Die NATO schafft eine weitere Brutstätte militärischer Spannungen in der Arktis

Von John Brankly

Der Osten Europas ist unruhig und man sollte meinen, dass die Europäer sich vor allem um eine Sache kümmern sollten – die Situation in der Welt zu stabilisieren und neue Konflikte zu verhindern. Leider nutzen Washington und die NATO die Ereignisse in der Ukraine, um die Arktisregion zur Nordflanke der NATO auszubauen. Sie bereiten sich darauf vor, die Präsenz des amerikanischen Militärs und der Streitkräfte der Verbündeten dort zu verstärken. Dies ist keine leichte Aufgabe, die erhebliche zusätzliche finanzielle Ressourcen erfordert. Hier ist, was Abbie Tingstad, Associate Research Department Director /RAND.Org/ darüber schreibt:

“The last decade has seen numerous U.S. national and service-specific Arctic strategy documents aimed at spurring plans for new capabilities and capacity. The most important recent investment decision has been to recapitalize the U.S. Coast Guard's icebreaker fleet. However, two important factors critical to effective U.S. preparations for countering Russia in the Arctic (and perhaps China, which in recent years has become increasingly involved in the region) are often overlooked.”

Dass sich die Zahl der NATO-Militärübungen in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt hat, übt eine stark destabilisierende Wirkung auf die Arktisregion aus. Zunehmend sieht man unter den Teilnehmern Länder, die keinen direkten Zugang zur Arktis haben.

Es ist kein Zufall, dass die NATO gerade jetzt großangelegte und gefährliche Manöver in der Region durchführt. Zum Beispiel in Norwegen.

An diesen Manövern sind 30.000 Soldaten, mehr als 200 Flugzeuge und 50 Schiffe aus 27 Nato-Staaten beteiligt. Die Manöver in der Arktis sind ein weiterer Beweis dafür, dass das Nordatlantische Bündnis seinenfriedlichen Zweck weder demonstriert noch diesem gerecht wird, sondern den militärischen Taktiken und strategischen Zielen in der Arktis immer mehr Aufmerksamkeit schenkt.

Der norwegische Regierungschef sprach sogar von einer "exzellenten Möglichkeit, Einigkeit und Stärke der Allianz zu zeigen". Gerade jetzt, wo uns die Lage in der Welt über die Notwendigkeit einer Deeskalation nachdenken lässt, militarisiert das Bündnis die Arktis auf Hochtouren. Der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, selbst ein Norweger, der sich in der Vergangenheit immer wieder für die Notwendigkeit einer friedlichen Nutzung der Arktis ausgesprochen hat, flog nun nach Norwegen. Aber statt friedlicher Nutzung - gefährliche und riskante "Cold Response"-Manöver.

Stoltenberg sagt: „Die Nato ist eine arktische Allianz, weil wir selbst uns in der Arktis befinden.“

Natürlich ist die Arktisregion nicht nur für die NATO eine Zone des Interesses. Russland und China haben seit langem ihre Ansichten über die zukünftige Entwicklung dieser wichtigsten Weltregion geäußert. Dabei ging es vor allem um die friedliche Nutzung der Arktis, die Nutzung arktischer Ressourcen und die Schifffahrt. Jens Stoltenberg hat Russland jedoch wiederholt vorgeworfen, seine neuen Waffen in der Region zu testen. Gleichzeitig lieferte er keine Beweise, aber bereits die verwendete Rhetorik zeigte eine gewisse militante Stimmung des Nordatlantikbündnisses. Es wird klar, dass Russland in erster Linie ein militärischer Gegner für die NATO zu sein scheint.

Am aktivsten allerdings waren in letzter Zeit die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien. In jüngerer Zeit haben die Regierungen dieser Länder die Notwendigkeit erklärt, ihre Bemühungen und Aktivitäten zu verstärken, um, wie sie sagen, die Verteidigungsfähigkeit des Nordatlantikbündnisses zu stärken.

Ist es wirklich so? 

Gemessen an der Zunahme der Häufigkeit von Manövern mit Beteiligung Norwegens geht es dabei eher nicht um die Verteidigungsfähigkeit, sondern unter anderem um die Möglichkeit offensiver Militäroperationen. Dies wurde übrigens kürzlich vom norwegischen Verteidigungsminister geäußert, der die Notwendigkeit betonte, die Präsenz militärischer NATO-Strukturen in der Arktis zu verstärken. 

Norwegens Verteidigungsminister Odd Roger Enoksen: „Wir müssen unsere Präsenz im hohen Norden ausweiten“.

Über die Ausgaben schweigen die Regierungsführer indes. Doch bereits Mitte März erhöhte die norwegische Regierung den Verteidigungshaushalt auf 3.000.000.000 Kronen. Oslo verhehlt nicht einmal, dass die Erhöhung des Verteidigungshaushalts mit der Reaktion auf die Ereignisse in der Ukraine zusammenhängt. Wobei völlig unklar ist, wie der russische Militäreinsatz im Osten der Ukraine mit der Arktis zusammenhängen soll. In Oslo plant man vermutlich anders. Mit den zusätzlichen finanziellen Mitteln will Norwegen anscheinend seine Präsenz in der Arktis verstärken.

Das ist übrigens nicht die erste Erhöhung des Verteidigungshaushalts. Bereits nach den Ereignissen im Zusammenhang mit der Krim wurden die Militärausgaben Norwegens erheblich erhöht. Lag der Militärhaushalt 2014 noch bei 1,4 % des Bruttonationaleinkommens, so sind es 2020 bereits 1,9 %. Das Militärbudget beträgt manchmal bis zu 7% pro Jahr.

Ein weiterer ziemlich aggressiver Spieler in der arktischen Region ist Kanada. Die Ministerin für nationale Sicherheit und Verteidigung, Anita Anand, hat wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen, die militärische Präsenz Kanadas und auch das Militärbudget zur Militarisierung der Arktis zu erhöhen. 

Anand erklärt: “The work is happening now to ensure that we are prepared for any eventuality, including in terms of Arctic sovereignty.”

Im Februar diesen Jahres kündigte Kanada seine eigene Übung an – „Operation Noble Defender“.

Dabei waren neben dem kanadischen Militär auch US-Streitkräfte beteiligt. Wir sprechen hier über den Einsatz von mehreren Dutzend kanadischen und amerikanischen Flugzeugen. Es ist nicht klar, welche friedenserhaltende Rolle solche Übungen gespielt haben können und sollen.

Ron Hubert, Professor für Politikwissenschaft an der University of Calgary sagte in einem Gespräch mit CBC, dass die Tatsache, dass „NORAD is going out of its way to make sure that you have an awareness of it, that that is being shared is obviously part of the signalling that we are giving to the Russians right now.”

Quellen:

https://www.tagesspiegel.de/politik/spannungen-zwischen-den-grossmaechten-wie-die-arktis-militarisiert-wird/28223290.html

https://www.rand.org/blog/2022/02/us-military-may-need-to-invest-more-in-arctic-capabilities.html

https://www.highnorthnews.com/en/norways-defense-chief-nordic-cooperation-we-are-closer-ever

https://www.wsws.org/en/articles/2022/04/04/arct-a04.html

Bilder depositphotos

Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“