesse chinesischer Kunden an der Verbindung nimmt zu. Matthias Magnor, Chief Operating Officer Road&Rail bei Hellmann: „Schon heute wollen chinesische Händler aus benachbarten Provinzen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Zug aufspringen.“
Zu den mittelständischen Firmen, die sich bei der Logistik der Neuen Seidenstraße engagieren, gehört die „European Cargo Logistics“. Das Unternehmen mit den Standorten Rostock, Lübeck und Petersburg ist bereits stark im Russlandhandel tätig. Zukünftig sollen Züge über die Seidenstraße nach Petersburg fahren, wo die Container umgeladen und nach Lübeck transportiert werden.
Auch für den Lübecker Hafen können sich somit neue wirtschaftliche Perspektiven ergeben. Der Russlandhandel macht bisher knapp 10% des Gesamtumsatzes aus und hat unter den Sanktionen gelitten. Die Seidenstraßenverbindung nach Petersburg könnte den Warenaustausch mit Russland im Lübecker Hafen erhöhen.
Siemens Interessen
Aber auch außerhalb der Logistikbranche profitieren deutsche Firmen vom Ausbau der Seidenstraßen Verbindungen. Zu ihnen gehört die Siemens AG, die schon im September 2017 eine eigene Belt and Road Task Force gründete. „So richtig interessant wird es vor allem dann, wenn neue beziehungsweise wachsende Städte, Flughäfen oder Industriezentren entlang der neuen Handelsrouten entstehen. Denn die müssen dann nachhaltig elektrifiziert, effizient automatisiert und auch medizinisch versorgt werden – und überall hier kann Siemens helfen“, betont Cedrik Neike, im Vorstand der Siemens AG verantwortlich für Asien und die globale Belt and Road Task Force.
Skepsis in Washington und Brüssel
Die vielen Beispiele zeigen, dass es durchaus deutsche und europäische Unternehmen gibt, die stark vom Ausbau der Neuen Seidenstraße profitieren. Dass sich sowohl die USA als auch die EU skeptisch bis ablehnend gegenüber dem Projekt Seidenstraße geben, beweist, dass für sie geopolitische Interessen wichtiger sind als das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft. Washington, Brüssel, aber auch Teile des deutschen politischen Establishments fürchten eine verstärkte wirtschaftliche Ausrichtung Deutschlands auf Eurasien mit seinem gewaltigen wirtschaftlichen Potenzial. Denn dies würde mittelfristig auch mehr Kooperation mit China und Russland bedeuten. Also versucht man lieber zu stören und zu blockieren, anstatt das Spiel der Wirtschaftskräfte sich frei entfalten zu lassen.
Seidenstraße, Europa, China, World Economy
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