Nationale Interessen schützen

Von  Prof. Alexander Sosnowski

Die Welt wird nicht mehr so sein, wie sie gestern noch war. Und das nicht, weil ein Atomkrieg ausgebrochen ist. Ein winziges, für das menschliche Auge unsichtbares Virus hat alles verändert, was die Welt in den letzten siebzig Jahren geschaffen hat. Das Coronavirus hat nicht China in die Knie gezwungen. Es hat die bestehende Balance zwischen dem wirtschaftlichen und strategischen Dasein unserer Welt ins Mark getroffen und zerstört. Während die Experten streiten, ob das Virus in den USA erschaffen und nach China gebracht wurde oder die Chinesen selbst den Gin aus der Flasche gelassen haben, erfasst es immer mehr Gebiete. Die Informationen ähneln Berichten von der Front - Anzahl der Toten, Erkrankten, Prognosen über die wirtschaftlichen Verluste, Berichte über die Abwertung des Dollars und des Euro.

Man könnte meinen, die Ära des Schutzes der eigenen nationalen Interessen sei gekommen.

Die Worte "nationale Interessen", die Gestern noch weitestgehend tabuisiert waren, sind heute zur Hauptformel für die Existenz einzelner Staaten Europas und der Welt geworden. Deutschland ist das dramatischste Beispiel. Ein Land, das sich kategorisch weigerte, eine Sprache zu verwenden, die mit den Wörtern „national“, „Interessen“, „eigenes Wesen“ zusammenhing, findet sich plötzlich in einer Situation wieder, in der diese Formulierungen zu den wichtigsten geworden sind. Die Bundesregierung beschließt, ohne mit der Wimper zu zucken, das öffentliche Leben radikal einzuschränken. Schulen, Kindergärten, Ausstellungen und Messen werden geschlossen. Es können keine Restaurants, Bars, Kinos oder Theater besucht werden. Wirtschaftswissenschaftler sprechen über die Notwendigkeit und Aussicht auf Verstaatlichung von Unternehmen, die infolge einer Pandemie in eine schwierige finanzielle Lage geraten können. Der Staat übernimmt faktisch vollständig die Funktion eines alleinigen wirtschaftlichen Verwalters - nicht nur in Staatsangelegenheiten, sondern auch bei Unternehmen und vor allem Einzelpersonen - den Bürgern des Landes. All dies erinnert sehr an die Bewegung in Richtung eines harten Sozialismus.

Es bedeutet die mögliche Umwandlung eines modernen Staates, der auf dem Prinzip der freien Marktwirtschaft beruht, in einen sozialistischen Staat, der in seinem Verständnis links und im Wesentlichen diktatorisch ist.

Zumindest könnte man zu diesem Eindruck kommen, wenn man die Reden von Ökonomen, Politikern und Regierungsbeamten hört und liest. Seit Jahrzehnten baut Europa sein System der europäischen Staatlichkeit sorgfältig auf - ohne Grenzkontrollen, ohne Visa, ohne Zölle oder mit einem Minimum davon. Das System wurde viele Male getestet und in Betrieb genommen. Ein gigantischer bürokratischer Apparat in Brüssel sorgt dafür, dass dieses System reibungslos und fehlerfrei funktioniert. Mit dem Ausrufen der Pandemie wird jedoch die Fähigkeit Brüssels, die Situation zu beeinflussen, gegebenenfalls minimiert. Da wir nicht wissen, wie lange diese Pandemie andauern wird, wie viele Monate, vielleicht Jahre, die Quarantäne- und Selbstisolierungsanforderungen bestehen bleiben, stellt sich die Frage, ob die Europäische Union in der Form behalten werden kann, wie wir sie kennen. Die Notwendigkeit einer Reform der Europäischen Union ist nicht nur eine Idee, die in den Universitäten diskutiert werden sollte, um deren Utopismus zu verstehen. Diese Frage muss in naher Zukunft geklärt werden. Die Grenzen von Deutschland und von fast allen europäischen Ländern sind geschlossen, Grenzkontrollen werden eingeführt, die Einführung von Visakontrollen ist nur eine Frage der Zeit. Die Lieferung von Lebensmitteln, Waren, Ersatzteilen usw. über europäische Grenzen hinweg könnte in naher Zukunft einbrechen. Andernfalls, wird die Pandemie nicht gestoppt.

Daher wird jedes Land nun zuerst über die eigenen nationalen Interessen nachdenken und erst dann über die globalen.

Dies bedeutet nicht, dass nationale Interessen auf Kosten der Nachbarn oder anderer Staaten vertreten werden sollten. Nein. Aber der Staat ist vor allem verpflichtet, seine eigenen Bürger mit Medikamenten, Lebensmitteln und allem, was für ein normales Leben notwendig ist, zu versorgen. Es besteht kein Zweifel, dass die Länder verpflichtet sind, ihre Maßnahmen zu koordinieren und miteinander abzusprechen. Aber nicht auf Kosten der eigenen Bürger, da ein solcher Weg zu Unruhen in der Bevölkerung, bis hin zu Bürgerkriegen, führen kann. Ein weiteres Problem, das nicht schüchtern verschwiegen werden sollte, ist die Situation mit den Migranten. Bei einer Pandemie beruht der Lösungsansatz auf den nationalen Interessen eines einzelnen Landes. Natürlich sind humanitäre Prinzipien nicht das, was zivilisierte Staaten aufgeben wollen, aber sie müssen vor allem in Bezug auf die eigenen Bürger angewendet werden. Paradoxerweise ist es nur möglich, eigene nationalen Interessen zu koordinieren und gemeinsam zu wahren, indem das Problem der Migration in einer Pandemie gelöst wird. In dieser Angelegenheit widersprechen sich die nationalen Interessen und die Interessen Europas und der Welt nicht.

Tags: nationale Interessen, Europa, Deutschland, Pandemie, World Economy, Alexander Sosnowski

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