Lubliner Dreieck - falsche Hoffnungen

Das Dreieck „Litauen-Polen-Ukraine“ könnte das geostrategische Gleichgewicht in Europa stören.
Von Niklas Kharidis

Vor einiger Zeit beschlossen die Staats- und Regierungschefs der drei Länder, dass die Schaffung einer gewissen Union - einer militärisch-wirtschaftlichen - zur Stabilisierung der Beziehungen zwischen den NATO-Ländern und ihren Rivalen beitragen könnte und einigten sich auf das Lublin-Dreieck - Polen, Litauen, Ukraine. Diese Idee erscheint unter dem Gesichtspunkt des internationalen Gleichgewichts mehr als zweifelhaft.
Die drei Minister, der polnische Gastgeber Jacek Czaputowicz, Litauens Linas Linkevičius und der ukrainische Dmytro Kuleba, sprachen in Lublin über die sicherheitspolitischen Hürden in der Region“, schreibt die „Zeit“.
Es scheint ziemlich klar zu sein, dass die Initiative zur Schaffung dieses Dreiecks ausschließlich auf Wunsch Warschaus gestartet wurde, um sich mit Unterstützung der Vereinigten Staaten als führende Kraft im Zentrum Mittel- und Osteuropas zu etablieren. Betrachtet man diese Initiative jedoch aus den Fenstern des Bundeskanzleramts, können solche Maßnahmen nur zur Besorgnis führen. Das zerstörerische Potenzial des Dreiecks liegt in der Fortsetzung einer Fragmentierung des gemeinsamen europäischen Raums und der Europäischen Union, die nur Washington zugute kommt. Dies entspricht jedoch nicht den Interessen des alten Europas, das - nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU - die Einheit wahren will.
Es ist interessant, die Situation in Zusammenhang mit dem britischen Austritt aus Europa und dem Wunsch nach Selbstbehauptung in Polen, welches gleichzeitig Litauen und die Ukraine an sich zu ziehen versucht, im Detail zu betrachten.
Also. Die Brexit-Krise trifft die EU hart, soviel ist klar.
Warum sollte es auch anders kommen? Grossbritannien hat sich entschieden, aus der EU auszutreten und es bedarf beider Seiten, einen Weg zu finden, diesen Ausstieg bestmöglich für alle zu gestalten. Natürlich werden dabei auch einzelne Akteure aus der EU für britische Interessen genutzt. Polen zum Beispiel. Seit Ende des Kalten Krieges hat sich Warschau entschieden auf die Seite der USA und des Vereinigten Königreiches gestellt und ist an einem Dialog mit Russland nicht sonderlich interessiert. Zu schwer wiegen die Erinnerungen und Kränkungen der Vergangenheit, um ein halbwegs normales Verhältnis zu ermöglichen. Das ist einerseits verständlich, andererseits verhindert es eine konstruktive Debatte, um die Gestaltung der Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien, aber auch der EU und Russland. Die polnische Regierung scheint sich dessen bewusst und beruft sich auf die besonderen Beziehungen zu Großbritannien. Fast eine Million polnischer Staatsbürger leben und arbeiten dort, mehr als in Deutschland. Dabei scheint es vollkommen nebensächlich, dass der Brexit dieses Verhältnis beeinflussen wird, ob nun zum Guten oder Schlechten, hängt dabei von den Verhandlungen ab. Derzeit stehen sie unter keinem guten Stern.
Ungeachtet dessen spielt Deutschlands Nachbar im Osten eine wichtige Rolle in der anti-russischen Rhetorik der USA und erweist der Russlandpolitik der EU damit einen Bärendienst. Dass es ohne den größten Flächenstaat in Europa nicht geht, ist klar. Allein die Abhängigkeit von den Rohstoffen lässt sich nicht einfach so auflösen. Auf der anderen Seite, steht mit Deutschland ein wichtiger politischer und wirtschaftlicher Partner, der dem Land in der Vergangenheit jedoch sehr viel Leid zugefügt hat. Trotz der Versöhnung, bleibt ein Rest-Misstrauen, das der polnischen Regierung und den Bürgern ebenfalls nicht zu verübeln ist. Beide Länder, Russland und Deutschland haben Polen in der Geschichte schweren Schaden zugefügt - so ist die Position gesehen aus Warschau. Dies erklärt die polnische Politik: einerseits ablehnend gegenüber dem östlichen Nachbarn, besonders in Sicherheitsfragen. Andererseits aber auch die Führungsrolle Deutschlands torpedierend, durch eben jene Politik des sich einspannen lassen's durch Grossbritannien und die USA. Das ist ein durchaus verständlicher Zug, dennoch wäre etwas mehr Weitsicht im Sinne der EU - und damit auch Polens - durchaus wichtig. Durchaus erscheint es logisch, dass die britische Regierung Polen einsetzt, um ebenfalls der vermeintlichen deutschen Führungsrolle in der EU entgegenzuwirken. Das geschieht in der Absicht, die Position der EU zu schwächen, um einen besseren Ausstieg aus der Union zu erreichen.
Das Lubliner Dreieck passt nahtlos in diese Strategie.
Darüber hinaus könnte die militärische Komponente dieser neuen Allianz leicht zu neuen Farbrevolutionen unter dem Schutz der Nordatlantischen Allianz führen. Und dies ist eine andere Gefahr für Europa, für die Welt. In den Ländern, in die diese Farbrevolutionen exportiert werden, kann es sowohl zu Konflikten mit anderen interessierten Parteien als auch zu ernsthaften Widerständen kommen. In Warschau wird dieses Szenario offenbar als positiv angesehen. Es ist kein Zufall, dass von Warschau aus aktive Propaganda gegen Belarus betrieben wird. Mit Hilfe vom zahlreichen Bloggern werden Informationszentren eingerichtet, es werden Organisationen finanziert, die die Protestbewegung in Belarus praktisch anpeitschen. Gleichzeitig wird vergessen, dass Belarus Teil eines Unionsstaates ist, der aus Belarus und Russland besteht.
Wobei die Schaffung des besagten Dreiecks anscheinend auch ein solches Szenario vorsieht, wie das polnische Radio berichtet:
„Polen, Litauen und die Ukraine wollen künftig in politischen sowie Sicherheits- und Wirtschaftsfragen enger zusammenarbeiten.“ Eine Schlüsselfunktion kommt dem Bereich Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen zu.
Mit wem haben Warschau und dessen neue Verbündete solche Aktionen vereinbart? Mit der NATO?
Durch seine Maßnahmen, welche nicht innerhalb der Europäischen Union koordiniert wurden, wird das Dreieck versuchen, die Ereignisse in Belarus nach dem Maidan-Szenario zu lenken - wenn man die direkte Intervention der polnischen, litauischen und ukrainischen Behörden korrekt einschätzt. Gleichzeitig wird die Situation in Bezug auf Einzelpersonen überhaupt nicht berücksichtigt - schließlich unterscheidet sich Präsident Lukaschenko deutlich von Janukowitsch. Und das vom Lubliner Dreieck auferlegte Maidan-Szenario könnte sich nicht nur für Belarus als blutig und schmerzhaft herausstellen. Könnte eine solche Selbstbestätigung Warschaus zur Entstehung neuer gefährlicher Konflikte an der Grenze zur Europäischen Union führen?
Es kann schon sein - vielleicht. Solche Dreiecke, Allianzen, Blöcke sollten und können nur im Rahmen detaillierter und intensiver Konsultationen mit Interessengruppen erstellt werden. Zu diesen interessierten Parteien können sowohl die Europäische Union als auch beispielsweise Russland gehören. Man sollte den Spannungsgrad nicht durch unüberlegte Handlungen auf einen gefährlichen Wert erhöhen.

VIDEO: Untergrundkämpfer in Wesissrussland
Quellen:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-07/lubliner-dreieck-polen-litauen-ukraine-engere-zusammenarbeit-eu-nato?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com
https://de.topwar.ru/173886-rech-pospolitaja-sovremennogo-formata-zachem-sozdaetsja-ljublinskij-treugolnik.html
https://www.polskieradio.pl/400/7764/Artykul/2556870,Polen-Litauen-und-Ukraine-wollen-enger-zusammenarbeiten
https://communalnews.com/de/russia-lublin-triangle-react-to-lukashenko/
Bilder @depositphotos

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