In Berlin tagt das Kriegskabinett / Wehrpflicht wird reaktiviert / Zeil ist Truppenstärke der Bundeswehr von 460.000 Soldaten

Von Hans-Georg Münster

Auf dem Weg zur Kriegstüchtigkeit unternimmt Deutschland einen weiteren Schritt: Die Zahl der Bundeswehrsoldaten soll massiv aufgestockt werden. Als Ort des Kabinettsbeschlusses suchten sich Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) einen historischen Ort aus: den Berliner Bendlerblock, wo bis Mai 1945 Teile des Oberkommandos des Heeres und der letzte Kampfkommandant von Berlin, General Helmut Weidling, ihren Sitz hatten. Heute befindet sich dort der Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums. 

Fingerspitzengefühl war jedoch noch nie die Stärke des Bundeskanzlers. Und so ließ er sein Kriegskabinett am Bendlerblock vorfahren, um eine militärische Kehrtwende beschließen zu lassen. Die Wehrpflicht wird wieder eingeführt, nachdem sie von einem Vorgänger von Pistorius, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), 2011 ausgesetzt worden war. Kurz danach war eine Gesetzesänderung erfolgt, keine Wehrpflichtigen mehr einzuziehen. Guttenbergs Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) erklärte seinerzeit zwar, er finde „das keinen Freudenakt heute, dass wir hier die Wehrpflicht aussetzen“. Sie sei allerdings sicherheitspolitisch nicht mehr zu begründen. 

Seit Beginn der Auseinandersetzungen in der Ukraine und der massiven Unterstützung Deutschlands für das korrupte Regime in Kiew lässt sich offenbar wieder alles begründen. Die Bundeswehr zählt derzeit gerade noch 183.000 Soldaten. Hinzu kommen 49.000 Reservisten. Das sind erheblich weniger als zur Wiedervereinigung 1990, als zusammen mit der übernommenen Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR fast 600.000 Mann unter Waffen standen. Merz und Pistorius wollen durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht dafür sorgen, dass die Zahl der Soldaten kurzfristig auf 260.000 und später sogar auf 460.000 steigt. Damit wollen sie angeblich Forderungen der Nato erfüllen. 

Die Wiedereinführung des Wehrdienstes soll in Stufen erfolgen. Frauen sind übrigens nicht betroffen, weil die Regierungsparteien für eine Einziehung von Frauen die dafür notwendige Änderung der Verfassung nicht beschließen können. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag ist unter den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen nicht zu bekommen. Die erste Stufe sieht vor, Männer und auch Frauen ab 18 Jahren anzuschreiben und damit ihr Interesse für die Armee zu wecken. Hingewiesen wird auf hohen Sold (2.000 Euro im Monat), freie ärztliche Behandlung und Übernahme von Reisekosten. Männer müssen den Fragebogen der Bundeswehr beantworten, Frauen nicht. In einem zweiten Schritt sollen junge Männer ab 2028 zur Musterung mit der üblichen medizinischen Untersuchung herangezogen werden. Damit will Pistorius ein "Lagebild" über die gesundheitliche Eignung deutscher Männer im wehrfähigen Alter erhalten.

Eine Einberufung soll zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgen, aber über den jungen Männern hängt fortan das Damoklesschwert, dass das Gesetz jederzeit geändert werden kann und sie zum Wehrdienst eingezogen werden können. Denn trotz der umfangreichen materiellen Anreize für den Dienst bei der Truppe ist nicht damit zu rechnen, dass die verwöhnten deutschen Wohlstandskinder in großer Zahl ihr angenehmes Dasein für ein halbes Jahr mit militärischem Drill, Befehlen und Gehorsam unterbrechen werden. Die deutsche Gesellschaft ist so verweichlicht, um nicht zu sagen dekadent, dass die Erwartungen, viele Freiwillige zu gewinnen, nicht aufgehen werden. 

Das weiß natürlich auch die Regierung. Während Pistorius in der SPD aber Schwierigkeiten hat, zum jetzigen Zeitpunkt junge Männer mit Zwang in die Truppe holen zu lassen, ist die CDU/CSU schon weiter. Sie will nicht nur gesetzlich festgelegte Zahlenvorgaben, wie schnell die Truppenstärke wachsen soll, sondern viel mehr: "Zweitens brauchen wir in dem Gesetz schon jetzt einen Automatismus hin zu einer verpflichtenden Heranziehung, wenn wir diese Schritte nicht erreichen", sagt Thomas Röwekamp (CDU), der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages. Es wird so kommen, wie Röwekamp und andere in der Union das jetzt schon fordern. Denn die Fahrzeuge und Waffen für die 2030 dann 460.000 Soldaten (darunter 200.000 Reservisten) sind bereits bei den Rüstungskonzernen bestellt oder es wird über die Beschaffung verhandelt.

Wer so viele neue Waffen kauft und so viele zusätzliche Soldaten ausbilden will, wird sie eines Tages auch einsetzen wollen. Das wird auch an den Äußerungen von Merz und Pistorius deutlich, die schon lange nicht mehr von Abschreckung reden, sondern dass man für den Kriegsfall gerüstet sein und kriegstauglich werden müsse. Säbelrasseln hat den Kriegstreibern noch nie gereicht. Und Frieden ist in dieser Bundesregierung ein Fremdwort. 

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