Russland-Hilfe für Italien: Wer steckt hinter «La Stampa»?

Die italienischen Medien: alle unabhängig?

Von Christian Müller

- Die Hilfe war «zu 80 Prozent nutzlos», schrieb «La Stampa». Der Fall zeigt eine geopolitische Instrumentalisierung grosser Medien.
Red. Die Zeitung «La Stampa» gehört zur Gruppo Editoriale GEDI, in deren Verwaltungsrat vorgestern TX-Group-Verleger Pietro Supino gewählt worden ist. Siehe die Details weiter unten.
Nach persönlicher – telefonischer – Absprache zwischen Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte und Russlands Präsident Wladimir Putin landeten am 24. März 2020 15 russische Transportmaschinen auf einem italienischen Militärflugplatz in der Nähe von Rom. Sie brachten medizinisches Material, unter anderem Beatmungsgeräte, und rund hundert medizinische Hilfskräfte, Virologen, Epidemiologen und andere Ärzte. Die Hilfsgüter und die eingeflogenen Ärzte wurden mit Lastkraftwagen nach Norden in die Lombardei gebracht, wo die Covid-19-Pandemie am schlimmsten wütete. Für Russland war das neben echter Hilfe eine willkommene Gelegenheit, auch politischen Goodwill zu schaffen. Es gab wie erwartet viele Zeichen der Dankbarkeit, hörbar am Radio und sichtbar im italienischen Fernsehen. Neben Russland halfen in Italien auch kubanische Ärzte und Ärzte aus dem kleinen Albanien. Hilfe aus der EU allerdings war zu jener Zeit noch nicht in Sicht.
La Stampa: «Unnützes Material»
Natürlich war die Hilfe aus Russland den politisch EU- und vor allem den NATO-freundlichen Medien in ganz Europa unangenehm. Selbst Radio SRF versuchte einigermassen verkrampft, diese Hilfe als reine PR-Aktion Russlands abzutun. Und die grosse italienische Tageszeitung «La Stampa» brachte sogar einen Artikel, gemäss dem die russische Hilfe «zu 80 Prozent nutzlos» gewesen sei, wobei sie auf wichtige Quellen verwies, die «nicht genannt werden» dürften.
Das kam dann wiederum in Russland gar nicht gut an. Der Stampa-Artikel war im russischen Fernsehen mehrmals ein Thema.
Auch die russische Informationsplattform in deutscher Sprache RT nahm sich, wenig überraschend, der Sache an. Der Verdacht, dass hier ein geopolitisches Informations-Spielchen gespielt wurde, war naheliegend, denn schon in der italienischen Wikipedia kann man nachlesen, dass der Autor dieses Stampa-Berichts, Jacopo Iacoboni, mit dem NATO-nahen Think-Tank Atlantic Council in den USA zusammenarbeitet. So etwa lancierte der Atlantic Council vor zwei Jahren eine Publikation über «Die Trojanischen Pferde des Kremls 0.2», in der das Kapitel über Italien von Professor Luigi Sergio Germani und eben diesem Journalisten Jacopo Iacoboni verfasst worden war. Verantwortlich für die Publikation zeichnete Alina Polyakova, die aufgrund ihrer NATO-Nähe mittlerweile Chefin des atlantischen Propaganda-Think-Tanks CEPA wurde, der seinerseits seine Mission wie folgt definiert: «Our mission is transatlantic: to promote an economically vibrant, strategically secure, and politically free Europe with close and enduring ties to the United States.»
RT lieferte zum Artikel von Jacopo Iacoboni in «La Stampa» einen ausführlichen Bericht mit jeder Menge meist nachvollziehbarer Information. Ihn nachzulesen lohnt sich.
Dieser Bericht von RT wiederum hat die EU-Kampagnen-Plattform EUvsDISINFO auf den Plan gerufen, deren Ziel es ist, Informationen von russischer Seite als russische Propaganda zu entlarven. Es gebe keine Einflussnahme aus Washington auf die Zeitung «La Stampa», beschied sie.
Nachdem sich auch das russische Aussenministerium gegen den «La Stampa»-Bericht gewehrt hatte, fühlten sich plötzlich alle grossen italienischen Zeitungen veranlasst, sich für die Medien-Freiheit in Italien zu wehren und sich mit Jacopo Iacoboni zu solidarisieren. Ein Zufall?
Die italienischen Medien: alle unabhängig?
«La Stampa» gehört der Gruppo Editoriale GEDI. Wer dort genauer hinschaut, sieht, dass auch «La Repubblica» und weitere 14 italienische Tageszeitungen dieser Medien-Gruppe gehören. Seit zwei Tagen gehört die GEDI aber mehrheitlich der Investmentgruppe Exor, die ihrerseits schon die Fiat-Chrysler-Gruppe dirigiert und die auch am britischen Wirtschaftsmagazin «The Economist» 43 Prozent der Aktien hält. Exor gehört mehrheitlich dem Agnelli-Clan, hat seinen juristischen Sitz offensichtlich aus steuertechnischen Gründen aber in den Niederlanden (Fiat ist ja bereits in Luxemburg wegen illegaler Steuer-Abkommen in ein Gerichtsverfahren verwickelt).
Präsident von GEDI und Exor und Fiat-Chrysler ist der 1976 in New York geborene und bei General Electric trainierte John Elkann, über die Mutter ebenfalls ein Agnelli-Spross, der so nebenbei auch noch Chef des Autobauers Ferrari und des Fussballclubs Juventus Turin ist. Juventus gehört zu 64 Prozent ebenfalls Exor. (Lustige Details über John Elkann, Sohn von Alain Elkann, kann man im deutschen manager-magazin nachlesen: hier anklicken.)
Gleich und Gleich gesellt sich gern
John Elkann gehört zu den Grossen der Finanzwelt und als solcher auch zu den erlauchten Geladenen der Bilderberg-Konferenzen. Genauso wie in der Schweiz auch der Verwaltungsratspräsident der TX Group (vormals Tamedia), der Coninx-Spross und italienisch-schweizerische Doppelbürger Pietro Supino. Vorgestern Donnerstagabend, 23. April 2020, hat persönlich.com als Breaking News gemeldet, dass Supino jetzt in den Verwaltungsrat der Mediengruppe GEDI gewählt wurde, die der Exor gehört.
Der «TagesAnzeiger» aus dem Hause TX Group hat seine Auslandberichterstattung an die «Süddeutsche Zeitung» abdelegiert, deren Auslandchef Stefan Kornelius ein bekennender NATO-Freund ist. Von München über Zürich, Bern, Basel, Milano, Turin und bis London: Die finanziellen, persönlichen und redaktionellen Bande der Medienhäuser werden auch international immer enger. Die für eine echte Demokratie notwendige Medienvielfalt ist in vielen Ländern fast nur noch Theorie. Und wenn es um geopolitische Themen geht, ist bereits jetzt – mit wenigen Ausnahmen – publizistischer Eintopf die Realität.
PS: Gestern Freitag erschien keine «La Repubblica», da die neue Eigentümerin von GEDI, Exor, den bisherigen Chefredaktor der linksliberalen Zeitung gleich am ersten Tag, an dem sie dazu juristisch kompetent war, abgesetzt hat. Darauf beschloss die Redaktion, an diesem Freitag zu streiken.
Nachtrag vom Montag, 27. April 2020:
Jetzt hat auch der TagesAnzeiger, die grosse Schweizer Tageszeitung, über den neusten Presse-Deal in Italien berichtet, sehr informativ und sogar ziemlich kritisch. Dass auch der eigene Konzern-Chef, TX Group-VR-Präsident Pietro Supino, jetzt mit von der Partie des italienischen Medien-Giganten ist, wird im Tagi-Bericht allerdings mit keinem Wort erwähnt. Unabhängiger Journalismus à la TX Group eben.

Quelle: https://www.infosperber.ch/Artikel/Medien/La-Stampa-Russland-Atlantic-Council-Pietro-Supino
Bilder @depositphotos
Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“