Ukraine. Nostalgiefest der Waffen SS

Stelldichein im braunen Sumpf

Von Rudolf Guljaew

Unbehelligt von den ukrainischen Behörden und mit Wissen westlicher Regierungen, welche beide Augen zudrücken, feiern ukrainische Neonazis in der Westukraine seit Jahren Hitlers Geburtstag und halten Versammlungen ab, an denen Kriegsverbrecher zu Freiheitskämpfern hochstilisiert werden. Das Treiben dieser Revisionisten hat das Potenzial, Unfrieden in Osteuropa zu säen.

Sei es Zufall oder auch nicht, am Montag, den 20. April dieses Jahres, pünktlich zu Adolf Hitlers Geburtstag, führte die PEGIDA in Dresden ihre vorerst erste Montagsdemonstration durch, freilich mit Corona-Virus bedingen Auflagen. Solche Auflagen kannten die Mitglieder der "Bruderschaft der ehemaligen Soldaten der 1. Ukrainischen Division der Ukrainischen Nationalarmee" tags zuvor nicht, als sie sich ungestört – frei von Maskentragpflicht und Mindestabstand – in Kalush bei Ivano-Frankivsk im Westen der Ukraine zu einer besonderen Veranstaltung trafen, nämlich zur Ehrung des Wassili Nakonechnow, eines alten Kämpfers der Division (1).

Geschichte und Verbrechen der Division

Die 4. SS Waffen-Grenadier-Division "Galizien" (galizische SS-Division Nr. 1) wurde in der ersten Jahreshälfte 1944 vornehmlich aus ukrainischen Freiwilligen aus der Region Lwiw/Lemberg und aus sogenannten Volksdeutschen aufgestellt. Die Mannschaften wurden vorwiegend durch den Melnyk-Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten OUN rekrutiert. Auch wenn immer wieder das Gegenteil behauptet wird, so muss als erwiesen gelten, dass sich Angehörige der Division bei verschiedenen Gelegenheiten an Kriegsverbrechen beteiligten, wie zum Beispiel an den Massakern von Pidkamin, Huta-Pieniacka und Palikrowy, bei denen insgesamt 1'500 Menschen, mehrheitlich Polen, getötet wurden (2). Ende Juli 1944 wurde die Division in der Kesselschlacht von Brody 80 km nordöstlich von Lwiw von der Roten Armee weitgehend vernichtet, ein Teil konnte aus dem Kessel entkommen, ein anderer schloss sich den ukrainischen Partisanen an (3). Unverzagt wurde die Division danach in Deutschland neu aufgestellt und als Besatzungstruppe in die Slowakei verlegt, wo sie sich erneut an Kriegsverbrechen beteiligte (4). Im April 1945 wurde die Division, nun umbenannt in 1. Division der Ukrainischen National-Armee, in die Steiermark verlegt, wo sie gegen die Rote Armee kämpfte und sich an Massakern an Juden und Roma beteiligte (5). Dass es hier nicht mehr um die Verteidigung der Ukraine ging, liegt auf der Hand, denn diese hatte die Rote Armee schon ein Jahr zuvor zurückerobert. Am 8. Mai 1945 ergab sich die Division bei Tamsweg und Judenburg in Österreich britischen Truppen (6). Da die meisten Soldaten aus Galizien stammten, galten sie nach britischer Rechtsauffassung als polnische Staatsbürger und wurden nicht an die Sowjetunion ausgeliefert, sondern in Rimini interniert. Viele wanderten nach ihrer Entlassung nach Kanada, in die USA und nach Australien aus (7). Gerade in Kanada geniessen sie bis heute Anerkennung und Protektion (8).

Rehabilitation unter Juschtschenko

Unter der Präsidentschaft von Wiktor Juschtschenko wurden die ukrainischen Angehörigen der Waffen-SS rehabilitiert (9) und die, 1949 in Neu-Ulm gegründete "Bruderschaft der ehemaligen Soldaten der 1. Ukrainischen Division der Ukrainischen Nationalarmee" (10) trat nun wieder öffentlich in Erscheinung. Die Bruderschaft tritt seither regelmässig selbstbewusst in der Öffentlichkeit auf, veranstaltet seit 2010 jährlich am 28. April eine Parade, um die Gründung der Division zu feiern, und organisiert weitere Veranstaltungen, an denen sie das Andenken der Division ehrt (11). So auch am vergangenen 19. April, wo der stellvertretende Vorsitzende der Bruderschaft, Vaszl Bychko, in Kalush Wassili Nakonechnow, einem alten Kämpfer der Division eine Auszeichnung übergab. Dieser erhob zur Begrüssung den rechten Arm und es nicht davon auszugehen, dass er dies zur Gewährleistung des derzeit notwendigen sozialen Abstands tat, zumal er und Bychko sich hinterher herzlich umarmten (12). Es dürfte sich vielmehr um den Hitlergruss gehandelt haben. Bei dieser Veranstaltung traten Bychko und seine Kameraden einheitlich im Feldanzug der US-Marineinfanterie mit dem Tarnmuster "digital woodland", bzw. "Marpad" auf. Auf ihren Uniformen sind neben der ukrainischen Fahne auch die Farben des "Rechten Sektors" und das Oberarmabzeichen der Bruderschaft angebracht, das dem Divisionsabzeichen der SS-Division "Galizien" nachempfunden ist. Alle tragen sie schwarze Feldmützen, die denjenigen der deutschen Wehrmacht der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkriegs gleichen und auf denen ebenfalls das Divisionsabzeichen prangt. Bychko trägt auf der Feldbluse dazu noch den Ehrenstern der Ukraine, der an Patrioten der Ukraine, an Kämpfer in der sogenannten "Anti-Terror-Operation"(ATO), für die Unterstützung der Kämpfer in der ATO, und für Beiträge an die Entwicklung ukrainischer Kultur und Traditionen verliehen wird. Ferner trägt er die Medaille "Сащитник Украины" (Zashitnik Ukrainy, Verteidiger der Ukraine), die ihn definitiv als ATO-Teilnehmer ausweist (13). Dank dieser staatlichen Auszeichnungen der Ukraine wird auch klar, woher die US-Uniformen stammen: Sie waren höchstwahrscheinlich Teil der materiellen Hilfe westlicher Staaten an die ukrainischen Freiwilligen-Bataillone im Herbst 2014. Es war dies nicht der erste derartige Auftritt: Bereits vor zwei Jahren, am 28. April 2018, am Sonntag vor dem Jahrestag der Gründung des Ukrainischen Staates im Jahr 1918 (ukrainisch Українська держава, Ukrajinska derschawa), fand in Lwiw/Lemberg eine ähnliche Veranstaltung statt. Der Ukrainische Staat, auch Hetmanat genannt, war ein kurzlebiger ukrainischer Staat, der am 29. April 1918 gegründet worden war, nachdem deutsche und österreichisch-ungarische Truppen in die Ukraine einmarschiert waren. Unter der Führung des selbsternannten Hetman Pawlo Skoropadskyj betrieb dieser Staat, der auch Teile der heutigen Republik Belarus umfasste und Gebiete in Südrussland beanspruchte (14), eine nationalistische Politik. Auch am 28. April 2018 traten Bychko und seine Kameraden in Uniform auf, ein weiterer in der Uniform der deutschen Wehrmacht, und ein dritter in der traditionellen ukrainischen Tracht (Wyschywanka), die derzeit von Nationalisten so gern getragen wird (15). Und schliesslich wurde im vergangenen Januar in Iwano-Frankiwsk in der Person von Michail Mulik ein Veteran der Division und Ehrenbürger der Stadt zu Grabe getragen. Auch hier traten junge Leute in Wehrmachtsuniform auf und nahmen, bewaffnet mit Wehrmachts-Karabinern des Typs 98k, an der Trauerfeier in der Kirche teil (16). Mit von der Partie war auch Oleksandr Sitsch als Vertreter des Parlaments der Oblast Iwano-Frankiwsk.

Rituale Ewiggestriger?

Nun könnte man das alles als Rituale dummer, alter Ewiggestriger abtun und sie ihren anachronistischen Zirkus weiterhin abhalten lassen, in der Erwartung, dass dieser altershalber in wenigen Jahren von selbst aufhören wird, wenn da nicht junge Leute mitgemacht hätten, die an der sogenannten "Antiterror-Operation" im Donbass teilgenommen hatten. In dieser, von Innenminister Arsen Awakow geführten Operation erpressten die Freiwilligen an Checkpoints "Gebühren", hielten Menschen willkürlich fest und plünderten leerstehende Häuser aus. Was diese Leute im Donbass veranstalteten, ist nichts anderes als staatlich sanktionierter, gewerbsmässiger, bandenmässiger bewaffneter Raub. Dass der heutige ukrainische Staat diese Leute vorerst nicht zur Rechenschaft ziehen kann, ist klar, solange sie Zugriff auf Waffen haben und vom Innenminister Awakow gedeckt werden. Bleibt zu hoffen, dass westeuropäische Regierungen nicht die Geschmacklosigkeit besitzen, diesen zu offiziellen Besuchen zu empfangen und ihm den sprichwörtlichen roten Teppich auszurollen. Ein weiterer Grund zur Sorge bleibt die Bezeichnung "Galizien" und die Rückbesinnung dieser ukrainischen Nationalisten auf den Ukrainischen Staat von 1918. Manch einer mag wohl von der Wiederentstehung des Königreichs Galizien und Lodomerien träumen, das von 1867 bis 1918 Teil des Habsburgerreichs gewesen war, freilich unter stramm nationaler Führung (17). Warschau, Moskau und Minsk sollten die Aktivitäten dieser Revisionisten im Auge behalten. Bedenklich ist auch, dass ukrainischer Patriotismus nach wie vor die Nähe zum Nationalsozialismus sucht und das mit Billigung der Regierung in Kiew und mancher westlichen Regierung, die gegenüber "nützlichen Idioten" offenbar beide Augen zuzudrücken bereit ist.

Anmerkungen

  1. https://www.youtube.com/watch?v=bXkSslXA6ak.
  2. Institute of national remembrance: Investigation into the Crime committed at the Village of Huta Pieniacka, online unter https://web.archive.org/web/20140301051417/http://ipn.gov.pl/en/commission/selected-investigations/investigation-into-the-crime-committed-at-the-village-of-hut. Grzegorz Motyka, Ukraińska Partyzantka 1942–1960, Warszawa 2006, S. 181, 385. Institute of national remembrance: Investigation of the Crime Committed at the Village of Huta Pieniacka, online unter https://www.webcitation.org/5jWExyI3v?url=http://www.ipn.gov.pl/portal/en/19/188/Investigation_of_the_Crime_Committed_at_the_Village_of_Huta_Pieniacka.html.
  3. weaponews.com/news/11746-in-ukraine-reburied-with-honors-ss.html.
  4. Michal Šmigeľ, Aleksandr Cherkasov: The 14th Waffen-Grenadier-Division of the SS "Galizien No. 1" in Slovakia (1944–1945): Battles and Repressions, online unter http://vital.lib.tsu.ru/vital/access/services/Download/vtls:000468932/SOURCE1.
  5. https://www.kleinezeitung.at/steiermark/suedostsued/5351304/Kompromiss-im-Feldbacher-DenkmalZwist_Umstrittene-SSDenkmaeler.
  6. Die Geschichte der Division ist gut dokumentiert. Siehe : http://www.eestileegion.com/?home/waffen-ss/waffen-ss-divisions/14th-waffen-grenafier-division-of-the-ss-galizien-1st-ukrainian.html. http://www.encyclopediaofukraine.com/display.asp?linkpath=pages%5CD%5CI%5CDivisionGalizien.htm; http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/GrenadierdivisionenSS/14GDSS.htm; https://www.webcitation.org/5gQrFH4OY?url=http://www.axishistory.com/index.php?id=1959;
  7. http://www.ukrainiansintheuk.info/eng/01/former-e.htm; http://www.encyclopediaofukraine.com/display.asp?linkpath=pages%5CD%5CI%5CDivisionGalizien.htm.
  8. David Pugliese: Why deny the Ukrainian Nazi connection? In: Ottawa Citizen, 27.10.2017, online unter https://ottawacitizen.com/news/national/defence-watch/why-deny-the-ukrainian-nazi-connection/. Protektion erhielten sie auch durch kanadische Offizielle: Excerpts from The Report of the "Commission of Inquiry on War Crimes" by Honourable Justice Jules Deschenes, Commissioner Ottawa Dec. 30, 1986 pertaining to Galicia Division, online http://www.infoukes.com/galiciadivision/deschenes/. Die Division wäre in der Tat der einzige Waffen-SS-Verband, der sich nicht an Kriegsverbrechen beteiligt hätte.
  9. Vgl. Per Anders Rudling: The Return of the Ukrainian Far Right, The Case of VO Svoboda, online unter http://defendinghistory.com/wp-content/uploads/2013/01/PA-Rudling-on-Return-of-Ukrainian-Far-Right-2013.pdf.
  10. http://www.encyclopediaofukraine.com/display.asp?linkpath=pages%5CB%5CR%5CBrotherhoodofFormerSoldiersoftheFirstUkrainianDivisionoftheUkrainianNationalArmy.htm.
  11. https://www.umoloda.kiev.ua/number/0/2011/114025/; https://www.timesofisrael.com/ukraine-divided-over-legacy-of-nazi-fighters/; weaponews.com/news/11746-in-ukraine-reburied-with-honors-ss.html.
  12. https://www.youtube.com/watch?v=bXkSslXA6ak.
  13. https://de.wikipedia.org/wiki/14._Waffen-Grenadier-Division_der_SS_(galizische_Nr._1)#/media/Datei:14._SS-Freiwilligen-Infanterie-Division_%E2%80%9EGalizien%E2%80%9D.svg; https://www.asmc.de/feldbluse-acu-digital-woodland; https://www.ebay.es/itm/Teesar-Hombres-Superior-Uniforme-Militar-Tactico-Acu-Ejercito-Algodon-Camiseta-D-/301603808778; https://www.garantpartners.com.ua/ua/predloj/175/2378/; https://awards-ukraine.com.ua/produktsiia/nagrady-ato/medal-zashchitnik-ukrainy. http://m.awards-vs.com/nagradyi-dlya-boytsov-ato_uk; https://www.volynnews.com/news/society/medyky-iz-lutskoho-hospitaliu-otrymaly-nahorody-za-uchast-v-ato/; https://www.volynnews.com/news/vidsichagresoruukrayinayedina/volynskym-zakhysnykam-vruchyly-derzhavni-nahorody/.
  14. http://www.encyclopediaofukraine.com/display.asp?linkpath=pages\H\E\Hetmangovernment.htm; Olena Bojko; Territorium, Grenzen und administrativ-territoriale Einteilung des ukrainischen Staates unter Hetman P. Skoropadskyj (1918) - Regionalgeschichte der Ukraine, Sammlung wissenschaftlicher Artikel. – 2009, online unter http://history.org.ua/JournALL/regions/3/11.pdf, in ukrainischer Sprache. Karte von Alex Tora bei https://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainischer_Staat#/media/Datei:Ukrainian_State_1918_divisions.png.
  15. Siehe https://ok.ru/video/891146470794.
  16. Siehe https://www.youtube.com/watch?v=ehTFpxFFQsI.
  17. https://deutsche-schutzgebiete.de/wordpress/projekte/oesterreich-ungarn/oesterreich/galizien/#jp-carousel-15429; https://www.pressreader.com/austria/der-standard/20130806/281736972083126.

Bilder: @depositphotos Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“Am 25. Mai 2018 tritt die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. World Economy S.L. aktualisiert in diesem Zuge seine Datenschutzbestimmungen. Gerne möchten wir Sie weiterhin mit unserem Newsletter an Ihre E-Mail-Adresse informieren. Sie haben jederzeit das Recht, der weiteren Nutzung Ihrer personenbezogenen Daten für die Zukunft zu widersprechen