Nach dem Bruch mit Moskau der Bruch mit Peking? Berliner Possenspiele um einen Hamburger Hafenkai – Bidens Hampelmann

Von Hans-Georg Münster

Propagandamanöver gehören zu den wichtigsten Elementen der Kriegsführung. Und ja, wir befinden uns in einem Krieg – in einem Wirtschaftskrieg. Der große Verbündete jenseits des Atlantiks hat großes Vergnügen daran, die deutsche Wirtschaft, einen seiner größten Konkurrenten, zu belasten oder sogar zu ruinieren – ganz ohne Panzer und Raketen. Ruinen schaffen ohne Waffen sozusagen. Aus dieser Sicht kamen die Sanktionen gegen Russland wie gerufen. Deutschland hatte trotz des billigen Gases und Öls aus Russland durch seine grüne Wenden-Politik (Energiewende, Verkehrswende usw.) schon die höchsten Energiepreise weltweit. Durch die Embargo-Politik wird alles noch viel teurer, das heißt, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen sinkt drastisch. Und damit sich daran nichts ändern kann, wurden „ganz zufällig“ die Erdgas-Pipelines durch die Ostsee gesprengt. Es gehört zu den Meisterleistungen der Propaganda, diesen Angriff den Russen in die Schuhe zu schieben. Das gelang, denn die Deutschen glauben schon seit Kaisers Zeiten den Verlautbarungen ihrer Regierungen, die zudem das Hören von „Feindsendern“ entweder unter Strafe stellten oder heutzutage als „Fake News“ verteufeln.

Es gehört zu den irrsinnigsten Entwicklungen der deutschen Politik, dass aus den der Anti-Vietnamkriegs- und der Anti-Nachrüstungs-Bewegung entstammenden Grünen die Speerspitze für die Durchsetzung amerikanischer Interessen in Deutschland geworden ist. Die Anfänge liegen weit zurück. Alles begann wohl mit dem unerklärlich guten Verhältnis des ersten grünen Außenministers Joschka Fischer mit seiner damaligen amerikanischen Kollegin Madeleine Albright. Beim Russland-Embargo waren die Grünen ganz vorne, mit der anschließenden Sicherstellung der Energieversorgung waren sie trotz der großen Worte des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck  erwartungsgemäß überfordert. Aber das passt ins amerikanische Kalkül.

Jetzt wird die nächste Stufe im Wirtschaftskrieg erreicht. Es geht darum, die Wirtschaftsbeziehungen zur Volksrepublik China zu torpedieren. Von der Wirtschaft der Volksrepublik ist Deutschland ebenso abhängig wie bis vor kurzem von russischen Energielieferungen. Und wie schon im Fall Russland spielt auch im Fall China keine Rolle, ob es Ersatzmärkte gibt, von denen die bisher aus China gelieferten Produkte bezogen werden könnten. Zur  Argumentation gegen China wird gerne ein Vergleich mit dem früheren Russland-Handel gezogen. Es heißt, man sehe jetzt, wohin eine zu starke Abhängigkeit führe. Man kann das auch anders sehen: Amerikahörige Politiker bringen Deutschland in Schwierigkeiten, die das Land ohne sie nicht hätte. Selbst dem bekannten Publizisten Gabor Steingart ist das schon aufgefallen. Er schrieb, der stellvertretende Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Jens Spahn, höre sich an wie der „Adoptivsohn von Biden und Trump“.

Ein eigentlich kleiner Anlass für solche Schwierigkeiten, aber mit vermutlich großer Wirkung in Peking, ist das Theater um einige Terminals im Hamburger Hafen, wo sich ein chinesisches Unternehmen festsetzen möchte, indem es Anteile an den Terminals erwirbt. Es handelt sich dabei um ein weltweit übliches Verfahren – jedenfalls in kapitalistischen Ländern. Und es war ausgerechnet die deutsche Regierung, die während der griechischen Finanzkrise die Regierung in Athen zwang, den wichtigsten griechischen Hafen Piräus an ein chinesisches Konsortium zu verkaufen. Den teilweisen Verkauf eines Kais im Hamburger Hafen an die Chinesen jetzt als Teufelswerk zu bezeichnen, ist grüne Dialektik, die darin besteht, jedes Ding so zu drehen, bis es in die eigene beziehungsweise amerikanische Linie passt.

Urplötzlich entdecken deutsche Politiker ihre Liebe zur Republik China auf Taiwan, die von Peking als abtrünnige Provinz angesehen wird. Man muss dazu wissen, dass Taiwan bisher vom Berliner Auswärtigen Amt als weißer Fleck auf der Landkarte behandelt und bezeichnet wurde. Es gab tatsächlich offizielle Landkarten, die die chinesische Insel als weißen Fleck darstellten - trotz der wichtigen Wirtschaftsbeziehungen. Plötzlich geben sich deutsche Politiker-Delegationen in Taiwans Hauptstadt Taipeh die Klinke in die Hand – dem Beispiel der USA folgend, die zuletzt eine Delegation unter Führung des Gouverneurs von Indiana, Eric J. Holcomb, nach Taiwan entsandt hatten. Für Peking stellt die diplomatische Aufwertung Taiwans einen schweren Affront dar. In der Vergangenheit hatte das Berliner Auswärtige Amt Delegationsreisen von deutschen Abgeordneten zu verhindern versucht - und wenn das nicht gelang, jegliche Unterstützung verweigert.

Warum jetzt eine Kehrtwende erfolgt, liegt auf der Hand. Peking pflegt weiterhin gute Kontakte zu Moskau, hat sich den Sanktionen wegen der Ukraine nicht angeschlossen. Außerdem ist China ein wichtiger Konkurrent für die USA auf den Weltmärkten – besonders in der Rohstoffgewinnung in Afrika. China zu reizen entspricht den amerikanischen Interessen, wie auch die ausgebaute Präsenz der US-Navy im Chinesischen Meer zeigt. Die Grünen und die ebenfalls amerikahörige CDU/CSU, die mit dem Abgeordneten Klaus-Peter Willsch den Delegationsleiter für die Taiwan-Reise stellte, haben die Beziehungen zur Volksrepublik bereits so stark gestört, dass der bevorstehende Besuch von Kanzler Olaf Scholz in Peking vermutlich in eisiger Atmosphäre stattfinden dürfte. Für Scholz ist das keine neue Erfahrung: Er sah sich bereits in Paris mit massiven Vorwürfen wegen der deutschen Energiepreissubventionen konfrontiert. Präsident Emmanuel Macron ließ sämtliche gegenseitigen Treffen von Kabinetten und Parlamentariern absagen – ein in der Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen beispielloser Vorgang. Deutschland isoliert sich international weiter und wird schließlich wie ein Hampelmann an der Schnur von US-Präsident Joe Biden zappeln.

Übrigens sah die deutsche Regierung vor einigen Jahren keine Möglichkeit, den Verkauf des Augsburger Roboter-Herstellers Kuka an ein chinesisches Unternehmen zu unterbinden, während heute massiv in den teilweisen Verkauf eines Hafenterminals eingegriffen wird. Bei Kuka, einem weltweit führenden Roboter-Hersteller, dürfte man bald Produktionsverlagerungen nach China erleben. Die von China zugesicherte Schonfrist für das Unternehmen läuft 2023 ab. Deutschland verliert damit ein Schlüsselunternehmen für Zukunftstechnologien.

Aber auch Uncle Sam bleibt nicht untätig. Völlig unkommentiert blieb in Berlin die jüngste Aktion der US-Wirtschaft, sich den nach Börsenwert größten deutschen Konzern Linde komplett einzuverleiben. Linde ist der weltweit größte Hersteller von Industriegasen und exponiert in der Wasserstoff-Wirtschaft tätig, die als Zukunftstechnologie angesehen wird. Vor einigen Jahren gab es eine Fusion mit dem amerikanischen Konkurrenten Praxair – Kenner sprechen lieber von einer Übernahme von Linde durch die Amerikaner. Dagegen tat die deutsche Regierung nichts. Bald wird der bisher wertvollste deutsche Konzern von der Frankfurter Börse genommen und künftig nur noch an der Wall Street notieren. Damit einher ging bereits eine Verlagerung des Konzernsitzes nach London und des rechtlichen Sitzes nach Irland – Zwischenstationen auf dem Weg nach USA. In Deutschland bleiben Restbestände von Linde – die verlängerte Werkbank sozusagen.

Die deutsche Industrie wird abgeräumt, und das politische Berlin ereifert sich in Possenspielen um einen Kai im Hamburger Hafen.

Bilder: depositphotos

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