Regierungssubventionen für Zeitungen. Unabhängigkeit in Gefahr

Von Hans-Georg Münster

Den deutschen Zeitungen geht es gar nicht gut. Die Leser laufen in Scharen davon; Anzeigenerlöse brechen dramatisch ein. Als Retter in der Not präsentiert sich jetzt die Bundesregierung mit millionenschweren Subventionen. Zusätzlich gibt es Anzeigen vom Bundespresseamt, die die wegbrechenden Inserate der Wirtschaft wenigstens zum Teil ersetzen. Damit gerät die früher auf ihre Unabhängigkeit stolze deutsche Presse in die Abhängigkeit von der Regierung.
Die Auflagenentwicklung ist eine einzige Katastrophe: Die Bild-Zeitung, Deutschlands größte Boulevardzeitung aus dem Hause Springer, verlor im ersten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahresquartal 117.918 Exemplare und hat jetzt noch 1,173 Millionen Auflage. Die ebenfalls von Springer verlegte DIE WELT rutschte sogar um 23,7 Prozent ab und kommt noch auf eine Auflage von 53.478 Stück. „Süddeutsche“ und die FAZ verloren je knapp drei Prozent Auflage (Zahlen enthalten nur Abonnements und Einzelverkäufe). Besonders drastisch fielen die Verluste in der Hauptstadt Berlin aus: Dort verlor die „Morgenpost“ 3.667 Exemplare (minus 7,13 Prozent) und hat nur noch 47.768 Exemplare. Der „Tagesspiegel“ hielt seine Auflage nur wegen Digitalabonnements stabil Auflage. Und die Berliner Zeitung“ meldete „wegen Corona“ überhaupt keine Auflagenzahlen mehr.
Schon im letzten Jahr riefen die Zeitungsverleger nach Subventionen für die steigenden Zustellkosten. Gerade auf dem Land bleiben bei immer weniger Exemplaren die Kosten gleich. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger hat die Situation durch das Forschungsinstitut Schickler untersuchen lassen. Das Ergebnis weist auf eine bevorstehende Katastrophe hin. Schickler schreibt: „So sind bereits heute auf Basis der derzeitigen Lohnkosten und der aktuellen Abonnementauflage 718 Gemeinden mit insgesamt 254.500 Einwohnern in Deutschland nicht mehr oder überwiegend nicht mehr zu betriebswirtschaftlich sinnvollen Konditionen mit der Tageszeitung zu beliefern.“ Die düstere Prognose: „Bis zum Jahr 2025 erhöht sich die Anzahl dieser zustellgefährdeten Gemeinden in Deutschland auf ungefähr 40 Prozent aller Gemeinden in Deutschland. In diesen 4.396 Gemeinden leben in Deutschland derzeit über 4,3 Mio. Einwohner, die bei gleichbleibender Entwicklung in die Situation geraten können, von einer Zustellung mit der gedruckten Tageszeitung in Deutschland ausgeschlossen zu werden.“
Bereits im letzten Jahr hatte die Bundesregierung einen Etattitel zur „Förderung der Zusteller von Abonnementzeitungen und Anzeigenblättern“ mit 40 Millionen Euro eingerichtet. Der Titel wurde mit Verabschiedung des zweiten Nachtragsetats erheblich ausgeweitet: Jetzt heißt der Titel „Förderung der digitalen Transformation des Verlagswesens zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen“. Die Verlage können aus dem Vollen schöpfen: Bis zu 200 Millionen Euro stehen in den nächsten Jahren bereit.
Außerdem werden vom Bundespresseamt zahlreiche Anzeigenaufträge zur Unterstützung der Presse vergeben. Inhalt der Anzeigen sind propagandistische Aufrufe für Europa, für die Grundrente und inzwischen auch für die Corona-Bekämpfungsmaßnahmen. Von 2015 bis 2019 wurden vom Bundespresseamt rund 90 Millionen Euro für Zeitungen ausgegeben. Vor diesem Hintergrund wirkt der in diesem Jahr neu geschaffene Haushaltstitel beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zum Schutz und zur strukturellen Förderung der journalistischen Arbeit“ mit einer Million Euro recht klein.
Aber in Ergebnis geraten die deutschen Zeitungen in die finanzielle Abhängigkeit der Regierung und er Regierungsparteien, die sie auch kaum noch zu kritisieren wagen.

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