False Flag Aktion und Kriegsverbrechen des "Bataillon Azov"?

Von Rudolf Guljaew

Beschuss der ul. Kiewskaya und der ul. Stanislavskogo, Mariupol, 24. Januar 2015: False Flag Aktion und Kriegsverbrechen des "Bataillon Azov"?

Kaum hatte World Economy über seine Zweifel an der Untersuchung des Beschusses der Stadt Mariupol im Januar 2015 durch Bellingcat berichtet, meldeten sich Zeugen, die über ihre Beobachtungen an jenem Tag berichteten, eigene Bilder sandten und auf offen zugängliches Bildmaterial hinwiesen. Insbesondere der Beschuss von zwei Häusern an der ulitsa (ul.) Stanislavskogo ließ die Vermutung aufkommen, dass der Ordzhonikidzevskyi Rayon von Mariupol an jenem Tag nicht nur von Osten, sondern auch aus Süden beschossen wurde. Die Redaktion von World Economy hat das Bildmaterial und die Zeugenaussagen geprüft und kam zum Schluss, dass das mit aller Wahrscheinlichkeit das "Bataillon Azov" an jenem schicksalshaften Tag die Stadt Mariupol mit Artillerie oder Raketenwerfern aus südlicher Richtung beschoss. Die Zeugen übersandten der Redaktion Fotos, die aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen worden waren: Zwei wurde aus einem der oberen Stockwerke oder gar vom Dach des Hauses ul. Kiewskaya Nr. 3, Korpus 1 aufgenommen. Eine Reihe weiterer Bilder stammt von einem Automobilisten, der an jenem schicksalshaften Morgen der ul. Stanislavskogo entlang in Richtung Osten fuhr. Die im Fahrzeug eingebaute Kamera hielt insbesondere jene Augenblicke fest, als wenige Meter vor dem Fahrzeug Geschosse einschlugen. Der besagte Automobilist brachte sich in Sicherheit und veröffentlichte seinen Videoclip später auf YouTube.

Die Redaktion von World Economy verglich diese Aufnahmen und die Zeugenaussagen mit offen zugänglichem Bildmaterial von Google Maps und Yandex, um die genauen Örtlichkeiten der Ereignisse festzulegen und die Aussagen der Zeugen zu überprüfen.

Bilder: Kreuzung ul. Kiewskaya mit ul. Stanislavskogo

Das Bild oben links zeigt das Haus ul. Kiewskaya Nr. 48. Der Korpus 1 des Hauses ul. Kiewskaya 48 liegt an der ul. Stanislavskogo. Das Bild unten zeigt links die Kreuzung der ul. Stanislavskogo mit der ul. Kiewskaya. Auf diesem sieht man ein Feuer vor dem Haus ul. Kiewskaya 46, welches gemäß Zeugenaussagen von der Detonation eines Geschosses verursacht wurde. Ferner sieht man einen Sportclub (unten links) und eine kleine Kirche (oben rechts), die auch auf Fotos von Yandex zu erkennen sind. Sie lassen eine Bestätigung der Ortsbestimmung zu.

Bilder: Kreuzung ul. Kiewskaya mit ul. Stanislavskogo

Auch die Bilder vom Haus ul. Kiewskaya 48, Korpus 1 vom 24. Januar 2015 und Fotos aus offenen Quellen können einander zugeordnet werden.

Haus ul. Kiewskaya 48, Korpus 1 – Ansicht und Lage (Karte: yandex.ru)

Einschläge auf der ul. Stanislavskogo

Die Redaktion verglich die Videobilder, welche die Kamera im erwähnten Auto von der ul. Stanislavskogo machte, mit Panoramafotos von Yandex. Das Panoramafoto unten rechts wurde etwas weiter westlich auf der Stanislavskogo aufgenommen, als das Bild auf dem Videoclip. Trotzdem sind entlang der Straße dieselben Objekte zu erkennen, die auch die Kamera im Auto gefilmt hatte.

Bilder: Videoclip (links) und Panoramafoto (rechts)

Im weiteren Verlauf fuhr unser Automobilist einem weiteren Personenkraftwagen und einem Lastwagen hinterher weiter in östlicher Richtung. Das Bild unten links entstand auf der Höhe der Einfahrt der Landshaftnaya ulitsa. Links ist das Haus ul. Kiewskaya, 48, Korpus 1 zu sehen. Auch hier sehen wir auf dem Panoramafoto von Yandex dieselben Objekte, wie im Videoclip. Die Garage, die Westfassade des Hauses ul. Kiewskaya 48K1 und ein Leitungsmast rechts der Straße sind auf beiden Bildern ersichtlich. Auf der Höhe des Hauses ul. Kiewskaya 48K1 schlugen Sekunden später wahrscheinlich zwei Geschosse ein. Der vom rechten Bildrand nach links in Richtung des Hauses fliegende Feuerball legt die Vermutung nahe, dass die Geschoße von rechts einflogen kamen. Solches hatte ein Zeuge der Redaktion berichtet.

Bilder: Videoclip (links) und Panoramafoto (rechts)

Der östlich des Hochhauses gelegene, erwähnte Sportclub, der durch Splitter beschädigt wurde, bestätigt die Ortsbestimmung. Gemäß unserem Zeugen kamen die Splitter aus südöstlicher Richtung.

Ursprung der Schüsse

Auf dem Stadtplan wird ersichtlich, dass besagtes Auto in östlicher Richtung auf der ul. Stanislavskogo unterwegs war, und dass die Kamera den Einschlag eines Geschosses von Süden filmte. Wenn man mit der Bestimmung der Schussrichtung vorsichtig ist und eine Richtung von Südwest bis Südost annimmt, kann man den Standort des Geschützes zwischen den Vororten Vinogradnoe und Primorskoe ermitteln.

Karten: Richtung des Beschusses (links) und Stellungsraum der eingesetzten Waffe (Karte: yandex.ru)

Ein Zeuge berichtete, er habe auf seinem Weg an die Küste des Asowschen Meeres vor Vinogradnoe jeweils einen Checkpoint der ukrainischen Freiwilligen passieren müssen. Damals war in Mariupol das "Bataillon Azov" stationiert. In der Nähe des Checkpoints sah der Zeuge jeweils Geschosswerfer des Typs "GRAD".

Treffer im Haus ul. Stanislavskogo 236

Weiter westlich vom Haus ul. Kiewskaya 48 Korpus 1 befindet sich ein kleines gelbes Haus (Stanislavskogo Str. 236). Auch hier lassen sich Standort des Hauses und Richtung des Beschusses mit Hilfe eines Stadtplans, Satellitenbildern und Panoramafotos eindeutig festlegen.

Bilder des Hauses ul. Stanislavskogo und Satellitenbild (Quellen: Augenzeuge und Yandex)

Sogar die Aufschrift am Haus ist auf dem Bildmaterial von YouTube wiederzufinden.

Bild: Südfassade des Hauses ul. Stanislavskogo 236

Gemäß unserem Zeugen ist das Haus mit Polystyrolschaum isoliert, der jeden Kratzer sichtbar macht. Seinen Angaben zufolge flog das Geschoß genau von Südosten ein, ohne die Ostwand der angebauten Garage zu beschädigen. Wäre das Geschoß aus Osten eingeschlagen, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Südfassade einschlägt und dort nahezu ein kreisrundes Loch hinterlässt, gleich Null gewesen. Auch hier stimmen die Beschreibung des Zeugen und offen zugängliches Bildmaterial zusammen. Wenn man in diesem Fall eine Schussrichtung von Süd bis Südost annimmt, kommt man zu einem Stellungsraum der Waffe im Raum Primorskoe

Karte: Stellungsraum der eingesetzten Waffe (Karte: yandex.ru)

Fazit. Bevor das "Bataillon Azov" seinen Angriff auf die Ortschaft Shyrokyne startete, befand sich zwischen den Stellungen der ukrainischen Regierungskräfte von Sopyne am Asowschen Meer bis Pavlopil und den Stellungen der Aufständischen von Shyrokyne bis Oktiabr (heute Verkhnoshyrokivske) ein Geländestreifen von bis zu 10 km Breite. Die ermittelten Stellungsräume der Waffen, welche die Häuser Stanislavskogo 236 und ul. Kiewskaya 48K1 beschossen, befanden sich deutlich hinter den vordersten Stellungen der ukrainischen Regierungskräfte, um die 9 km von den nächstgelegenen Positionen der Aufständischen entfernt.

Karte: Stellungen der Konfliktparteien östlich von Mariupol (Karte: yandex.ru)

Das rechtfertigt die Aussage, diese beide Hauser seien durch Artilleriewaffen von Gebiet unter Kontrolle des "Bataillons Azov" beschossen worden.  Offenbar schossen an jenem 24. Januar also nicht nur Geschütze und Geschosswerfer der Aufständischen, sondern auch solche der ukrainischen Regierungskräfte. Aus Gründen, die uns die Gruppe investigativer Journalisten nicht nannte, entschloss sich Bellingcat, diese Fälle nicht zu untersuchen. Die Untersuchung von Bellingcat zum Beschuss von Mariupol am 24. Januar 2015, die wir früher als unseriös und unprofessionell kritisiert hatten, ist deshalb zusätzlich noch als einseitig zu bezeichnen. Der Vorwurf, Bellingcat betätige sich als Propagandaplattform des ukrainischen Militärs, bestätigt sich hier erneut.

Die Redaktion von World Economy bat verschiedene namhafte Völkerrechtsexperten um eine rechtliche Beurteilung der Fälle, in denen Wohngebiete beschossen wurden. Einigkeit herrscht in drei Punkten: Artillerieeinheiten, die aus mehreren Kilometern Distanz auf eine Gruppe Soldaten schießen, die ihrerseits lediglich mit leichten Schützenwaffen ausgerüstet ist, können sich nicht auf Notwehr berufen. Kommandeure verletzen in solchen Fällen ihre Sorgfaltspflicht, indem sie die lokalen Bewohner unnötigen Risiken aussetzen. Solche Handlungen verletzen das Gebot der Verhältnismäßigkeit des Waffeneinsatzes. Sie stellen einen Verstoß gegen Kriegsvölkerrecht dar.

Bilder: @depositphotos Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“Am 25. Mai 2018 tritt die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. World Economy S.L. aktualisiert in diesem Zuge seine Datenschutzbestimmungen. Gerne möchten wir Sie weiterhin mit unserem Newsletter an Ihre E-Mail-Adresse informieren. Sie haben jederzeit das Recht, der weiteren Nutzung Ihrer personenbezogenen Daten für die Zukunft zu widersprechen

 

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[1]  https://www.youtube.com/watch?v=t7MIk9lkWWM;

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