Hat Europa noch eine Seele?

Von Dr. Norbert van Handel                                     

Unter diesem Titel veranstaltete der St. Georgs-Orden, ein europäischer Orden des Hauses Habsburg, unter Vorsitz seines Großmeisters Karl von Habsburg, eine höchstklassig besetzte Diskussion. Es wurde dabei deutlich gemacht, dass die EU nicht mit Europa verwechselt werden darf. Während die EU zunehmend zu einem bürokratischen Monster wird, das sich in alles  hineinmischt, das jede Subsidiarität verloren hat und das die großen Probleme der Zeit, nicht nur Klimaveränderung oder Corona, sondern vor allem die Verteidigung Europas, die Immigrantenfrage, die Sicherheit Europas, nicht zu lösen imstande ist, eliminierte sie gleichzeitig die „Seele“ des Kontinents. Ein Menschenbild, das die Abtreibung zu einer selbstverständlichen Möglichkeit macht, das Kinder quasi in der Retorte erzeugen kann, das Schwule und Lesben Kinder adoptieren lässt (Homosexualität ist Privatsache und darf nicht zur Staatsdoktrin werden) und ihnen damit zwangsläufig ihre Einstellung nahebringt, das unter verschiedenen Aspekten über Euthanasie diskutieren lässt, ist mit Sicherheit nicht jenes Europa, das seine Gründerväter wollten.

Schumann, Adenauer, De Gaulle oder De Gasperi wollten in erster Linie nach den beiden Weltkriegen Frieden in Europa und in zweiter Linie die wirtschaftliche Durchlässigkeit. Alles jedoch unter der selbstverständlichen Prämisse eines christlichen Kontinents.
Bis jetzt gelang es einigermaßen den Frieden zu stabilisieren (Ukraine und Belarus machen Sorgen) und durch die vier großen Freiheiten (Personen, Waren, Dienstleistungen, Geld) die wirtschaftliche Stärke Europas zu garantieren.
Die selbstverständliche Basis des Christentums aber blieb auf der Strecke. und der falsch verstandene Liberalismus, der alles was möglich ist auch möglich machen will, ersetzte die 10 Gebote. Wie man hört, geht dies sogar so weit, dass man etwa Worte wie „Weihnachten“, „Nikolaus“ etc. durch sinnlose Gemeinplätze ersetzen will, nur um die zahlreichen Moslems in Europa nicht zu verärgern.
Deren Begriffe, wie etwa Dschihad, Scharia und andere „Verheißungen“ des Korans dürfen ja nicht angegriffen werden – eine perverse Situation.
Die Siegermächte des zweiten Weltkriegs, vor allem Frankreich, zwangen Deutschland, einerseits weil dieses die Wiedervereinigung anstrebte und dafür jeden Preis zu zahlen bereit war (etwa die harte DM gegen den volatilen Euro zu tauschen), andererseits weil der Minderwertigkeitskomplex Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg seine politische Kraft gegen Null reduzierte, mehr oder minder die liberalistische Position der EU einzunehmen.

Die Religionsfeindlichkeit hielt schleichend ihren Einzug, wo immer ihr die Türen geöffnet wurden.
Vor allem Politiker, wie Herr Timmermans aus den Niederlanden oder die Herren Asselborn und Bettel aus Luxemburg oder auch Herr Verhofstadt aus Belgien und viele andere forcierten dieses Modell eines seelenlosen Europas, das lediglich als wirtschaftlicher Player ohne alle Ideologie agieren sollte.
Die USA werden als Hegemon Europas gesehen und vernünftige Gespräche mit Russland und wohl in Zukunft auch China, kamen, wohl auch mangels diplomatischer Kompetenz, nicht zustande.
Man vergisst gerne, dass die Wiedervereinigung von Russland unter der Bedingung gefördert wurde, dass die Nato sich nicht in die russische Einflusssphäre ausdehnen dürfe. Dies wurde zwar in keinem Vertrag expressis verbis niedergeschrieben aber Zeitzeugen sonder Zahl wissen, dass dies letztendlich die Bedingung war, dass Gorbatschow der Wiedervereinigung Deutschlands zustimmte.
Annäherungsversuche in den ersten 2000er Jahren von Putin, eine gemeinsame Wirtschaftszone zwischen Lissabon und Wladiwostok anzudenken, wurden nicht einmal im Ansatz diskutiert.
Dass Putin in den folgenden Jahren, nachdem er merkte, dass Europa Russland nicht wolle und dass das Ende der Sowjetunion vor allem die Vormachtstellung der USA als Weltpolizist stärken sollte, erklärte seine spätere Politik.
Russland wurde zum Feind stilisiert – statt Dialog wählte man Sanktionen.
Russland konsequent zu vergrämen, war vielleicht der größte außenpolitische Fehler der EU. Notwendig wäre es, so kam in der Diskussion besonders hervor, dass die immer noch christlichen mittel- und mittelosteuropäischen Länder sich zu einer Gruppe innerhalb der EU zusammenschließen sollten, um der verderblichen, rein materialistischen und supranationalen Politik entgegenzusteuern.
Diese Forderung bleibt offen, muss jedoch auch in Zukunft und da möglichst verstärkt vorangetrieben werden.
Ein weiterer Punkt war die Aversion Westeuropas gegen die osteuropäischen Länder, insbesondere Ungarn und Polen – andere werden folgen. Die christliche Familienpolitik von Orban, der nicht nur Jungfamilien in verschiedenster Art und Weise stärkte, vor allem aber auch Kinder vor aggressiver Werbung für Homosexualität bewahrte, war ein verderbliches Momentum der EU Politik. Ein weiteres wohl auch in Polen, denn letztendlich steht es in keinem EU Vertrag, dass ein Land nicht seine Justiz so organisieren kann, wie es eben Polen tat. Im Westen verstand man es anscheinend nicht, dass Länder, die mehr als ein halbes Jahrhundert unter kommunistischer Herrschaft standen, andere Erfahrungen haben als westliche Länder und dass die Angst dort, wieder von einem Supremat in politische Geiselhaft genommen zu werden, latent ist.
Otto von Habsburg meinte einmal – wir haben es hier schon öfter zitiert – „Entweder ein christliches Europa oder gar kein Europa“. Alle diese Entwicklungen führten dazu, dass von einer Anfangsbegeisterung für einen gemeinsamen Kontinent nur noch wenig zu spüren ist.
Der Brexit war ein erstes Fanal am Horizont, weil das Vereinigte Königreich sich nicht mehr von Brüssel manipulieren lassen wollte. 

Der Brexit Vertrag selbst brachte durch die kaum haltbare Lösung, dass das zweiteilige Irland quasi in der Europäischen Union blieb, zusätzliche Probleme. Die Frage, ob Europa nun eine Seele hat oder nicht, muss daher differenziert gesehen werden: Sicherlich gibt es die Seele, die von einem christlichen, friedlichen Europa mit großer Wirtschaftskraft träumt. Sicherlich ist diese Seele aber verschüttet und muss wohl sorgfältig gesucht und wieder aufgefunden werden.
Ob das gelingt, ist eine zweite Frage, danach zu streben ist jedoch mehr als wichtig.
Ebenso wichtig ist eine Außenpolitik mit Äqudistanz zu allen großen Playern zu entwickeln und ebenso notwendig ist es die eigene Verteidigungsbereitschaft entsprechend zu stärken.
Eine enge Anbindung an die Nato kann nur dann sinnvoll sein, wenn man selbst eine entsprechende Verteidigung hat und vor allem, wenn man Bündnisverpflichtungen nur an Ereignisse knüpft, die auf dem Kontinent selbst stattfinden. Afghanistan gehört sicher nicht dazu.
Ob Herr Stoltenberg in der Lage ist dies zu begreifen, muss dahingestellt werden. Wenn er etwa kürzlich leugnete, dass es eine russische Einflusssphäre gäbe. Wie sinnentleert ist denn das? Alle große Staaten haben Einflusssphären ......
Es wäre mehr als wichtig, wenn gerade von Österreich aus, das zwischen den Kriegen die Paneuropa Idee besonders propagierte, die Entwicklung eines Modells für Mittel- und Südosteuropa als Ziel der Außenpolitik begriffen würde.
Derzeit sieht es leider nicht so aus. Die Hoffnung darf man jedoch nie aufgeben, denn für die nächsten Generationen wird dies schlechthin entscheiden, ob man in Ländern mit gewachsenen, of tausendjährigen Kulturen aufwächst oder in einem Land, in dem sämtliche Werte dem Turbokapitalismus geopfert werden.

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