Kann Orban Europa retten?

Dr.Norbert van Handel

In einem denkwürdigen Interview mit der Schweizer „Weltwoche“ nahm der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban zu unseren gegenwärtigen substanziellen Problemen Stellung.
Es war ein Gesamtbild aller seiner politischen Überlegungen, die den aufmerksamen Leser überzeugten. Orban ist ein Staatsmann, der lange unter dem Kommunismus gelitten hat und deshalb besser als jeder andere weiß, was für Europa gut wäre.
Als gläubiger Christ - bekanntlich fehlt der EU ja jede Art von Glauben – stellte Orban fest, dass Ungarn, und wir dürfen ergänzen, ganz Europa, am meisten durch die Sanktionen der EU gegen Russland getroffen wurde:

„Die Sanktionen haben die Preise für Öl und Gas in die Höhe getrieben. Wir haben die Industrie in Ungarn zuletzt massiv vorangebracht. Die Energie, die es dazu braucht, müssen wir importieren. 2021 kostete uns das 7 Milliarden Euro, 2022 waren es 17 Milliarden.“!
Anscheinend hat Europa vergessen, dass es Russland auch nach dem Krieg noch geben wird.
Weshalb auch jene, in diesem Fall österreichische Unternehmungen, die jetzt noch in Russland tätig sind, ermutigt werden sollten weiter dort zu bleiben – die Zeiten werden sich ändern.
„Wir beten um Vertrauen auf den lieben Gott, dass er die Kriegsparteien zur Einsicht führt.“

Unabhängig davon darf man immer wieder betonen, dass Waffenlieferungen den Krieg verlängern, anstatt dass die liefernden Staaten und vor allem die neutralen alles und auf allen Ebenen unternehmen, um den Krieg zu beenden.
„Ich halte die christliche Lehre auch in der Politik für gültig. Das klingt zwar vereinfacht, aber ich glaube daran, dass es eine Schöpfungsordnung gibt. Wir müssen uns an Gottes Arbeit beteiligen. Damit leisten wir einen Beitrag zum Guten in der Welt und kämpfen gegen die „zerstörerische Kraft des Bösen“.“

Aus österreichischer Sicht ist in diesem Zusammenhang die Neutralität von größter Bedeutung.
Im Moskauer Memorandum, das 1955 dem österreichischen Staatsvertrag vorausging, wurde von einer „Neutralität nach Schweizer Muster“ gesprochen.
Nun, das hat sich leider gravierend verändert und Zug um Zug einigte man sich auf eine militärische Neutralität. Aber auch bei dieser stellt sich die Frage, ist nicht gerade die militärische Neutralität in einem militärischen Konflikt nötiger denn je?
Leider versteht das der österreichische Außenminister nicht, der kürzlich wieder eine seiner destruktiven Wortspenden abgab, wonach Österreich politisch nicht neutral sei.
Was soll das heißen?
Glaubt man so etwa zum Frieden beizutragen oder vergraust man sich Russland, das vor dem Krieg Österreich gegenüber niemals einen Vertrag brach?
Das soll überhaupt nicht heißen, dass man nicht deutlich gegen einen Angriffskrieg ist.
Es soll aber sehr wohl heißen, dass, was schon Clausewitz sinngemäß ausführte, nicht der erste Schuss, sondern das was dahinter steht oder vorher geschehen ist, entscheidend ist.

Russland will Sicherheit an seinen Grenzen und sieht, dass das Versprechen, das man 1990 abgegeben hat, wonach die Nato sich nicht nach Osten bewegen dürfe, gebrochen wurde.
Weiters hat Putin in den letzten 20 Jahren vergeblich versucht gemeinsam mit dem Westen eine neue Wirtschaftsordnung aufzubauen.
Dies wurde vor allem seitens der USA nicht einmal ignoriert, sodass Putin leider den Krieg begann.
Putin Versteher zu sein heißt nicht Putin in diesem Krieg zu unterstützen, sehr wohl aber zu verstehen, wieso es zu dieser Eskalation kam.
Dies wird leider von den Mainstream Medien nicht zur Kenntnis genommen.
Natürlich sind wir für Pressefreiheit, aber auch für die Verantwortung der Presse, den Menschen umfassend und nicht einseitig zu erklären, wieso es überhaupt so weit kam.
Dies geschieht nicht und die Verantwortung vieler Medien, objektiv zu berichten, wurde nicht wahrgenommen.
Auch die Pressefreiheit heißt ja nicht die Freiheit wovon, sondern auch die Freiheit wozu und das ist eben die objektive Wahrheitspflicht der Medien, die diese in vielen Fällen sträflich vernachlässigen.

Sehr deutlich erkennt Orban: „in den Brüsseler Entscheidungen öfter amerikanische Interessen als europäische. In einem Krieg an den Grenzen Europas haben heute die Amerikaner das letzte Wort.“
Orban meint, dass niemand diesen Krieg gewinnen kann und dass eine Pattsituation entstanden sei, aus welcher ein Weltkrieg entstehen könnte.
Denn was ist das strategische Ziel die Ukraine laufend aufzurüsten?
Nach einer Beendigung des Krieges wird die Ukraine zerstört sein und Russland immer noch als Großmacht existieren – erkennt man dies wirklich?

Sinngemäß meint Orban, dass die Nato eben ein Verteidigungsbündnis und kein Angriffsbündnisist, zu dem sie sich inzwischen entwickelt hat.
Zum Unterschied vom glaubenslosen entchristlichten Europa ist die Orthodoxie in Russland ein fester Bestandteil der Politik, das „heilige Russland“, aus dem heraus die Politik Putins auch verstanden werden muss.
Die ungarische Erfahrung ist eindeutig: „Wenn in Washington die Demokraten an der Macht sind, gehen wir in Deckung. Die wollen uns immer ändern, wie auch die Brüsseler Politiker. Sie wollen uns vorschreiben, wie wir mit der Immigration umgehen und wie wir unsere Kinder erziehen. Das ist respektlos.“
Die Weltwoche fragte, ob ein Donald Trump die letzte Friedenshoffnung wäre?
Orban darauf: „Nicht die letzte, aber er ist eine Hoffnung und könnte den Gordischen Knoten im Ukrainekrieg wohl in ein paar Wochen durchtrennen.“
Sehr wichtig erscheint uns, dass Orban darauf verwies, „dass Kinder in ihrer Jugend eine schwierige Zeit durchmachen, in der sie in die Welt hineinwachsen. In dieser Zeit müssen wir ihre Identität stärken, nicht schwächen und verunsichern, wie das die Genderideologien tun. „Damit machen wir unsere Kinder kaputt. Unwiderruflich und unumkehrbar.“
Das, was wir auch an dieser Stelle immer zu vermitteln versuchen, ist die Notwendigkeit die EU auf Grundlage der Subsidiarität neu zu organisieren.
Die EU wird zerfallen, wenn sie sich entgegen ihren Grundprinzipien immer mehr dazu entwickelt ein Einheitsstaat zu sein, der ihren Mitgliedern in jedem einzelnen Detail vorschreiben will, was sie zu tun haben.
Eine EU, die sich nicht von Grund auf reformiert, ist zum Sterben verurteilt.
In jeder entscheidenden Frage, etwa in der Verteidigung Europas, im Lösen des Immigrantenproblems, im sinnvollen und vorsichtigen Umgehen mit den Geldern ihrer Mitglieder, in ihrer Identität als Wirtschafts- und nicht als Kriegsunion, hat die EU versagt.
In Österreich will man zwar die Neutralität, geht mit ihr aber fahrlässig um.
Gerade ein kleines Land benötigt eine Außenpolitik, die mit allen sprechen und Wirtschaft treiben kann, die aber ihre eigene Ideologie hat, die sie erst mühsam nach dem Zerfall der österreich- ungarischen Monarchie, im Grunde genommen erst seit 1945 bzw. dem Staatsvertrag 1955, gewonnen hat.
Österreich hat sich als kleiner Staat erst in der 2. Republik neu definiert und bis in die letzten Jahre war diese Neudefinition in jeder Weise erfolgreich.
Dies hat auch der Bundesobmann der freiheitlichen Partei Herbert Kickl erkannt und in den letzten Tagen einen erfolgreichen Besuch in Ungarn gemacht und damit bestätigt, dass man von der Haltung Orbans nur lernen kann.

Ähnlich hat der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer bereits für Mitte Mai den auch mit unserer Liga persönlich befreundeten Zsolt Semjen, stellvertretender Ministerpräsident in Ungarn, nach Wien ins neue/alte Parlament eingeladen.
Mit Ungarn und der Schweiz sollte die außenpolitische Lage Österreichs neu definiert werden. In der Rede des Bundeskanzlers Nehammer zur zukünftigen Politik wurde zwar die Neutralität bestätigt, nicht aber die lendenlahme Politik Österreichs in der EU erkannt.
Nehammer bestätigte auch die unabdingbare Notwendigkeit, die Verteidigungsbereitschaft bzw. das Bundesheer entsprechend zu stärken und schickte damit wohl auch Signale an die freiheitlich Partei aus.
Allerdings muss klar sein, dass der existentielle Fehler der ÖVP, mit den Grünen statt mit der FPÖ zu koalieren, erkannt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden müssen.
Da dies FPÖ in den Umfragen bereits an erster Stelle liegt, wird sie bei den nächsten Nationalratswahlen, falls nichts Gravierendes geschieht, die Option haben, sowohl mit der ÖVP als auch mit der SPÖ, soweit diese sich nicht selbst total zerstört, koalieren zu können.
Nachdem die sinnlose Aufregung um Ibiza vor allem der ÖVP auf den Kopf gefallen ist, sollten sich wechselseitige Animositäten in Grenzen halten.
Die Politik ist ein seltsames Wesen, das schneller als man denken kann zu neuen Entscheidungen führt.

                                       Bilder: depositphotos
Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“