Marco Polo, Arnheim, Remagen, Kertsch: Brücken und ihre Bedeutung

Von Willy Wimmer

Aus der Ferne fällt es noch schwerer, sich ein annäherndes Bild von dem Geschehen auf der Brücke von Kertsch zu machen. Man gewinnt allerdings den Eindruck, dass übergeordnete Fragen darüber entscheiden, welche Darstellung vom Anschlagsgeschehen es geben kann. Sowohl beim Kreuzer „Moskwa“ als auch beim Angriff auf den Krim-Militärflugplatz konnte man den Eindruck haben, dass es um eine Frage ging: werden die dem Angegriffenen bekannten Fakten dazu benutzt, den offenen Krieg zwischen Russland und den USA zu erklären oder ordnen sich die bekannten Fakten in einen weitere strategischen Bedeutung ein, die weit über das Kriegsgeschehen in der Ukraine hinausgeht? 

Das russische Verhalten, rote Linien sehr flexibel zu handhaben, lässt jedenfalls diese Vermutung zu. Wie auch die Annahme, dass auf der anderen Seite, den USA, alles unternommen wird, Russland die Verantwortung für den ersten Schuss für den direkten Kriegsausbruch zwischen beiden Staaten zuschieben zu können. Darin dürfte auch die öffentlichkeitswirksam betriebene Armageddon-Diskussion durch den Präsidenten Joe Biden einzubeziehen sein, mit der nuklearen Dimension inbegriffen. 

Der gestrige Vorfall auf der genannten Brücke müsste nach dem bisherigen Geschehen in der Zeit von US-Präsident Biden seit Amtsantritt unter Bezug auf den Midterm-Wahltermin am 8. November 2022 gesehen werden. Die Opec-Entscheidung über Strafkosten beim Öl für die USA, um eine republikanische Mehrheit im Kongress zu bewirken, dürfte einen Vorgeschmack auf künftige Entwicklungen bieten. Aber auch darauf, dass nach den Vorstellungen der Neocons in den USA mit ihrer“ demokratischen“ Kriegsbereitschaft nur noch knapp vier Wochen Zeit zur Verfügung stehen, ihre Kriegsvorstellungen für den Kriegsschauplatz in der Ukraine umsetzen zu können. Das wiederum lässt die begründete Vermutung zu, dass dem Vorfall auf der Brücke bei Kertsch in den vor uns liegenden Wochen genau jene Ereignisse folgen. die auf russischer Seite bedeuten könnten, Abstand von der bisher an den Tag gelegten Flexibilität bei „roten Linien“ zu nehmen. Aus dem Zeitablauf bis zum 8. November 2022 ergibt sich demnach die größte Gefahr in Zusammenhang mit einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine, aber auch das genaue Gegenteil.

Die bisherige Entwicklung lässt es zu, die unterschiedlichen Ebenen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine festzustellen. Die gegen Russland und China übergriffige amerikanische Politik kollidiert im Fall Russland mit dem politischen Ansatz auf gleichberechtigte Position als souveräner Staat in der globalen Bedeutung und das im Verbund mit anderen aufstrebenden Mächten, die sich keinesfalls einer Weltordnung nach amerikanischem Diktat unterwerfen wollen. Das Geschehen in der Ukraine und die Auswirkungen auf Russland dürften entscheidende Auswirkungen auf die Frage haben, ob künftig die Charta der Vereinten Nationen oder US-Sonderrecht die Welt bestimmen?

Bilder: depositphotos

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