Die deutsche Sicherheitsstrategie bringt Unsicherheit / Berliner Politik schreibt Papiere und hat keine Lösungen

Von Hans-Georg Münster

Wer sich ein Bild vom Zustand der deutschen Sicherheitspolitik machen will, greift am besten zu einem Vergleich und zwar von Reichskanzler Otto von Bismarck mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Bismarck war ein Meister der Diplomatie durch Rückversicherungsverträge mit Nachbarländern, die dem Deutschen Reich Frieden auf Jahrzehnte sicherten. Heute haben wir es mit einem Bundeskanzler Scholz zu tun, einem Mann ohne Perspektiven und ohne Visionen, dem die Stiefel der Macht viel zu groß sind und der von grünen Politikern wie Annalena Baerbock und Robert Habeck umgeben ist, die sich wie böse Kinder aufspielen und nach dem Steuerrad des Staatsschiffes Deutschland greifen, um es auf Kriegskurs zu bringen.

Bismarcks Deutschland war eine Weltmacht: Das Militär war stark, das Land fortschrittlich und wirtschaftlich aufstrebend, die Bevölkerung war gut gebildet und wurde sozial abgesichert. Die Kultur hatte Weltruhm. Nach dem Untergang des Deutschen Reiches in zwei schrecklichen Weltkriegen boten nach 1945 Heimkehrer und Daheimgebliebene die letzten Kräfte auf, um Deutschland wieder zu neuer Blüte - wenn auch in zwei Staaten - zu führen. Heute, drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung, lässt eine der Klimawandel-Bekämpfungsideologie anhängende Politik den Wohlstand massiv bröckeln. Wirtschaftlich hinkt Deutschland anderen Ländern hinterher. Beim Wirtschaftswachstum bildet es das Schlusslicht unter den OECD-Ländern.

Deutschlands Sicherheitspolitik ist schwankend. Waren die deutschen Interessen zu Beginn des Jahrhunderts Russland zugeneigt, von dem man sich preiswerte Rohstoffe versprach und erhielt, so ist nach dem Ende der Ära der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein drastischer Wandel festzustellen. Scholz und seine bösen grünen Kinder wetteifern darum, sich in den Vereinigten Staaten von Amerika besonders beliebt zu machen und die größte Nähe zum korrupten ukrainischen Regime in Kiew zudemonstrieren. Was dem eigenen Land nutzen könnte und wie die von hohen Steuern, von Inflation und Energieknappheit geplagte deutsche Wirtschaft unterstützt und gefördert werden könnte, spielt keine Rolle. Die Situation dürfte sich nicht verbessern, wenn es nach den nächsten Landtagswahlen, bei denen die nationale Opposition AfD hohe Stimmengewinne erwarten kann, in Berlin wieder zu einer Großen Koalition von SPD und CDU/CSU kommen würde. Die Unionsparteien sind noch amerikahöriger als die Grünen; Unionspolitiker wie Roderich Kiesewetter haben sich als die größten Kriegstreiber gegen Russland erwiesen; der Parteivorsitzende Friedrich Merz war Statthalter von Blackrock in Deutschland, dem größten amerikanischen Finanzkonzern.

Die Berliner Regierung produziert keine Lösungen für die vielen offenen Fragen und Probleme, sondern nur Papiere, in denen Probleme allenfalls beschrieben werden - und das auch noch oft unvollständig. Getrieben von einem grünen Wahn, die Welt vor der Überhitzung durch Kohlendioxid retten zu müssen, hat die Bundesregierung jetzt eine Weltraumstrategie als Teil der Nationalen Sicherheitsstrategie (1) vorgelegt, in der zwei große Themen hervorstechen: Man will Weltraumschrott einsammeln und aus dem Weltall Kohlendioxid-Emissionen auf der Erde kontrollieren. Ja, es ist wahr: Während die Amerikaner daran arbeiten, den Mond zu besiedeln, geben sich die Deutschen damit zufrieden, Müll einzusammeln und in alter Blockwart-Manier CO2-Emittenten zu denunzieren. Welche Bedeutung der Weltraum für Deutschland tatsächlich hat, wird an Haushaltszahlen deutlich: Der deutsche Haushalt für Raumfahrtprojekte soll von 370 Millionen Euro auf 314 Millionen Euro im nächsten Jahr gekürztwerden. Zum Vergleich: Italien gibt 1,9 Milliarden Euro im Jahr für Weltraumprogramme aus.

Bismarck würde sich im Grabe umdrehen, wenn er die deutsche Sicherheitsstrategie lesen würde, in der es unter anderem heißt, „Das heutige Russland ist auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euro-atlantischen Raum.“ Ähnliches kann man übrigens genauso gut der NATO unterstellen, die 1999völkerrechtswidrig einen Krieg gegen Serbien begann und mit der Republik Kosovo auf serbischem Gebiet einen Vasallen-Staat installieren ließ. 

Was der deutschen Nationalen Sicherheitsstrategie fehlt, sind Lösungsansätze. Dies wurde in einer Anhörung des Deutschen Bundestages gleich von mehrerenSachverständigen bestätigt. So lobte zwar der Politikwissenschaftler Professor Christopher Daase von der Goethe-Universität Frankfurt am Main an der nationalen Sicherheitsstrategie, sie mache deutlich, „dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die zentrale sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit ist“. Es fehle jedoch ein Bekenntnis zu einer gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsordnung, die über Abwehr und Abschreckung Russlands hinausgehe und an Prinzipien von KSZE und OSZE festhalte, „auch wenn diese Prinzipien gerade von Russland mit Füßen getreten werden". Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik (DGAP) fragte fast verzweifelt: „Was sind die Ambitionen dieses Landes, der viertgrößten ökonomischen Macht, einer der größten politischen Mächte der Welt? Das steht da nicht drin.“

Der für seine exzellenten Kenntnisse in militärischer und politischer Strategie bekannte frühere Schweizer Offizier Ralph Bosshardt brachte erhebliche Zweifel an der neuen deutschen Abschreckungsstrategie gegenüber Russland vor: „Es ist aber abzusehen, dass eine Abschreckungsstrategie ohne parallele Verhandlungsstrategie bald in eine Krise und zu weiteren Eskalationen führen könnte. Der Sachverständige Reiner Braun (International Association of Lawyers against Nuclear Arms) erinnerte an Egon Bahr, jenen herausragenden SPD-Politiker, der als Vater der westdeutschen neuen Außenpolitik nach 1969 und als Wegbereiter der Verträge der Bonner Republik mit der DDR, mit Polen und der damaligen UdSSR galt. Bahr sei es immer darum gegangen, dass beide Seiten Sicherheit erlangten, nicht vor dem Gegner, sondern gemeinsam mit ihm. Diese Philosophie ist der nationalen Sicherheitsstrategie jedoch völlig fremd. Sie setzt auf Aufrüstung und Eskalation, indem sie die korrupte Regierung der Ukraine als europäischen Heilsbringer darstellt.

Nachdem Deutschland sich von der preiswerten und zuverlässigen Energieversorgung durch Russland abgekoppelt und sich in die Abhängigkeit von angloamerikanischen Energiekonzernen begeben hat, die Gas, Öl und Kohle für ein Mehrfaches des früheren Preises liefern, will sich Berlin auch stärker von China abgrenzen. In der neuen China-Strategie, die ebenfalls Teil der Nationalen Sicherheitsstrategie ist, heißt es beispielsweise: „China ist Deutschlands größter einzelner Handelspartner, wobei die Abhängigkeiten Chinas von Europa stetig abnehmen, während Deutschlands Abhängigkeiten von China in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen haben.“ Das will Deutschland ändern, weil China die internationale Ordnung entlang der Interessen seines Einparteiensystems beeinflussen und dabei auch die Grundfesten der regelbasierten Ordnung, auf die Deutschland so viel Wert legt, relativieren wolle. Für die grüne Außenministerin Annalena Baerbock zählen dazu die Menschenrechte(besonders die von sexuellen Minderheiten) und der Feminismus. Ausgerechnet in dem amerikanischen Fernsehsender Fox News ließ die deutsche Außenministerin wissen, wie sie über den wichtigsten Handelspartner China denkt: Baerbock erklärte, falls der russische Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine gewinne, was wäre das für „ein Zeichen für andere Diktatoren in der Welt, etwa für Xi, Chinas Präsident“? Die Regierung in Peking reagierte wütend und nannte Baerbocks Äußerungen eine „offene politische Provokation“, durch die die Würde Chinas verletzt worden sei. Wer weiß, welche Bedeutung in Asien Würde und Gesichtswahrung haben, erkennt die Dramatik der Reaktion aus Peking. 

Doch trotz der von seiner Außenministerin verursachten massiven Störungen des deutsch-chinesischen Verhältnis unternahm Bundeskanzler Olaf Scholz nichts, sondern zog sich in sein Kanzleramt zurück wie die Schnecke in ihr Haus. Im Verhältnis mit China droht Deutschland dasselbe Schicksal wie im Verhältnis zu Russland. Berlin ist bereit, für Pseudo-Werte alle Brücken einzureißen und dem eigenen Land, der Wirtschaft und den Menschen riesige Probleme durch Wegfall von Export- und Importmärkten sowie Kostensteigerungen in allen Bereichen aufzubürden. Die deutsche Außenministerin gehört gefeuert, und zwar auf der Stelle. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron fasste im Bundestag sehr richtig zusammen: „Sie bauen eine neue chinesische Mauer, statt die Seidenstraße weiter auszubauen.“ Die Bundesregierung folge damit blind den Vereinigten Staaten, denen China zu mächtig geworden sei.

Scholz und Baerbocks Verhalten erinnern an die neue Ära nach Bismarck, als das Gleichgewicht und der gegenseitige Respekt in Europa keine so große Rolle mehr spielten. Bismarcks Nachfolger Leo von Caprivi sah sich nicht in der Lage, im Jahr 1890 den deutsch-russischen Rückversicherungsvertrag, den wohl wichtigsten Bestandteil der von Bismarck gestalteten Vertragspolitik des Deutschen Reiches, zu verlängern. Von Caprivi soll damals zugegeben haben, er könne nicht wie Bismarck mit fünf Glaskugeln spielen, sondern er könne nur zwei Glaskugeln gleichzeitig halten. Das Ergebnis dieser Politik ist bekannt: Fast ein Vierteljahrhundert später versankEuropa im Ersten Weltkrieg. Der Unterschied zum 19. und 20. Jahrhundert ist: Diesmal könnte es nicht wieder Jahrzehnte dauern.

(1) Nationale Sicherheitsstrategie: Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für Deutschland (bundestag.de)

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