Von Dr. Norbert van Handel
Nach dem Gefeilsche in Brüssel darf man folgendes feststellen:
Die Staats- und Regierungschefs verstanden sich darauf, die EU als Sozialinstitution einer Art europäischer Caritas zu sehen, um jenen Ländern, denen Corona angeblich besonderen Schaden verursacht hat, zu helfen.
Schön – nur hat das mit den EU Verträgen überhaupt nichts zu tun.
Jeder liebt Italien, aber die Schäden, die das Land angeblich durch Corona erfuhr, resultieren vor allem daraus, dass sowohl die Finanzwirtschaft in diesem Land, als auch das Gesundheitssystem chaotisch sind, was überhaupt nichts mit Corona zu tun hat.
Der Kompromiss, der in Brüssel ausgehandelt wurde, widerspricht allen EU Verträgen, die bisher mit den Mitgliedsländern vereinbart waren:
Dem Verbot der gegenseitigen Haftung der Mitgliedsländer.
Dem Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank.
Der Einhaltung von Schuldenobergrenzen.
Er bringt Megaschulden und Haftungen biblischen Ausmaßes, wie ein Journalist der seriösen Wiener Presse deutlich ausführte. Wirksame Kontrollen der Zuschüsse, die dringend notwendig wären, gibt es nicht.
Die Regierungschefs, die zu Hause großartig ihre Erfolge in Brüssel betonten, verschweigen keusch, dass die Finanzunion damit Realität geworden ist.
Gleichzeitig bekommen die kleinen Länder viel weniger Geld aus der Corona Hilfe, als die EU Kommission seinerzeit vorgeschlagen hat: die frugalen Vier - von einem versierten deutschen Seniorpolitiker zutreffend als „neue Hanse“ bezeichnet - erhalten z.B. nach einer Analyse der Brüsseler Denkfabrik Bruegl nur:
Österreich statt 4,79 Milliarden, nur 3,17 Milliarden,
Die Niederlande statt 8,9 Milliarden, nur 6,4 Milliarden,
Deutschland statt 33,8 Milliarden, 47,2 Milliarden und
Frankreich statt 42,3 Milliarden, 50,7 Milliarden
bekommen.
Nun, es sei Deutschland und Frankreich gegönnt, aber es zeigt auf der anderen Seite, wie verantwortungslos mit den Milliarden, für die letztendlich die Steuerzahler haften, umgegangen wird.
Besonders kurios ist, dass nunmehr das Europäische Parlament den mühsam ausgehandelten Kompromiss wieder in Frage stellt. Und genau das zeigt die zahlreichen Schwachpunkte der EU auf:
Wenn der Rat, also die Staatschefs, die in ihren Ländern demokratisch legitimiert sind, etwas aushandelt, dann fragt man sich, wozu man eigentlich das EU Parlament noch braucht?
Sollten nicht die EU Verträge auf einen ganz normalen völkerrechtlichen Vertrag herunter dimensioniert werden, wenn die Kommission ohnedies nichts zu reden hat?
Frau Von der Leyen wirkte auch in Brüssel für alle aufmerksamen Beobachter wie eine Gastwirtin, die schaut, dass ihre Gäste zu Essen und zu Trinken haben.
Ein weiterer Punkt ist das Recht der Steuererhebung durch die EU.
Steuern können nur souveräne Staaten erheben – sind die EU etwa schon die Vereinigten Staaten von Europa?
Hier zeigt sich die Verlogenheit von Institutionen, die zwar von Ungarn oder Polen „Rechtsstaatlichkeit“ verlangen, selbst aber alle Rechte durchbrechen. Dies entspricht wohl kaum dem europäischen Geist, falls es einen solchen überhaupt gibt.
Wenn wir ohne Volksabstimmungen in den Mitgliedsstaaten in ein Europa hineintaumeln, das letztendlich einen Bundesstaat Europa als Ziel hat, so widerspricht dies allen Rechtsnormen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt wurden.
Die Menschen in Europa wollen kein europäisches Mischmasch, weil ihre Geschichten, zum Unterschied etwa von den amerikanischer Bundesstaaten, eine starke historische Kultur haben, die durch einen Bundesstaat Europa nicht repräsentiert werden, da sie diametral gegenläufig sind.
Ein neues Europa kann nur in Reduzierung der Zuständigkeiten der EU und in Subsidiarität gefunden werden. Im Vordergrund stehen müssen:
Sicherheit für Europa
Die vier großen Freiheiten (Personen, Waren, Dienstleistungen, Geld)
Und darüber hinaus für besondere Fälle weitere völkerrechtliche Verträge, die im Einzelfall ausgehandelt werden müssen.
Wenn man nur auf die Sicherheit blickt, stellt sich folgendes dar:
Die NATO wird sich über kurz oder lang aus Europa verabschieden, womit Europa auf sich selbst gestellt sein wird.
Außer den Engländern, die aus der EU ausgetreten sind, hat nur noch Frankreich eine einigermaßen wirksame Verteidigung.
Die Bundeswehr in Deutschland ist keine militärische Macht mehr.
Die kleinen Länder, besonders auch Österreich, noch weniger.
Also, wie soll eigentlich eine Verteidigung Europas funktionieren?
Aus österreichischer Sicht kann nur eine mitteleuropäische Zusammenarbeit in Zukunft sinnvoll sein. Daran müssen wir arbeiten.
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