Norbert Hofer: „Unser Ziel ist - wieder zu regieren“

Alexander Sosnowski, Chefredakteur von World Economy hat in Wien ein exklusives Interview mit dem Dritten Präsidenten der Österreichischen Nationalrats, Herrn Norbert Hofer, geführt.

WE: Herr Hofer, die FPÖ hat in der vorherigen Koalition eigentlich in allen Fragen gewisse Fortschritte erzielen können, nun kam ein Richtungswechsel. Wohin wird der Weg mit der neuen Koalition führen und welche Position wird die FPÖ in dieser Konstellation einnehmen?

Norbert Hofer: Natürlich ist diese Koalition von der Schwerpunktsetzung her anders aufgestellt, als jene zwischen Türkis und Blau in der Vergangenheit. Es gibt einige Beispiele in der Verkehrspolitik - wo beispielsweise dem Auto der Kampf angesagt wird - wir sind aber in Österreich auch sehr stark in der Zuliefererindustrie engagiert. Wir haben auch in Steyr, zusammen mit BMW, ein Dieselwerk. Das Bestreben den Verbrennungsmotor zu verbieten, ist aus unserer Sicht ein falsches Signal. Alle Experten sagen, dass es in Zukunft drei Motorentechniken nebeneinander geben wird - den Verbrennungsmotor, natürlich auch mit anderen Treibstoffen. Dann das batteriebetriebene Fahrzeug und die Brennstoffzellen mit Wasserstoff. Also eine der Techniken in der Zukunft untersagen zu wollen, ist aus unserer Sicht, nicht der richtige Weg. Die Grünen und die ÖVP sind natürlich sehr weit von einander entfernt. Es gibt selbst im Parlament kaum gemeinsame Initiativen. Die großen Reibungsflächen werden erst in den nächsten Monaten sichtbar werden, wenn es um die Sicherung der Grenzen geht, wenn es um Migrationspolitik geht, auch wenn es um eine liberale Wirtschaftspolitik geht. Die Unternehmer in Österreich stöhnen unter einer sehr großen Last der Bürokratie. Das wollten wir abstellen. Da haben die Grünen einen völlig anderen Zugang, sie sind für mehr Beschränkungen für die Wirtschaft und eine strengere Regulierung. Und natürlich der zweite Punkt, das ist die Senkung der Steuerlast. Wir sagen immer, es muss so viel Staat geben wie notwendig, damit die Dinge auch reguliert werden, Aber nicht mehr. Und was die Grünen wollen, ist das Gegenteil davon, sie sind dafür alles zu regulieren. Sie sind dafür höhere Steuern zu erheben und auch mehr Staat im Land zu haben. Das ist ein Weg, den wir nicht unterstützen.

WE: Kann man das so sehen, dass die FPÖ eigentlich wieder zurück in die Koalition strebt, um die eigenen Ziele doch noch zu erreichen?

Norbert Hofer: In der Politik ist es immer wichtig den Weg in die Regierung anzustreben und diese auch zu gestalten. Wobei natürlich auch die Opposition eine wichtige Aufgabe innehat, aber es ist immer besser zu regieren. Und wir sind dafür auch gut aufgestellt. Das hat sich ja nicht geändert. Es hat ein Fehlverhalten der ehemaligen Parteispitze gegeben, das ist bekannt, aber der Inhalt, die Werte, die Richtung der FPÖ sind immer noch die selben. Auch die Persönlichkeiten, die aktiv sind, sind auch immer noch die selben. Diese Regierung war sehr, sehr beliebt bei der Bevölkerung. Daher ist unser Ziel auch wieder zu regieren.

WE: Können Sie jetzt auch als Oppositionspartei eine Schlüsselrolle bei irgendwelchen Fragen spielen oder können Sie „nur“ bei der Koalition mitspielen? Oder sehen Sie sich als eine reine Oppositionspartei, die die eigenen Ziele verfolgt?

Norbert Hofer: Nein, es ist so, dass viele Beschlüsse im Parlament auch unter Mitwirkung der FPÖ entstehen. Auch heute gab es eine Abstimmung wo wir mit dabei waren. Das heißt, in sehr vielen Bereichen bringen wir uns auch sehr sachlich und positiv mit ein. Aber es gibt natürlich Punkte, die wir anders sehen, wo wir einen ganz klaren Kontrapunkt setzen und hoffen, dass wir dabei auch von der Bevölkerung unterstützt werden.

WE: Eine Frage zur Besetzung der Partei. Wie gut ist die FPÖ eigentlich personaltechnisch aufgestellt?

Norbert Hofer: Die Persönlichkeiten, die diese Partei prägen, sind sehr starke Persönlichkeiten. Wenn man sich andere Parteien so ansieht, da wissen viele Leute gar nicht, wer ist eigentlich der stellvertretende Parteiobmann, wer hat welche Rolle inne? Bei uns weiß man das eigentlich. Wir haben mit Herbert Kickl einen sehr, sehr starken Stellvertreter. Aber auch bei den Persönlichkeiten aus den Bundesländern, haben wir Menschen, die ihren Weg in der Zukunft gehen werden. Wir haben ein sehr junges Team bei den Landesobleuten der FPÖ in den Bundesländern, Manfred Haimbuchner in Oberösterreich oder Marlene Svazek in Salzburg, die sich wirklich sehr toll entwickelt. Dann Mario Kunasek in der Steiermark, der ein sehr engagierter Minister für Landesverteidigung gewesen war. Markus Abwerzger in Tirol, Christof Bitschi in Arlberg, dann Udo Landbauer in Niederösterreich, in Wien Dominik Nepp, im Burgenland steht Alexander Petschnig ante portas, also ein wirklich sehr junges Team. Da ist also eine erhebliche Kraft vorhanden, die man auch in Zukunft spüren wird.

WE: Welche Rolle will Österreich zukünftig in Europa spielen? Im Moment sieht es aus, als strebe Österreich nach einer Position der Dreh- und Angelscheibe in Mitteleuropa. Wie sehen Sie das? Kann es diese Rolle übernehmen oder sollte es doch lieber irgendwo im Abseits bleiben?

Norbert Hofer: Österreich muss diese Rolle einfach einnehmen - aufgrund unserer Geschichte. Wir haben eine sehr enge Verbindung aufgrund unserer reichen geschichtlichen Erfahrung, auch in der Monarchie. Da ist die Dynastie der Habsburger und deswegen gibt es auch sehr gute Kontakte zu den Ländern Europas. Man pflegt auch ähnliche Werte, eine ähnliche Kultur - beginnend allein schon mit der Architektur, wenn man die Länder besucht und sieht, dass alles wie aus einem Guss ist. Daher ist es wichtig, dass wir uns hier besonders engagieren. Warum? Weil die Europäische Union in einer gewissen Krise steckt. Das muss man einfach sagen. Das liegt auch daran, dass Deutschland, aufgrund der Schwierigkeiten im Staate, einiges von seiner Führungsrolle eingebüßt hat. Angela Merkel ist zu lange geblieben, hat ihren Zenit überschritten. Es gibt auch, wie Sie wissen, Probleme rund um die Parteiführung. Frankreich ist dadurch stärker geworden, mit einer völlig anderen politischen Ausrichtung durch Macron, der sich sehr stark für ein gemeinsames Militär einsetzt. Und er will Europa auch zu einer Atommacht machen. Aber das ist nicht die Stärke Europas. Die Stärke Europas ist die Vielfalt. Das wird vielfach übersehen. Wir haben also einerseits ein starkes Frankreich, schwächelndes Deutschland, Beneluxstaaten, die, obwohl sehr klein, im Moment sehr stark sind und Österreich. Da fehlen diese Kooperation und eine aktive Außenpolitik und dass muss heißen, dass man genau dieses Mitteleuropa wieder herstellen muss.

WE: Was sagen Sie dann zu Polen? Denn im Moment strebt Polen nach dieser starken Führungsrolle in Mitteleuropa, Osteuropa, diese Intermarium-Gedanken - der Verbund vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer - die immer wieder auf den Tisch gelegt werden. Dann steht Polen irgendwie quer?

Norbert Hofer: Ich würde es gar nicht ausschließen, dass auch Polen, als ein großes Land, eine wichtige Rolle einnimmt. Insgesamt würde ich sagen, die Visegrád-Staaten sind ein eigener Block, der sehr stark ist, der aber von einigen Kräften, den alten Kräften in Europa, als Gegner gesehen wird. Dauernd redet man drüber, wie man Ungarn am besten bestrafen kann und es gebe zu wenig Demokratie usw. Aber genau diese Länder sind die aufstrebenden Länder in der Europäischen Union und ich glaube, dass Österreich auch mit den Visegrád-Staaten eine sehr enge Kooperation eingehen muss. Das wird die Zukunft Europas ausmachen.

WE: Das ist eine sehr interessante Sichtweise. Aber dann schlagen wir gleich den Bogen zum Verhältnis mit den USA: das sind sehr enge Verbündete für Deutschland, wie steht es da um Österreich?

Norbert Hofer: Wir sind ein neutrales Land und müssen um Äquidistanz bemüht sein. Zweifellos spielen die USA eine wichtige Rolle, aber der derzeitige Präsident zieht sich aus vielen Bereichen der Weltpolitik zurück und dieses alte Modell des Weltpolizisten, das man bisher gekannt hat, hat nicht mehr diese große Bedeutung. Wir sind auch davon überzeugt, dass Trump die nächste Präsidentenwahl wieder gewinnen wird. Für uns ist es aber trotzdem wichtig diese Äquidistanz zu wahren, zu den USA, zu Russland… Ich glaube auch, dass die Russlandsanktionen beendet werden müssen, es hat dadurch nur Schaden gegeben. Unsere Wirtschaft, Industrie, aber auch die Landwirtschaft haben großen Schaden genommen, während die Sanktionen aber nichts bewirken. Es ist Unsinn etwas aufrecht zu erhalten, wo alle Beteiligten nur Schaden nehmen.

WE: Aber trotzdem, die USA versuchen für sich ebenfalls eine neue Rolle zu finden, in Bezug zu Deutschland, auch in Bezug zu Frankreich. Auch was die atomare Beteiligung verschiedener anderer Länder betrifft. Österreich versucht dabei eine neutrale Rolle einzunehmen, wenn die USA nun aber die atomaren Manöver in Polen beginnen, die für die EU und für die NATO enorm wichtig sind, welche Position kann Österreich da einnehmen?

Norbert Hofer: Österreich muss die neutrale Rolle verstärken. Wir hatten eine Phase in unserer Geschichte, wo wir als neutrales Land sehr stark waren, unter Bruno Kreisky. Das ist in den Jahren und Jahrzehnten danach immer mehr ins Hintertreffen gelangt. Wir sehen natürlich auch, dass die Amerikaner, was die NATO angeht, immer mehr Beiträge von den anderen Ländern einfordern - das kommt dann teilweise nicht. Wir sind aber nicht dafür, dass es eine europäische Armee unter einem gemeinsamen Kommando gibt. Wir würden uns daran nicht beteiligen, weil wir eben ein neutrales Land sind. Für uns war auch vor dem Beitritt zur Europäischen Union klar, dass wir diese Neutralität nicht aufgeben. Wir wollen Mittler bleiben, dort wo es Probleme gibt. Das hat man auch gesehen: im Rahmen des Iran-Konflikts war Österreich das Land, wo die Verhandlungen geführt worden sind. Leider zerbricht gerade dieses Abkommen, aber das ist die Rolle Österreichs in der Welt.

WE: Herr Hofer, gehen wir nun zu Russland über. Wir sind da die Beziehungen? Geschichtlich betrachtet Russland Österreich als eines der wichtigsten Länder in Europa, aber trotzdem hat auch Österreich die Sanktionen gegen Russland unterschrieben. Wie können sich die Beziehungen der beiden Länder sich entwickeln?

Norbert Hofer: Ich halte es für falsch, dass sich Österreich an den Sanktionen beteiligt hat. Eben, weil Österreich ein neutrales Land ist. Und würde man die gleichen Maßstäbe anlegen, die man bei Russland angelegt hat, dann stellt sich die Frage, wie sieht es mit dem Krieg aus, den die USA gegen den Irak geführt haben? Wo sind denn nun die Massenvernichtungswaffen? Was ist mit Syrien? Libyen? Das hat für sehr viel Unruhe gesorgt. Da hätte sich Österreich als neutrales Land nicht daran beteiligen sollen. Ich bin auch dafür, dass diese Sanktionen einfach auslaufen.

WE: Es gibt ja zwei Sanktionsschienen, zum einen wegen der Krim und dann noch wegen der Skripal-Affäre. Krim scheint eine „beschlossene Sache“ zu werden, könnte man die Krim-Sanktionen nicht einfach ausklammern? Und so die Sanktionen Schritt für Schritt abbauen? Sie schaden ja nicht nur Russland. Sie schaden auch Österreich und auch Europa.

Norbert Hofer: Ich bin 100 prozentig dieser Meinung, erst recht, wenn man sich die Geschichte der Krim ansieht. Und würde man heute eine Abstimmung unter den Menschen durchführen, dann würde auch sie so ausgehen, dass man dafür ist ein Teil Russlands zu sein. Auch das kann man nicht einfach so ausklammern. Ich bin völlig der Meinung, dass man diese Sanktionen abbauen muss.

WE: Kann das in Österreich irgendwie durchgesetzt werden?

Norbert Hofer: Wir vertreten diesen Standpunkt seit vielen Jahren, auch in der Regierung. Die ÖVP war da anderer Meinung. Warum? Weil der Bundeskanzler Kurz jemand ist, der sehr auf das Bild achtet, das man im Ausland, vor allem Richtung Westen abgibt. Das ist unser Eindruck. Hier vermissen wir genau diese Äquidistanz, die uns wichtig gewesen wäre.

WE: Unterhalten Sie persönliche Beziehungen zu Russland?

Norbert Hofer: Ich habe Präsident Putin damals persönlich kennengelernt, als er Österreich besucht hat, wir haben auch ein Gespräch geführt, das überaus angenehm und für mich auch sehr interessant war. Er spricht ja fließend Deutsch, das war eine wirklich angenehme Erfahrung und ein guter Kontakt.

WE: Gibt es in Österreich so etwas wie ein russische (russischsprachige) Diaspora?

Norbert Hofer: Eine russische Gemeinde tritt nicht stark in der Öffentlichkeit auf, aber natürlich gibt es sie. Was man in Österreich wirklich stark sieht, ist die griechisch-orthodoxe Kirche. Die ist auch in der Öffentlichkeit sehr stark wahrnehmbar.

WE: Die Geschichte ist in Russland gerade ein großes Thema, weil vor allem Polen, jetzt versucht die These aufzustellen, dass Sowjetunion und Nazi-Deutschland auf einer Ebene stehen würden, was den Zweiten Weltkrieg angeht. Russland ist strikt dagegen und es wird viel über Öffnung der Archive und ein Offenlegen der Dokumente aus der damaligen Zeit gesprochen. Wie sieht man das in Österreich? Darf man das auf einer Ebene sehen?

Norbert Hofer: Ich glaube, dass man, was im Rahmen des Nationalsozialismus passiert ist, nicht auf eine Ebene stellen kann. Das wäre eine Verzerrung der Tatsachen. Natürlich, sind im Krieg und im Umfeld des Krieges Gräueltaten von Menschen verschiedener Nationen verübt worden, auch mit persönlicher Schuld - das ist nicht zu bezweifeln. Jedes Opfer eines Krieges ist eines zu viel. Aber die industrielle Vernichtung von Leben ist nicht gleich zu stellen -  was auch immer sonst noch passiert  ist.

WE: Herr Hofer, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.

Bilder: © Parlamentsdirektion / Thomas Topf © Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS@ Depositphotos

Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“Am 25. Mai 2018 tritt die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. World Economy S.L. aktualisiert in diesem Zuge seine Datenschutzbestimmungen. Gerne möchten wir Sie weiterhin mit unserem Newsletter an Ihre E-Mail-Adresse informieren. Sie haben jederzeit das Recht, der weiteren Nutzung Ihrer personenbezogenen Daten für die Zukunft zu widersprechen