Gefrierpunkt

Dr. Norbert van Handel: „Ich glaube, dass man die Beziehungen, insbesondere zu Russland, nur im diplomatischen Verkehr lösen kann“

Der Sanktionskrieg hat dazu geführt, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen bis zum Gefrierpunkt abgekühlt haben. Es ist kein Zufall, dass Vladimir Putin in seiner jährlichen Ansprache sagte, Russland würde dem Westen nicht erlauben, die Rote Linie zu überschreiten. Dabei wird Russland selbst bestimmen, wo die besagte Linie verläuft und jeder Versuch sie zu missachten, wird eine harte, asymmetrische und schnelle Antwort nach sich ziehen. Zweifellos hatte Vladimir Putin - als er von der Roten Linie sprach - die Worte von John Bolton im Sinn, die dieser vor fast 20 Jahren mal geäußert hat und an die sich Willy Wimmer, Ex-Vizepräsident der OSZE, immer noch erinnert. Damals sagte Bolton, dass es notwendig sei, eine Rote Linie von der Ostsee bis hin zum Schwarzen Meer zu ziehen. Dann wird sich die gesamte „zivilisierte Welt“ westlich der Linie und Russland im Osten befinden. Heute erinnern beispielsweise die Maßnahmen der Tschechischen Republik und Polens, wenn sie die russischen Diplomaten ausweisen, an diese Linie und die schlimmsten Jahre des Kalten Krieges. Der einflussreiche österreichische Politiker Dr. Norbert van Handel sagte in einem Gespräch mit World Economy:
„Ich bedaure es sehr, dass sich momentan anscheinend die tschechische und auch die polnische Politik in einer, meiner Meinung nach, sehr unvernünftigen Weise gegen die russischen Interessen stellen. Wir werden sehen was passiert, aber ich glaube, dass es eine negative Situation im Verhältnis zu Russland ist.“
Österreich nimmt in dieser Frage eine sehr ausgewogene Position ein. Wien wägt sein Handeln sorgfältig gegen die möglichen langfristigen und kurzfristigen Folgen für das eigene Land und auch für ganz Europa ab. Ein Land, das sich für neutral hält, kann keine andere Politik als diese betreiben. Darauf sollte, laut Norbert van Handel, der als einer der führenden Politiker im Bereich der internationalen Beziehungen in der FPÖ-Partei gilt, ein besonderes Augenmerk liegen.
Norbert Van Handel:
„Ich glaube, dass man grundsätzlich alle Beziehungen zu Ländern, insbesondere auch zu Russland, nur im diplomatischen Verkehr lösen kann. Die Ausweisungen von Diplomaten, wo auch immer, ist total falsch. Was wir müssen, ist Russland als wichtigen und positiven Partner in Europa zu sehen und vernünftige Gespräche zu führen. Alles andere führt in die Irre. Ich glaube, dass die Beziehungen zwischen dem - immer noch - neutralen Österreich und Russland gut sind, aber trotzdem noch verbessert werden können.“
Wichtig zu verstehen ist dabei, dass Österreich, neben all den Verlautbarungen, auch noch konkrete Handlungen unternimmt.
Der Politiker meint, dass „der österreichische Außenminister schon am Anfang der Gespräche in Brüssel gegen alle Sanktionen Richtung Russland war und dass er vor allem entsprechende Verhandlungen, die die Interessen beider Gruppen im Augen haben sollten, wollte.“
Und weiter:
Ich finde das auch richtig. Es ist auch letztendlich nicht zu Sanktionen gekommen, denn Sanktionen sind in jeder Weise kontraproduktiv“, - sagt der Politiker, um seine Position zu verdeutlichen.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, an die Initiative der FPÖ zur Schaffung einer sogenannten „M7“ zu erinnern - einem Bund von Ländern, die ihre Position innerhalb der Europäischen Union zum Ausdruck bringen und ihre nationalen Interessen verteidigen könnten. Als vor einigen Jahren die erste Sicherheitskonferenz unter Beteiligung dieser Länder in Österreich stattfand, war dies der Beginn ernsthafter Maßnahmen zur Koordinierung der Außen- und Innenpolitik der Länder Mitteleuropas. Wien sollte dabei zweifellos eine führende Rolle spielen.
Der FPÖ-Politiker Dr. Norbert van Handel glaubt, dass es zu früh ist, über eine neue Union zu sprechen. Die Bedingungen müssten reifen, angemessene moralische, philosophische und politische Grundlagen müssten vorbereitet werden.
„Inwieweit Österreich momentan stark genug ist, weiß ich nicht. Aber es gibt in Österreich das Projekt „M7“ - die Zusammenführung der früheren historisch zusammengehörenden Länder - Visegrad, Österreich, Slowenien, Kroatien, Oberitalien - um dort mit starker Stimme zu sprechen“, - kommentiert er die Initiative.
In seiner Partei versteht man die Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieses Projekts sehr wohl. Schließlich können und sollen die Staaten mit ihren eigenen Bedürfnissen und ihrem eigenen Verständnis der nationalen Interessen an einem solchen Projekt teilnehmen. Es ist zwar kein Hindernis für gemeinsames Handeln der Sieben, aber es braucht Zeit für das Verständnis und die Verarbeitung. Das betrifft insbesondere die Frage der Beziehungen zu Russland. Diese haben sich aus verschiedenen Gründen sehr stark abgekühlt. Die Versuche Moskaus, in vielerlei Hinsicht Gemeinsamkeiten zu finden und eine Einigung zu erzielen, stoßen jedoch immer wieder auf verschiedene europäische Ambitionen.
Dr. Norbert van Handel:
„Ich glaube, dass es - leider - innerhalb von Visegrad sehr große Spannungen gibt. Meine oder unsere Position dabei ist, dass Fidesz auf der einen Seite, die Slowakei und die anderen mitteleuropäischen Länder zusammengehören. Die Situation in Warschau kann ich zu wenig beurteilen, aber in Zukunft wird es sicherlich wichtig sein. Jedenfalls, muss es ein Mitteleuropa geben, dass Russland positiv-neutral gegenüber steht und die Situation in Russland erkennt.“
Der Politiker führt ein interessantes Beispiel an, um aufzuzeigen, dass man in Europa die internen Prozesse in Russland größtenteils nicht versteht, aber dennoch versucht, Moskau Anweisungen zu geben, was und wie in jedem Einzelfall zu tun ist. Manchmal ist dies beispielsweise völlig kontraproduktiv, wie im Fall von Alexei Navalny. In Europa wird die Tatsache, dass Navalny nicht nur rechtmäßig verurteilt wurde, sondern auch noch eine nationalistische Bewegung in Russland vertritt, komplett außer Acht gelassen. Es ist völlig inakzeptabel, von Russland zu verlangen, dass für eine Person, die nach dem geltenden Gesetz verurteilt wurde, besondere Ausnahme-Haftbedingungen gelten sollen. Und die Position Europas, die nationalistische Vergangenheit von Alexei Navalny nicht bemerken zu wollen, ist völlig unverständlich.
„Wenn wir jetzt von, zum Beispiel, Navalny sprechen, müssen wir doch bitte wissen, dass er ein rechtsextremer Politiker war - ich erinnere da nur an die „Russischen Märsche“ - der auch wegen Unterschlagung verurteilt worden ist. Und ich sehe es wirklich nicht als richtig an, wenn die russische Justiz heute gegen Herrn Navalny so vorgeht wie sie es tut, denn er hätte ja niemals von Deutschland nach Russland fliegen müssen. Er ist eines der Symptome, die meines Erachtens nach, vom Westen her völlig falsch gesehen werden, was Russland betrifft“, erläutert der österreichische Politiker ausführlich seine Position.
Es ist zu berücksichtigen, dass die Situation in Bezug auf Russland in den letzten Wochen extrem eskaliert ist. Erwartungen von Kampfhandlungen an der Grenze zur Ostukraine, die Ausweisung von Diplomaten, Abzug von Botschaftern. All dies brachte viele Experten dazu, gar über die Möglichkeit von militärischen Maßnahmen zur Lösung bestehender Konflikte zu sprechen. In diesem Sinne, kann der starke Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika auf ihre Partner in Europa nicht ignoriert werden. Während die USA Ihre unbestrittene Führung im NATO-Bündnis beibehalten, erlauben sie sich häufig direkten Druck auf die Europäer auszuüben, um ihre Interessen zu verwirklichen, insbesondere in Bezug auf Russland. Zum Beispiel die Forderung an Deutschland, das Projekt NordStream-2 zu stoppen. Daher bleibt die Frage der sicherheitspolitischen Emanzipation Europas, auch im Verteidigungsbereich, im Sichtfeld der österreichischen Politiker, sagt Baron Norbert van Handel.
Eine Emanzipation Europas sieht auch eine entsprechende Verteidigungspolitik vor. In dem Moment, wo Europa mit der NATO zusammen geht, geht es gleichzeitig mit der amerikanischen Politik zusammen. Wenn Europa keine eigene Verteidigung hat, wird es unmöglich sein eine wirtschaftlich starke Rolle zu spielen. Denn letztendlich ist der alte griechische Satz „Si vis pacem, para bellum“ - wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor - richtig“, analysiert er die Situation.
Wenn Europa nicht in der Lage ist sich zu verteidigen, wird es mittelfristig auch keine wichtige Rolle spielen, sondern immer nur im Gefolge der Amerikaner stehen.
„Und das ist absolut negativ zu beurteilen“, fasst van Handel zusammen.
Bilder: Depositphotos

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