Pistorius stellt auf Kriegsmodus um / Verteidigungsminister will Deutschland „kriegstüchtig“ machen

Von Hans-Georg Münster

Eine alte Erfahrung sagt, wenn es an der Front nicht gut läuft, dann läuft wenigstens die Propagandamaschine auf Hochtouren. Es werden Ablenkungsmanöver für die eigene Bevölkerung inszeniert, Durchhalteparolen ausgegeben oder gleich neue Ziele formuliert. Das ist gerade wieder in Berlin zu beobachten. Der Bundesregierung ist intern längst klar, dass aus der groß angekündigten Militär-Offensive der korrupten ukrainischen Regierung nicht allzu viel geworden ist. Man hat die Ukraine mit Waffen vollgestopft, aber größere Erfolge sind ausgeblieben. Das ist eine Erfahrung, die schon im Vietnam-Krieg zu beobachten war: Die südvietnamesische Armee war von den USA hochgerüstet worden, verlor aber dennoch gegen die schlechter ausgerüsteten Vietcong.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat schon mehrfach vor Kriegsgefahren in Europa gewarnt und dass man sich „an den Gedanken gewöhnen muss, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte“. Neu ist aber die Schlussfolgerung in Form eines Appells an die Bundesbürger: „Wir müssen kriegstüchtigwerden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen,“ erklärte der SPD-Politiker, der damit verbal in eine neue Dimension vorstößt. „Kriegstüchtig“ zu sein heißt nämlich mehr als eine Steigerung der Militärausgaben zur Erreichung des 2-Prozent-Ziels der NATO. Das Wort „kriegstüchtig“schließt laut der Operativen Leitlinien des Heeres auch „die Überzeugung ein, in den kritischsten Ausprägungen des gemeinsamen Kriegsbildes gegen den erwarteten Gegner erfolgreich zu sein“. Damit kann die Befähigung zum Angriff oder die direkte Beteiligung an einem Krieg gemeint sein.

Die Äußerung von Pistorius hat umso mehr Gewicht, als dass er nach einem möglichen Scheitern von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als neuer Regierungschef im Gespräch ist. Scholz könnte eine Steueraffäre zum Verhängnis werden. Zudem ist er immer weniger in der Lage, die zerstrittenen Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP zusammenzuhalten. Neuer Bundeskanzler könnte Pistorius werden. Die neue Regierung könnte er aus SPD und CDU/CSU bilden. Vizekanzler würde dann der amerikahörige CDU-Vorsitzende Friedrich Merz.


Pistorius verwies in einem Interview auf die laufende Aufrüstung der Bundeswehr, finanziert durch den nach Beginn der Auseinandersetzungen in der Ukraine aufgelegten schuldenfinanzierten Sonderfonds für Verteidigung in Höhe von 100 Milliarden Euro. Von den 100 Milliarden seien bereits zwei Drittel vertraglich gebunden. In drei oder fünf Jahren werde die Bundeswehr völlig anders aussehen, kündigte Pistorius an. Meinte er damit die Kriegstüchtigkeit? Sogar der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck, der Rüstungsinvestitionen früher ablehnend gegenüberstand, sprach sich inzwischen dafür aus, die deutsche Aufrüstung fortzusetzen und dafür neue Kredite aufzunehmen.

Internationale Ereignisse sind traditionell ein beliebtes Mittel, um vom eigenen Versagen abzulenken. Die deutsche Ukraine- und Russland-Politik ist ein Scherbenhaufen. Nach Moskau wurden alle Verbindungen gekappt, in der deutschen Öffentlichkeit und vor allem von der in Gründung begriffenen Partei der früheren Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht werden jedoch immer stärker Fragen nach dem Sinn der Unterstützung der korrupten Regierung in Kiew gestellt. In Umfragen wächst die Zahl der Bundesbürger, die die Wiederaufnahme von Energie-Käufen in Russland fordern. Berlin gerät besonders vor dem Hintergrund der durch die Energieblockade gegen Russland selbstverschuldeten Wirtschaftskrise unter Rechtfertigungszwang.

Da bot der neu ausgebrochene Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern Gelegenheit für Ablenkungsinszenierungen. Der brutale Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel hatte weltweites Entsetzen ausgelöst und auch die Berliner Regierung betonte wieder einmal ihre Solidarität mit Israel, war aber zunächst nicht einmal in der Lage, deutsche Staatsangehörige aus Israel kurzfristig auszufliegen.

Jetzt aber trumpft Berlin auf. Die deutsche Korvette Oldenburg kreuzt vor der libanesischen Küste, die Fregatte Baden-Württemberg ist unterwegs ins östliche Mittelmeer und der Einsatzgruppenversorger Frankfurt, das größte Schiff der deutschen Marine, ist auch schon da. In deutschen Medienberichten ist von Verlegung von Kräften wie dem Kommando Spezialkräfte KSK die Rede. Auch die auf Geiselbefreiung spezialisierte Polizeieinheit GSG9 soll sich entweder auf Zypern oder in Jordanien befinden, um bei Bedarf israelische Einheiten bei der Befreiung von Geiseln aus palästinensischer Hand unterstützen zu können. Es ist aber unklar, ob Israel deutsche Hilfe annehmen würde. Der Kommandeur der Division schnelle Kräfte der Bundeswehr, Generalmajor Dirk Faust, sagte jedoch, man sei bereit, „sowohl luft- als auch seegestützt zu operieren“. Berichte von deutschen Militärbloggern lassen darauf schließen, dass die Bundeswehr auf Zypern einen Gefechtsstand für eventuelle Militäroperationen eingerichtet hat.

Diplomatisch läuft es für Berlin hingegen weniger gut. Bei der Abstimmung über eine UN-Resolution, die von vielen Regierungen als israelfeindlich interpretiert wird, votierte Deutschland in der UN-Vollversammlung nur mit einer Enthaltung. Das Abstimmungsverhalten der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) steht im krassen Gegensatz zu Erklärungen früherer Regierungschefs wie Angela Merkel (CDU) und auch von Scholz, wonach die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson sei. Zuletzt bezeichnete der deutsche Bundesrat die Anschläge auf Israel als „Akt der Barbarei und des Terrors. Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen Terror zu verteidigen. Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.“ Doch das Berliner Auswärtige Amt traut sich nicht, eine Resolution abzulehnen, die den Terror der Hamas nicht klar beim Namen nennt und keine Bekräftigung des Selbstverteidigungsrechts des Staats Israels enthält.

Auch in einem anderen Punkt widerspricht das deutsche Verhalten gegenüber der Terrororganisation Hamas den Solidaritätsschwüren für Israel aus Berlin. Nach deutschen Medienberichten beträgt das weltweite Hamas-Vermögen über 700 Millionen Dollar. Hamas soll einen Teil des Vermögens bei türkischen Banken deponiert haben, die wiederum umfangreiche Geschäfte mit deutschen Instituten machen, wobei der Verdacht besteht, dass Hamas-Gelder über diesen Weg in Deutschland angelegt werden. Während russisches Eigentum beschlagnahmt oder gleich enteignet wurde, schaut die Bundesregierung den bis nach Deutschland reichenden Finanzaktionen der Hamas tatenlos zu.

 

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