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Doppelter Pyrrhussieg

Willy Wimmer, Staatssekretär a.D., am Telefon im Gespräch mit Prof. Dr. Alexander Sosnowski, Chefredakteur World Economy

WE: Es fanden in Deutschland und in Frankreich Wahlen statt. Fangen wir mit Deutschland an. Wegen der Präsidentschaftswahl in Frankreich haben wir hier in den Medien gar nicht so viel dazu vernommen, obwohl man diese Wahl in Schleswig-Holstein als durchaus wichtig bezeichnen kann oder wie sehen Sie das?

Willy Wimmer:

Das war für die CDU, aus meiner Sicht, eine Wahl für „nach Frau Merkel“. Das kann man in Anbetracht des jugendlichen Kandidaten so sagen. Es macht deutlich, dass die christ-demokratische Familie in Deutschland auch eine Perspektive hat, wenn es die Bundeskanzlerin oder Parteivorsitzende Merkel nicht mehr gibt. Das ist an diesem Wahlergebnis erkennbar. Die Sozialdemokraten, der Ministerpräsident Albig, sind wegen seiner völlig unverständlichen Einstellung zu der Abschiebung von sich hier illegal befindlichen Ausländern abgestraft worden. Er hat dazu eine Linie vertreten, die noch verantwortungsloser ist, als das, was Frau Merkel hier in Deutschland angerichtet hat. Aber die SPD wird für diese extrem verantwortungslose Haltung abgestraft und nicht die, die dieses ganze Dilemma mitverursacht haben. Das ist die Situation, die wir in Schleswig-Holstein sehen. Deswegen hat der junge Mann, unbelastet von den ganzen Dingen, die die Amtszeit von Frau Merkel ausmachen, diese Wahl gewonnen - weil die SPD noch schlimmer ist, als das, was Frau Merkel dem deutschen Volk zugemutet hat.

WE: Dann sehen wir rüber nach Frankreich. Noch vor einigen Tagen sagte Marine Le Pen bei der Fernsehdebatte Frankreich würde so oder so von einer Frau regiert werden, entweder von ihr selbst oder von Frau Merkel. Hat sich ihre Aussage durch den Wahlausgang in Frankreich bestätigt?

Willy Wimmer:

Aus meiner Sicht war das eine Wahl voller Verzweiflung. Man hat mit einem sensationellen Vorsprung einen Kandidaten gewählt, der noch vor einem Jahr politisch völlig unbekannt gewesen ist, obwohl er in der Regierung Hollande einen Ministerposten bekleidet hat. Und er wurde von Kräften, über die man nur spekulieren kann, aus dem Hut gezaubert. Die Kandidatin Le Pen, die bei der gestrigen Wahl krachend verloren hat, schien aber für die Probleme, die es in Frankreich gibt, die besseren Antworten parat zu haben. Die leichteren oder wenigstens eine Illusion davon, hat Macron dem französischen Volk vermitteln können. Es ist daher nicht unverständlich, dass er gewählt worden ist. Die Leute wissen zwar, dass es auch ökonomisch und politisch in Frankreich nicht so weiter gehen kann, aber sie scheuen sich den harten Wahrheiten ins Gesicht zu sehen. Dazu kommt, wenn wir uns das heutige Europa ansehen, dann geht es der politischen Agonie entgegen. Sie haben in der Frage schon zum Ausdruck gebracht, dass Europa unter der Berliner Fuchtel lebt. Und diese Fuchtel heißt - Frau Merkel. Das kann Europa nicht überstehen. Genau so wenig, wie die Versuche Großbritanniens zu der alten Rolle auf dem Europäischen Kontinent zurück zu finden. Sprich das „Teile und Herrsche“-Prinzip wieder umzusetzen. Frankreich ist wegen der deutschen Agendapolitik - und auch aus ganz anderen Gründen des internationalen Wettbewerbs - ökonomisch in einer schwierigen Situation. Dann kommt auch noch das Politische hinzu. Man muss auch sehen, dass von Frankreich in der südlichen Hemisphäre, zwischen Syrien und Mali, ein Krieg nach dem anderen vom Zaun gebrochen wurde. Das schlägt natürlich auf Frankreich zurück und darauf ist auch Herr Macron keine Antwort.

WE: Dass Marine Le Pen verlieren wird, haben alle vermutet. Ist es aber nicht so, dass diese knapp 30 %, die sie erreicht hat, ein - im Vergleich zu den letzten Jahren - durchaus gutes Ergebnis sind, weil es bedeutet, dass sich ein relativ großer Teil der französischen Gesellschaft Veränderungen wünscht? Darüber hinaus ist Macron ebenfalls nicht unumstritten, er plant in Frankreich Investitionen von 50 Milliarden Euro, die er nicht hat. Ist er ein Populist? Wie schätzen Sie ihn ein?

Willy Wimmer:

Macron operiert jedenfalls mit populistischen Maßnahmen und ist, ohne ihm zu nahe treten zu wollen, so etwas wie politische „Fake News“. Das gestrige Wahlergebnis, so fulminant es auch gewesen ist, wirft eine Frage auf: Wird er diesen Rückenwind, diese Bewegung, die sich hinter ihn gestellt hat, auch für die Parlamentswahl in Frankreich nutzen können? Mit seiner Kandidatur und dem jetzigen Erfolg zerstört er das uns bekannte französische Parteiensystem und die Frage wird sein, ob er es schafft die politische Linke zu zerstören, die historisch für die linken Bewegungen in Europa von größter Bedeutung gewesen war und es heute immer noch ist. Und, zerstört er durch seine globalistischen Ansichten das patriotische Bild Frankreichs? Solange es die Nationalwahlen im Juni noch nicht gegeben hat, ist Micron vor diesem Hintergrund - heiße Luft. Und die wichtigste Frage ist für mich die, ob die Franzosen davon satt werden.

WE: Herr Wimmer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

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