Es gibt auch ein Nach-Corona

Dr. Norbert van Handel
Der deutsche Botschafter in Österreich schreibt wöchentlich eine kleine Kolumne in der Wiener Zeitung, in der er sich in äußerst liebenswürdiger Form und aus seiner Sicht mit Österreich befasst.
Am 3. März 2021 schrieb er unter anderem: „Österreich ist ein kleines Land“ – diesen Satz höre ich fast so oft, wie „Österreich ist ein schönes Land“.
„Letzteren würde ich unterschreiben, mit dem ersteren hadere ich etwas.
Ein Blick auf die Fakten: Österreich ist die neuntgrößte Volkswirtschaft der 27 EU-Staaten und zugleich ökonomisch die Nummer 27 in der Welt. Ist das klein?
Von den acht unmittelbaren Nachbarn haben drei eindeutig weniger Einwohner als Österreich, nämlich die Slowakei, Slowenien und Liechtenstein. Mit Ungarn, Tschechien und der Schweiz liegt man etwa auf einer Höhe. Nur zwei sind deutlich größer, nämlich Deutschland und Italien.“
Der Botschafter artikuliert dabei, wahrscheinlich ungewollt, jenen Minderwertigkeitskomplex Österreichs, den dieses nach den Schandverträgen von Saint Germain und Versailles vor mehr als 100 Jahren implantiert hat, nachdem Österreich-Ungarn zerstört wurde und Ungarn und Deutschland schwerstens geschädigt wurden. Folgen wir aber der Sicht seiner Exzellenz, dann ist es dringend notwendig, jenen Minderwertigkeitskomplex so schnell und gründlich als nötig abzustreifen. Dazu dient – es wurde an dieser Stelle schon des Öfteren bemerkt – M7, also ein Zusammenschluss jener mitteleuropäischer Länder, die Jahrhunderte lang miteinander verbunden waren: die Visegrad Staaten, Kroatien, Slowenien und Österreich und wohl auch Oberitalien.
Es geht dabei gar nicht um formale Institutionen, es geht vielmehr darum, in wichtigen Fragen in der EU mit einer Stimme zu sprechen, um sich nicht letztendlich gnadenlos den großen Staaten unterwerfen zu müssen.
M7 ist schlechthin ein Vermächtnis unserer Geschichte, das wir nicht verkommen lassen dürfen.
Einen besonderen Bezug darin hat die Verbindung zwischen Österreich und Ungarn, mit besonderem Fokus auf das Naheverhältnis zwischen Fidesz und FPÖ.
Dies muss konsequent, unbürokratisch und ohne unnotwendigen Formalismus verstärkt werden.
2) Zu Verfassungsrecht und Grundgesetz
Schon Kaiser Franz Josef normierte in den Staatsgrundgesetzen 1862 und 1867, die Bestandteil der österreichischen Verfassung wurden, unter anderem folgendes:

  • Die Freizügigkeit der Person und des Vermögens

  • Die Unverletzlichkeit des Eigentums

  • Das Recht jeden Erwerbszweig auszuüben

  • Die Unverletzlichkeit des Hausrechtes 

  • Das Versammlungsrecht und einiges andere.

Während der alte Kaiser, unabhängig davon welcher Meinung er persönlich war, präszisest die verfassungsrechtlichen Grundgesetze einhielt, ist dies bei der heutigen angeblich demokratischen Regierung anders – für sie ist die Verfassung anscheinend ein Fetzen Papier.
Jedes einzelne oben aufgezählte Recht wurde von der Regierung missachtet.
Es herrscht seitens Kurz und Co die saloppe Meinung: „Wenn der Verfassungsgerichtshof entscheidet, ist die Maßnahme ohnedies schon außer Kraft.“
Eine Unverfrohrenheit und eine Missachtung der Bundesverfassung, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss.
Es handelt sich dabei um Ketten – Verfassungsbrüche sonder Zahl.
Es wird notwendig sein, dass sich die Opposition wesentlich stärker als bisher mit dieser Materie befasst.
3) Ibiza und die Unschuldsvermutungen
Nach der Ibiza-Affäre meinten manche, die FPÖ versinke in einem Strudel von Korruption und Strafverfahren und verliere total ihre politische Glaubwürdigkeit.
Das Gegenteil ist der Fall: die FPÖ legt laufend zu und die Türkisen versinken in einem Sumpf von Unschuldsvermutungen.
So werden, allein in der Casino Affäre, der amtierende Finanzminister, der amtierende Chef der  ÖBAG (österreichische Beteiligungs AG von großen Industriebetrieben), der Ex Finanzminister, der Generalanwalt der (schwarzen) Raiffeisenorganisation, ein früherer Vizekanzler, die frühere Vizechefin der ÖVP, als Beschuldigte geführt. 
Das genügt nicht: in einer Immobilien Causa werden auch der der ÖVP nahe stehende zuständige Sektionschef und ein Ex Justizminister und Mitglied des Verfassungsgerichtshofs als Beschuldigte geführt. Es existieren weitere ähnliche Verfahren, in denen ausschließlich Spitzenfunktionäre der ÖVP verwickelt sind.
Man hat fast das Gefühl, dass der Corona Wahnsinn, dem sich die Regierung verpflichtet fühlt, dieses staatsgefährdende Sittengemälde überdecken soll.
Dass es bei unseren Freunden in Deutschland ähnlich aussieht und Bundestagsabgeordnete, vielleicht noch direkter als in Österreich, Provisionen aus den Schutzmaskengeschäften beziehen, tröstet nicht. Auch das nicht, dass die Frau eines wichtigen Ministerpräsidenten ein bemerkenswertes Nahverhältnis zu einem großen Schutzmaskenhersteller hat und dabei bestens verdient.
4) Das Resümee
Nur echte Krisensituationen führen meist zu neuen Aufschwüngen.
Nur echte Krisensituationen können die Reorganisation eines Staates garantieren oder wie es der frühere untadelige Bundespräsident Kirchschläger einmal sagte: „Die sumpfigen Wiesen müssen trockengelegt werden.“ Es wird wieder Zeit, dass die Worte von Thomas Jefferson, dem dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten, Gewicht gewinnen: „Es herrscht dort Freiheit, wo die Regierung das Volk fürchtet.“ – und nicht umgekehrt.
Bilder: Depositphotos
Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“