NATO macht Druck im hohen Norden. Militarisierung der Arktis geht voran

Von Hans-Georg Münster

Die NATO will den militärischen Druck in der Arktis erhöhen. Angesichts der bevorstehenden Übernahme des Vorsitzes im Arktischen Rat durch Russland im Juni erwartet man in Washington und Brüssel verstärkte Initiativen Moskaus in der nördlichen Region. Beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der NATO am 14. Juni werde die wachsende russische Präsenz in der Arktis ein Thema sein, erklärte NATO Sprecherin Oana Lungescu gegenüber deutschen Medien. Der Arktische Rat ist ein lockerer Zusammenschluss von Anrainerstaaten und Ländern mit Beobachterstatus. 
Die NATO sehe die wachsende russische Präsenz mit Sorge. „Frühere sowjetische Militärbasen werden wieder eröffnet, neue gebaut“, erklärte Lungescu. Nach Beobachtungen der NATO hat Russland seine Nordflotte und die U-Boote in diesem Bereich modernisiert. Außerdem würden neue Waffensysteme wie die Unterwasserdrohne „Poseidon“ und eine neue Eisbrecherflotte in der Arktis stationiert. In der Tat hatte Moskau vor einem Jahr den Bau des bisher größten Atomeisbrechers „Leader“ angekündigt.
Die USA hatten Mitte April mit Norwegen ein neues Abkommen über eine militärische Zusammenarbeit unterzeichnet. Norwegen räumt den USA darin das Recht ein, Militärbasen auf drei Flugplätzen und einen Marinestützpunkt zu errichten. Die Regierung in Moskau bezeichnete das Verhalten der USA und Norwegens als „destruktiv“. Verteidigungsminister Sergej Schuigo kündigte nach einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur an, den Vorsitz im Arktischen Rat zu zu nutzen, um „die Rolle unseres Landes als Koordinator und Initiator vieler Programme in der Region zu stärken“.
Offenbar rechnen die Vereinigten Staaten damit, dass sich durch den Klimawandel die Lage in der Arktis in den nächsten Jahren verändern wird. Bei einem Klimagipfel von US-Präsident Joe Biden erklärte Pentagon Chef Lloyd Austin, der Klimawandel mache die Welt unsicherer, und „wir müssen handeln“. Dabei wies er auch auf das schmelzende Eis in der Arktis und den zunehmenden Wettbewerb um Ressourcen und Einfluss in der Region hin.
Nach Erwartungen des Frithjof-Janssen-Instituts könnte die Bedeutung der sogenannten Nordostpassage nach Asien entlang der russischen Küste in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Derzeit ist eine Durchfahrt ohne Begleitung von Eisbrechern nur zwischen Juni und Oktober möglich, und wurde in den vergangenen zehn Jahren selten genutzt. Nach Angaben des Frithjof-Janssen-Instituts wurden zwischen 2010 und 2019 nur 89 internationale Transitfahrten durch die gesamte Passage registriert. Darunter waren 17 Schiffe deutscher Reedereien, die Schwergutschiffe durch die Nordostpassage schickten. Zum Vergleich: Den Suezkanal passieren innerhalb von zwei Tagen 94 Schiffe.
Es wird mit einer erheblichen Zunahme des Verkehrs auf der Nordostpassage gerechnet. Inklusive der Verschiffung von Öl und Gas (sogenannter Quell- und Zielverkehr) aus den sibirischen Häfen wurde 2020 ein Transportvolumen von rund 30 Millionen Tonnen gezählt. Das Volumen soll sich bis 2025 auf 90 Millionen Tonnen verdreifachen - ein klarer Beweis für die stark steigende Bedeutung der Region. 

Bilder: Depositphotos
Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“