Russland im Blick: Deutschland rüstet Panzer im Eiltempo nach

Von Hans-Georg Münster
Für deutsche Panzergeneräle war es ein Schock: Als die türkische Armee nach Syrien einrückte, wurden deren Panzer schnell zur Beute der Verteidiger. Die überwiegend älteren aus Deutschland stammenden Leopard 1-Modelle waren modernen Panzerabwehrwaffen nicht mehr gewachsen. „Der Leopard büßte deutlich von seinem Nimbus ein“, wunderte sich seinerzeit die Zeitschrift „Stern“.
Auch die Bundeswehr musste befürchten, dass ihre Panzer im Ernstfall schnell einer feindlichen Abwehr zum Opfer fallen könnten. Dies gilt auch für die neueren Leopard 2-Modelle, die zwar besser, aber nicht ausreichend geschützt sind.
Die NATO Strategie hat sich geändert. Man rechnet inzwischen wieder mit der Möglichkeit direkter militärische Auseinandersetzungen mit Russland. In der deutschen Zeitschrift „Europäische Sicherheit und Technik“, die dem Berliner Verteidigungsministerium nahesteht, wird dies offen eingeräumt: „Lange Zeit waren bei der Bundeswehr Duelle von Kampfpanzern oder das Thema Panzerabwehr kein Teil der planerischen Vorsorge bei der Abwehr von Bedrohungen. Seitdem die Landes- und Bündnisverteidigung aber wieder an Relevanz gewonnen hat, werden auch diese Themen wieder betrachtet“, heißt es in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift. Dass im Schwerpunkt der Betrachtungen „natürlich vor allem die Bedrohung aus Russland“ steht, wird offen zugegeben.
Die Zeitschrift „Europäische Sicherheit und Technik“ malt zunächst unter der Überschrift „Die Bedrohung“ ein düsteres Gemälde einer angeblichen russischen Hochrüstung. Russland habe die „Armata-Familie“ (Kampfpanzer T-14 und Schützenpanzer T-15) seit 2019 mit bisher geringen Stückzahlen eingeführt. Die „Armata-Familie“ zeichne sich im Bereich Schutz vor allem durch Reaktivpanzerung sowie aktive Hard-Kill-Systeme aus. Nicht nur diese neueren Systeme würden eine Herausforderung darstellen. Russland modernisiere im Bereich Schutz auch die älteren Kampf- und Schützenpanzer wie die T-72, T-80 oder BMP-3. Fast alle Fahrzeuge würden nach und nach zumindest mit Reaktivpanzerungen ausgestattet. Bei Reaktivpanzerungen handelt es sich um explosive Platten auf dem Panzer, die beim Auftreffen eines Geschosses eine Gegenexplosion auslösen und damit die Wirkung der Angriffswaffe reduzieren sollen. Hard-Kill-Systeme zerstören anfliegende Waffen vor dem Auftreffen durch vom Panzer abgeschossene Projektile.
Die Bundeswehr hätte in einer Feldschlacht den besser geschützten russischen Modellen wenig entgegenzusetzen. Die Truppe verfügt über überwiegend ältere Panzerabwehrhandwaffen, die nur zum Teil modernisiert wurden. Zur Verfügung steht zwar auch das sogenannte „Wirkmittel 90“, aber die Erweiterung dieser Handabwehrwaffe zur Panzerabwehr ist bis heute nicht eingeführt worden, so dass ihre Wirkung auf leicht gepanzerte Fahrzeuge beschränkt bleibt.
Um die Fähigkeitslücken zu schließen, hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz eine Vereinbarung mit dem Staat Israel zur Beschaffung eines neuen aktiven Schutzsystems für die Kampfpanzer Leopard 2 unterzeichnet. Das bereits bei den israelische Streitkräften eingesetzte System Trophy, ein Hard-Kill-System, bietet einen 360-Grad-Schutz gegen Panzerabwehr-Raketen und Lenkflugkörper. „Anhand von Sensoren werden die Flugbahnen von Geschossen ermittelt und darauf mögliche Abfangpunkte für eine Gegenmaßnahme berechnet und ausgelöst“, heißt es in einer Mitteilung des Bundesamtes zu dem Trophy-System. Israel soll nicht nur die Waffensysteme, sondern auch die dafür benötigte Munition sowie ein umfangreiches Ersatzteilpaket liefern. Zudem soll Israel die Ausbildung der Bundeswehr-Soldaten an dem neuen System übernehmen. Wie hoch der Preis für „Trophy“ ist, gab das BAAINBw nicht an.
Mit der Nachrüstung hat es die Bundeswehr sehr eilig. Die neuen Systeme sollen bereits im Jahr 2022 einsatzbereit sein. Die Eile ist auch mit Erfahrungen aus dem jüngsten Konflikt in Bergkarabach zu erklären. Die dort erfolgreich gegen Panzer eingesetzten Drohnen dürften auch dem letzten Bundeswehr-Planer klargemacht haben, dass die Zeit von Panzerabwehrhandwaffen dem Ende entgegengeht. Rüstungsexperten der Bundeswehr sehen die Zukunft der Panzerabwehr ohnehin in „Loitering“-Waffen. Dabei handelt es sich um Lenkflugkörper, die längere Zeit über dem Gefechtsfeld kreisen und ein Ziel entweder vom Gefechtsstand am Boden zugewiesen bekommen oder es sogar selbst erkennen und bekämpfen. Der Soldat mit der Panzerfaust ist Geschichte.
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