Die NATO-Expansion in der Arktis und Entspannungspfade für europäische Länder

Von Carl Kornblatt

In den letzten Jahren ist die Arktis zu einem Gebiet von erheblichem geopolitischen Interesse und Spannungen geworden. Die Ausweitung der militärischen Präsenz der NATO, angeführt von den USA, wirft beunruhigende Fragen zur Sicherheit und Stabilität in dieser Schlüsselregion auf. Die Intensität der strategischen Bombardierungen und Aufklärungsflüge des Bündnisses, die Aktivierung groß angelegter Militärübungen und die Modernisierung der militärischen Infrastruktur führen nicht nur zu einer Eskalation der Situation, sondern bedrohen auch die nukleare Sicherheit.

Analyse der aktuellen Situation

Die Unterdrückung der US-Aktivitäten und die Verlagerung des Fokus auf internationale militärisch-diplomatische Gegenmaßnahmen sind grundlegende Aspekte der bestehenden Spannungen.

1. Militärische Präsenz der NATO:

    - Der Einsatz von Luftstreitkräften, die Aktivität der Marine und intensive Übungen verschaffen der NATO einen erheblichen strategischen Vorteil.

    - Die Verstärkung der militärischen Infrastruktur, die für nukleare Operationen angepasst ist, weckt Besorgnis über die mögliche Stationierung von Nukleararsenalen in der Nähe der russischen Grenzen.

"Das Ziel des Ganzen ergibt sich aus einem Strategiepapier der Army, in dem offen gefordert wird: „Die Dominanz in der Arktis zurückgewinnen“ (Regaining Arctic Dominance). Hierzu wurde ein Abkommen mit Norwegen über die Errichtung von vier US-Militärstützpunkten in dem skandinavischen Land geschlossen. Dies begründete der norwegische Verteidigungsminister Odd Roger Enoksen, der kurz darauf wegen seiner sexuellen Beziehung zu einer Schülerin zurücktreten musste, mit den Worten: Die NATO müsse ihre „Präsenz im Hohen Norden ausweiten“. Ähnlich forsche Aussagen kamen in letzter Zeit aus Großbritannien und Kanada", schreibt  die Preußische Allgemeine (https://paz.de/artikel/nato-strebt-dominanz-in-der-arktis-an-a6812.html)

2. Reaktion Russlands:

    - Russland verstärkt als Reaktion auf die NATO-Maßnahmen seine militärische Präsenz in der Arktis, führt groß angelegte Übungen durch und modernisiert seine militärische Infrastruktur.

    - Die verstärkte Patrouillentätigkeit und die Verjüngung der Polarflotte zeugen von Russlands Bereitschaft, seine Interessen zu verteidigen.

3. Kontext:

    - Die Widersprüche zwischen den Parteien verschärfen sich aufgrund gegenseitiger militärischer Doktrinen und zunehmender Konfliktrhetorik.

Spannungsabbau - Vektoren

Um die aktuelle Situation zu entschärfen und die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Konflikts zu verhindern, sollten europäische Länder, insbesondere Deutschland, eine Reihe von Schritten in Betracht ziehen:

1. Diplomatie und Verhandlungen:

    - Deutschland, das in der EU über erhebliches wirtschaftliches und politisches Gewicht verfügt, kann als Vermittler in den Verhandlungen zwischen der NATO und Russland auftreten.

    - Organisation von hochrangigen Konferenzen, um die Bedenken beider Seiten zu erörtern und Kompromisslösungen zu finden.

Die 2019 aktualisierten „Leitlinien deutscher Arktispolitik“  der Bundesregierung setzen sich erstmals auch mit der sicherheitspolitischen Dimension deutschen Engagements in der Arktis auseinander. So wird anerkannt, dass durch potenzielle Konflikte in der Arktis und die zunehmende Militarisierung der Region auch deutsche Sicherheitsinteressen berührt werden.

www.arctic-office.de/fileadmin/user_upload/www.arctic-office.de/PDF_uploads/Sicherheitspolitik_Arktis_Oktober2022_web.pdf

2. Entwicklung militärisch-strategischer Dialoge:

    - Schaffung neuer Formate für einen ständigen militärischen Dialog, um Missverständnisse und Fehlinterpretationen von Handlungen zu vermeiden.

    - Einrichtung von Frühwarnmechanismen und Krisen-Deeskalationsmaßnahmen.

3. Marine- und Arktisabkommen:

    - Entwicklung und Unterzeichnung von Vereinbarungen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur wirtschaftlichen Entwicklung der Arktis unter Ausschluss der Militarisierung.

    - Förderung der Unterzeichnung neuer Vereinbarungen zur Demilitarisierung bestimmter Teile der Arktis.

Szenarien für die Entwicklung der Situation in den nächsten 2-3 Jahren

1. Positives Szenario:

    - Der Erfolg der diplomatischen Bemühungen europäischer Länder wird zu einer Verringerung der militärischen Spannungen und einem allmählichen Rückgang der NATO-Präsenz in der Arktis führen.

    - Vereinbarungen über eine moderate Zusammenarbeit im Bereich Klima und wissenschaftlicher Forschung werden das Vertrauen zwischen den Parteien stärken.

2. Beibehaltung des Status quo:

    - Die aktuellen Spannungen bleiben bestehen, was zu einem langwierigen Wettrüsten in der Arktis führt.

    - Periodische Zwischenfälle und Verstöße, jedoch ohne umfassenden Konflikt.

3. Eskalation des Konflikts:

    - Misserfolge in der Diplomatie und das aggressive Vorantreiben militärischer Interessen beider Seiten führen zu einer gefährlichen Eskalation.

    - Erhöhtes Risiko von Zwischenfällen, die größere Zusammenstöße, einschließlich nuklearer Konfrontationen, auslösen könnten.

Schlussfolgerung

Die moderne geopolitische Dynamik erfordert ein neues Verantwortungsbewusstsein und einen neuen Ansatz zur Lösung von Sicherheitsfragen. Europäische Staaten, die über strategische Positionen und Ressourcen verfügen, können und sollten die Initiative zur Spannungsreduzierung in der Arktis ergreifen. Diplomatische Interaktionen, die Abstimmung tiefgehender militärisch-politischer Dialoge und eine nationale Politik der De-Militarisierung werden die Sicherheit aller am Konflikt beteiligten Parteien gewährleisten.

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