Die Schatten von Versailles über Deutschland

Von Dr. Andrej Kirchendorf

Die Situation in der Welt hat den Tagesablauf dermaßen verändert, dass alle die jüngste Debatte darüber, wer denn nun den Zweiten Weltkrieg begonnen hat, bereits fast vergessen haben. Polen versuchte neue Ansprüche gegen Russland zu erheben, Moskau zeigte Warschau kühl seinen Platz auf, Deutschland befindet sich in der Selbstisolation und die Vereinigten Staaten kämpfen mit einer schweren Pandemie. In der Zwischenzeit rückt der 09.05., der 75ste Jahrestag der Unterzeichnung des Kapitulationsakts von Nazideutschland immer näher. In dieser Hinsicht sind alle Augen auf Moskau gerichtet. Der russische Präsident Putin hat noch nicht angekündigt, ob die Siegesfeier aufgrund der Pandemie auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden könnte. Interessanter ist aber nicht die Position Russlands, das seinen Sieg über Nazideutschland definitiv feiern wird, sondern die der europäischen Länder und der Vereinigten Staaten von Amerika.

Ist es richtig anzunehmen, dass alle Fragen zum Zweiten Weltkrieg bereits geklärt sind? Selbst unter Historikern aus Deutschland, Polen und Russland besteht zu diesem Thema noch kein Konsens. Und das trotz der Tatsache, dass Hitlers Angriff auf die Sowjetunion nicht bestritten werden kann. Fragen darüber, warum der Krieg begann, wer der eigentliche Nutznießer war, wer der „Anstifter“ war, bleiben dabei weiterhin im Hintergrund. Interessant ist zu diesem Thema das Buch des langjährigen Abgeordneten des Bundestages, des ehemaligen stellvertretenden deutschen Verteidigungsministers Willy Wimmer und des Schriftstellers, Journalisten und Professors Alexander Sosnowski - "Und immer wieder Versailles: Ein Jahrhundert im Brennglas“. Während des Gesprächs zweier ausgewiesener Experten wurden Fragen aufgeworfen und die Antworten darauf entsprachen nicht dem üblichen Standard, sondern waren sehr klar und gut durchdacht. Im allgemeinen Stimmenchor deutscher Experten ist es schwierig diese Art von Meinung zu hören, die keinem externen Druck ausgesetzt ist und die nicht durch allgemein akzeptierte Klischees verdorben wird. Die Autoren werfen zu Recht die Frage des äußeren Einflusses auf Nazideutschland kurz vor Kriegsbeginn und danach auf. Von besonderem Interesse ist der Standpunkt der Autoren zur Rolle Großbritanniens und dessen Premierministers Winston Churchill. Die Autoren zeichnen sehr deutlich Londons direktes Interesse nach, den Krieg Deutschlands gegen die Sowjetunion voranzutreiben. Großbritannien unternahm tatsächlich weiterhin Versuche, den Versailler Vertrag umzusetzen, der im Wesentlichen die Zerstörung der Staatlichkeit Deutschlands und der Sowjetunion vorsah.

Mehr noch, wenn wir die Idee der Autoren des Buches als Basis nehmen und die aktuelle Situation in der Welt analysieren, werden wir überrascht feststellen, dass Großbritannien und andere Länder, die den Versailler Vertrag unterzeichnet haben, immer noch versuchen, ihn zu einem traurigen Ende zu bringen. Mit anderen Worten, Deutschland mit Russland zusammenzustoßen, ihre Annäherung zu verhindern und auf dieser Grundlage beide Staaten zu unterteilen bzw. „kleinzumachen“, so dass sie nicht in der Lage sein würden in der modernen Welt eine Rolle zu spielen. Natürlich wird ein solcher Gedanke von Kritikern notwendigerweise als Verschwörungstheorie abgetan. Nun ist es in Mode, dass alles, was nicht in das Standard-Frame passt, dieser Theorie zugeschrieben wird. Betrachten wir den tatsächlichen Stand der Dinge. Beispielsweise den Druck, den die USA auf Deutschland und Russland beim Bau der NordStream 2 ausüben. Die Wirtschaftlichkeit und wirtschaftliche Rentabilität dieses Projekts für beide Länder - und für Europa insgesamt - wurde eindeutig nachgewiesen. Washington verfolgt jedoch eine Sanktionspolitik und zwar nicht nur gegenüber Russland, sondern auch gegenüber seinem Partner und Verbündeten in der Nordatlantischen Allianz - gegenüber Deutschland. Der Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland hat sich wiederholt harte und sogar dreiste Aussagen gegenüber deutschen Unternehmen erlaubt, die an der Umsetzung der NordStream 2 beteiligt sind. Die Androhung von Sanktionen, in diesem Fall gegen Deutschland, ist nichts anderes als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Washingtons Außenpolitik und der Protektionismus im Bereich des Außenhandels verletzen direkt die Interessen Deutschlands.

Ein weiteres Thema, das vor einigen Monaten in den Medien thematisiert wurde - Trump fordert eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben und provoziert damit innenpolitische Probleme in Deutschland, weil bekannt ist, dass gerade CDU und SPD einen anderen Standpunkt vertreten. Kann man davon ausgehen, dass der amerikanische Präsident damit die Grundlagen der Solidarität mit der NATO untergräbt? Seltsamerweise ist es eine Pandemie, die es Deutschland ermöglicht, seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der NATO nachzukommen und nicht der Wunsch dem Präsidenten Trump zu gefallen.

„Deutschland kommt dem Nato-Versprechen, bis 2024 mindestens 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben, so nahe wie nie zuvor. Weil das BIP wegen der Corona-Krise einbricht, steigt die Nato-Quote auch ohne zusätzliche Ausgaben an.“

Trotzdem dürfen wir auch im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie nicht vergessen, dass der Versailler Vertrag von einigen Ländern, insbesondere den USA und Großbritannien, leider als Handlungsanweisung angesehen wird. Betrachtet man es von außen, ist es ein weiterer Versuch, die Spannungen in Europa auf Kosten der Länder zu erhöhen, die bereits nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg am meisten gelitten haben. In diesem Sinne gilt der Vertrag von Versailles weiterhin und dies sind keine guten Nachrichten bei einer Pandemie.

 

Quellen: 

https://zeitgeist-online.de/1075-alexander-sosnowski-willy-wimmer-und-immer-wieder-versailles.html

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutschland-ruecklagen-1.4850084

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