Es bleibt die Frage, was nun?

Von Dr. Norbert van Handel  

Mit tiefem Mitleid und Bedauern sieht man was in der Ukraine gerade geschieht. Und man lehnt diesen Krieg, der Millionen von Frauen und Kindern vertreibt, entschieden ab. Wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert, als der preußische General Carl von Clausewitz meinte: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln!“
Gleichzeitig führte Clausewitz aber aus, dass jeder Krieg eine Vorgeschichte hat und keinesfalls aus heiterem Himmel entsteht.

Sachlich und neutral darf auf Folgendes hingewiesen werden:

  • Russland wurde sukzessive vom Westen ins Abseits gedrängt. Es begann damit, dass man den Russen nach 1990 zusagte, dass die NATO sich nicht nach Osten erweitern werde. Dies wurde leider nicht schriftlich festgelegt, ist aber inzwischen unbestritten.

  • Man ging in keiner Weise auf die Vorstellungen Putins ein, die er am 25. September 2001 in Deutsch vor dem Bundestag hielt.

In dieser Rede bot der russische Präsident an die Potentiale Russlands mit denen der anderen Teile Europas zu vereinigen.

Sein Vorschlag beinhaltete: 

  • eine wirtschaftliche Zusammenarbeit von Lissabon bis Wladiwostok.

Man applaudierte zwar stehend, aber es geschah nichts.

  • Bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2007 führte Putin aus: „Ich denke, dass für die heutige Welt das monopolare Modell nicht nur ungeeignet, sondern überhaupt unmöglich ist.“ Natürlich spielte er dabei auf den Wunsch der USA an, monopolartig die Welt zu regieren.
    Dennoch meinte er weiter: „Bei allen Meinungsdifferenzen betrachte ich den Präsidenten der Vereinigte Staaten als meinen Freund.“

  • Nachdem sich ungeachtet der seinerzeitigen Vereinbarungen die NATO gegen Osten ausdehnte, die USA mit hunderten Milliarden ihre Streitkräfte stärkten, zog sich Russland sukzessive aus dem Dialog mit dem Westen, der zunehmend die russischen Wünsche und Vorstellungen negierte, zurück.

  • Zuletzt verlangte Putin lediglich, dass die Ukraine nicht der NATO beitrete und mehr oder minder als neutraler Pufferstaat gegenüber Russland fungieren sollte.

  • Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim war aus der Großmachtstellung Russlands insofern verständlich, als ohne Krim der russische Marinehafen Sewastopol im Schwarzen Meer in Gefahr geriet von Russland getrennt und möglicherweise sogar von den USA übernommen zu werden. 

  • Letztlich war die Sorge Russlands, von der NATO umschlossen zu sein und damit seine Sicherheit aufgrund der stehts kriegerischen Position der USA und auch Großbritanniens gefährdet zu sehen.
    Sieht man sich die Landkarte an, so sehen wir oft nur die westliche, also europäische Seite der russischen Grenze mit der Phalanx der NATO Staaten und nicht die östliche.
    Im Osten ist Russland durch die 80 Kilometer breite Beringstraße vom amerikanischen Alaska getrennt.
    In der Mitte dieser Straße liegen die Diomedes Inseln, wobei die Ratmanow Insel zu Russland, die Seward Insel zur USA gehören.
    Die Inseln sind etwa fünf Kilometer voneinander entfernt.
    Man braucht nicht besonders viel Fantasie zu haben, um zu wissen, dass es der USA wohl leicht fallen würde, auf den Seward Inseln einen entsprechenden Stützpunkt zu errichten, der das östliche Russland im Falle eine Krieges angreifen könnte.
    Weiter südlich liegen die Kurilen, die ein Streitpunkt zwischen Japan und Russland sind und die unmittelbar an Japan grenzen.
    Es ist unschwer vorstellbar, dass im Falle eines großen Krieges, Japan auf die Seite der USA treten würde, womit eine neuerliche Angriffsposition gegen Russland gegeben wäre.
    Im Süden schließt Georgien an Russland an.
    Die Unabhängigkeitsbestrebungen Georgiens sind bekannt, sodass wieder, im Falle eines Krieges, man davon ausgehen könnte, dass auch Georgien ein bequemer Angriffspunkt gegen Russland sein würde.
    Alles in allem ist also die Furcht Russlands, von der NATO bzw. mit ihr verbündeten Staaten angegriffen zu werden, nicht unbegründet.

  • Die Abstimmung der Bevölkerung in der Krim fiel mit über 90 Prozent für Russland aus. Selbst, wenn die Abstimmung nicht lupenrein war, war die Mehrheit für Russland evident.

  • Die Anerkennung der Volksrepubliken Lugansk und Donezk am 21. Februar 2022, also drei Tage vor Kriegsbeginn, wäre wohl die letzte Möglichkeit gewesen, mit diplomatischen Mitteln den Krieg zu vermeiden, wenn spätestens jetzt eine starke Gruppe der Neutralen in der EU, also Österreich, Finnland, Schweden, Dänemark, Irland und Malta, in einer groß und konsequent angelegten Pendelmission versucht hätte, das Schlimmste zu vermieden.
    Dies geschah nicht.
    Österreich hat es in der gesamten Krise insgesamt sträflich vernachlässigt Brückenbauer zu sein, was in früheren Jahren schlechthin eine Aufgabe unserer Neutralität war.
    Wenn der Kanzler und der Außenminister begeistert den EU-Sanktionen zustimmten, so ist dies alles in allem mit Sicherheit keine Stärkung der Neutralität.

  • Wir haben an dieser Stelle schon des Öfteren darauf hingewiesen, dass Wirtschaftssanktionen nichts bringen.
    Sie schaden zwar dem Zielland kräftig, oft aber vielmehr den Ländern, die sie aussprechen.
    Gerade im Falle Österreichs, dessen Energieversorgung in hohem Maß von Russland abhängig ist, ist dies der Fall.
    Österreich hätte sich der Stimme enthalten müssen, wobei gleichzeitig dennoch die von der EU gewünschten Sanktionen in Kraft getreten wären.
    Der Außenminister versteht anscheinend nicht, dass es zu seinen vornehmlichen Pflichten gehört nicht nur die Neutralität zu vertreten, sondern auch die Staatsräson im Auge zu haben.
    Stattdessen fuhr er jüngst nach Indien und Pakistan, Indien hat 1,4 Milliarden Einwohner, Pakistan 220 Millionen, um als Vertreter eines Staates, der knapp 9 Millionen Einwohner hat, beide Länder dazu zu bringen, sich der Meinung des Westens gegen Russland anzuschließen. Was natürlich nicht gelang.
    Eine peinliche und lächerliche Aktion.

 

Es bleibt die Frage, was nun?

Ein Exit Szenario könnte, unserer Ansicht nach, nur bestehen:

  • In einem unmittelbaren Waffenstillstand,

  • In einer Neutralisierung der Ukraine,

  • In einer Anerkennung der Krim (die ja ursprünglich gar nicht zur Ukraine gehörte, und erst von Chruschtschow, der Ukrainer war, der Ukraine geschenkt wurde),

  • In einer diplomatische Lösung betreffend der Volksrepubliken Lugansk und Donezk in Richtung, zumindest einer garantierten Autonomie,

  • In einer unmittelbaren Beendigung der Wirtschaftssanktionen

  • Und in einer starken Mission der neutralen Staaten, die konsequent, nachhaltig und sicherlich auch mühsam versuchen müssen, eine Lösung zu erreichen.
    Hier könnte man jene Fehler gutmachen, die man vor dem Konflikt versäumt hat.

  • Sicherlich werden sich, wie bei jedem Kompromiss, beide Seiten bewegen müssen. Sowohl Präsident Putin, als vor allem auch Präsident Selenskyj, der sich zu einem veritablen Kriegspräsidenten entwickelt hat, wobei ihm wahrscheinlich auch seine schauspielerischen Fähigkeiten nützten.

Wer noch die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs, die ungerechten Vertreibungen und das Leid der Zivilbevölkerung miterlebt hat, muss gegen jeden Krieg sein, gleichzeitig auch aber die Voraussetzungen, die zu einem Krieg führen können, stehts im Auge haben, um diesen mit allen Mitteln vermeiden zu können.

Österreich hätte viele Möglichkeiten, aber die derzeitige Regierung ist anscheinend nicht in der Lage sie zu nützen.

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