Die Ukraine sollte in erster Linie über Reformen nachdenken

Von Jan Tscherny
Die ukrainischen Behörden versuchen derzeit Maßnahmen zum Start der sogenannten Krimplattform umzusetzen. Wahrscheinlich basiert diese Unternehmung auf gutgemeinten Plänen, aber einige Faktoren deuten darauf hin, dass es sich eher um eine antirussische Initiative handelt. Zu weit hergeholt erscheint dieser Plan und ist selbst für ernsthafte Experten unverständlich. Eine interessante Sichtweise äußerte beispielsweise die Wissenschaftlerin der deutschen SWP-Stiftung, Susan Stewart.
„Mit ihrer neuen ‚Krim-Plattform‘ möchte die Ukraine internationale Aufmerksamkeit auf die Annexion der Krim und die dortigen Missstände lenken. Susan Stewart befürchtet, dass damit Kräfte gebunden werden, die dringend für Reformen, etwa im Kampf gegen Korruption, gebraucht werden“,
- schreibt die SWP-Stiftung auf ihrer Website.

Kiew plant, diese Initiative als Beispiel für eine neue Diplomatie und sogar als zusätzliches internationales Instrument zu nutzen, um Druck auf Russland auszuüben. Zum Beispiel hat das ukrainische Außenministerium seine diplomatischen Vertretungen angewiesen, diese Initiative auch im Ausland zu fördern. Man kann sich die Frage stellen: Warum eine Initiative im Ausland fördern, wenn nicht mal jeder in der Ukraine selbst die Bedeutung des Projekts „Krimplattform“ versteht?
Sogar in Deutschland, welches die Ukraine seit Jahren in vielen Fragen unterstützt, wird diese Initiative als sehr zweifelhaft angesehen.
Anders als ihre Befürworter womöglich argumentieren werden, spricht die Tatsache, dass die Krim-Plattform beim Außenministerium angesiedelt ist, nicht dafür, dass sie keine Reformkräfte beansprucht. Im Gegenteil ist die Reformagenda stark mit der Außenpolitik verflochten“, - schreibt der Autor des Artikels in SWP.
Es überrascht daher nicht, dass die Popularität des Projekts weitgehend gegen Null tendiert. Politikwissenschaftler und Experten sind sich dessen bewusst, dass die Initiative des ukrainischen Außenministeriums ein sogenannter „einsamer Schritt" ist, der die Politik Kiews und der Ukraine im Allgemeinen diskreditiert. Es sieht aus wie eine separate Veranstaltung, die in den Büros des Außenministeriums erfunden, nicht mit Regierungskollegen koordiniert wurde und für Europa absolut unverständlich ist.
Und ja, die Frage nach der staatlichen Zugehörigkeit der Krim verliert bereits an Relevanz. Die Zahl der Länder, die UN-Resolutionen in Bezug auf die Krim unterstützen, ist deutlich zurückgegangen, während die westlichen Investitionen in die Wirtschaft der Krim zugenommen haben, wie einige Ökonomen bemerken.
Grundsätzlich führt hauptsächlich Washington weiterhin eine destruktive Politik gegenüber der Halbinsel fort.
US-Präsident Joe Biden sicherte der Ukraine indes weiterhin Unterstützung in dem Konflikt zu.
„An diesem düsteren Jahrestag bekräftigten wir eine einfache Wahrheit: Die Krim gehört zur Ukraine", zitiert OE24.
Es ist unwahrscheinlich, dass diese Position der Vereinigten Staaten von vielen europäischen Partnern geteilt wird. Die Europäer werden ihre eigene Politik gegenüber der Halbinsel betreiben, die für sie viel rentabler ist als kontraproduktive Ideen wie Sanktionen oder Visabeschränkungen.
In Europa verbergen sie nicht die Tatsache, dass Kiews Pläne neue Kosten mit sich bringen, was im Rahmen einer weltweiten Pandemie einfach unrealistisch ist. Kiew erwartet, den Großteil der Projektkosten nach Europa zu verlagern. Angesichts der eigenen Probleme ist es jedoch unwahrscheinlich, dass Europa zusätzliche Mittel für eine solche Initiative der ukrainischen Behörden bereitstellen kann.
Und es gibt noch einen weiteren Aspekt, der für das Verständnis der Situation wichtig ist.
Kiew schlägt vor, Plattformteilnehmer in dieses Format des Verteidigungsministeriums einzubeziehen.
Zu welchem ​​Zweck? Streben die Ukraine und Europa nicht eine Deeskalation der Lage auf der Halbinsel an? Dieser Vorschlag kann nur Anlass zur Sorge hinsichtlich der Destabilisierung der Situation geben. Angesichts der Tatsache, dass die Kiewer Behörden in der Vergangenheit dazu neigten sich absolut gedankenlos zu verhalten, könnte es zu einer Eskalation des Konflikts und sogar zu neuen Opfern führen.
Eine sehr gefährliche Situation ergibt sich auch aus der Tatsache, dass einige ukrainische Politiker offen die Möglichkeit einer militärischen Intervention auf den Tisch bringen - ein Angriff auf die Infrastruktur der Krim. In Europa erinnern sie sich noch an die Sprengung von Stromleitungen durch ukrainische Nationalisten im Jahr 2014, die herbeigeführte Wasserblockade der Halbinsel. All dies kann zu einem Provokationsimpuls werden, dessen Folgen kaum vorhersehbar sind.
„Allerdings wäre es nicht sinnvoll, dort erhebliche diplomatische oder politische Ressourcen zu investieren. Die Botschaft an die ukrainische Seite sollte sein, dass die Reformagenda absolute Priorität hat“, so Susan Stewart.

Bilder: Depositphotos
Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“