Nach dem Brexit-Wunder von Brüssel jetzt die Groß-Offerte an Moskau

Von Willy Wimmer
Mit der heutigen Entscheidung zugunsten eines Brexit-Deals sind die Scheidungspapiere unerwartet ordentlich ausgestellt und ausgehändigt. Man trennt sich unter Wahrung der optimalen Vorzugsposition für beide Seiten. Handel und Wandel sollen unter zwei Aspekten die Zukunft bestimmen: der gemeinsame Markt der EU-Staaten behält als weltgrößter Markt seine Vorteilsituation für die Mitgliedsstaaten der EU. England erhält die Souveränität zurück, die es des eigenen Vorteils wegen über vierzig Jahre treuhänderisch auf „Brüssel“ übertragen hatte.
Viereinhalb Jahre wurde um diese Scheidungspapiere mit volkswirtschaftlichem Ausgleich und Vorteil gerungen. Die Leistung des französischen Chefunterhändlers, Herrn Barnier, kann nicht laut genug gewürdigt werden. Die Wahrheiten nach dem Brexit bleiben geradezu unumstößlich: man bekennt sich dazu, auf einem Kontinent zu leben und darf seinem Schmankerl des Inseldaseins frönen. Man treibt Handel wie eh und je, aber etwas mehr unter Aufsicht. Es kommt dort, wo es bislang einen einheitlichen Markt gab, Wettbewerb auf. England will sein Freihandelsabkommen mit den USA und hat einiges unternommen, Schottland, Wales und Nordirland bei der Fahne zu halten.
Die erbrachte Leistung beim Brexit-Deal nötigt Respekt ab. Sie macht aber überdeutlich, woran es in Europa mangelt. Uns fehlt das, was wir nach Westen fertiggebracht haben, nach Osten.
Auch Moskau geht nicht unseren Weg, Souveränität auf eine gemeinsame Struktur zu übertragen. Es will souverän sein und bleiben und dennoch gedeihlich mit uns zusammenarbeiten. Der EU-Deals mit England macht deutlich, daß das geht. Es ist jede unserer Anstrengungen wert, nichts unversucht zu lassen, dafür ein Konzept zu entwickeln. Wenn man in diesen Tagen Äußerungen hoher deutscher Repräsentanten liest, sprechen die nicht die Sprache der Zusammenarbeit mit Moskau. Eher müßte man den Straftatbestand der „friedensgefährdenden Hetze“ in Strafgesetzbuch aufnehmen. Das macht deutlich, wie man sich in Berlin den Ast absägt, auf dem wir alle sitzen. Vom Papst angefangen bis Greta aus Schweden reden alle über den Abgrund, an dem wir alle stehen, wenn wir uns die Probleme der Welt ansehen. Zusammenarbeit ist dann das Gebot der Stunde und nicht das Hochkitzeln der Konfrontation bis zum bewaffneten Konflikt.
„Brüssel“ sollte jetzt durchstarten und nach Osten dazu beitragen, von Lissabon bis Wladiwostok das Gebiet von Zusammenarbeit und Wohlstand schaffen, auf das die Bürgerinnen und Bürger unserer Staaten einen Anspruch haben. Die Grundlage für die EU könnte besser nicht sein.
Hat sie sich doch gerade im Haushaltskompromiß  mit Polen und Ungarn ausdrücklich zum EU-Vertrag bekannt. Der spricht von Souveränität der Staaten und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten. In Moskau sagt man nicht anderes.
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