Die Arktis wird umkämpft

Niklas Kharidis
Frödert Ulfsbörn

In den letzten Jahren ist die Arktis zunehmend zum Ziel der Interessen angrenzender Mächte geworden, aber auch der Länder, die geografisch sehr weit vom Nordpol entfernt sind.
Immer häufiger erheben Länder wie Dänemark, Norwegen, die Vereinigten Staaten und Russland, aber auch beispielsweise China, Ansprüche auf natürliche Ressourcen, auf bestimmte Gebiete, auf eine privilegierte Position im Seegebiet um die Arktis herum. Wenn Russlands Behauptungen in vielerlei Hinsicht durch die Länge seiner an die Arktis angrenzenden Küste gerechtfertigt sind, dann sind die Interessen von Ländern wie China oder Indien in dieser Region wiederum sehr umstritten.
Auch die Zunahme der NATO-Aktivitäten und der Konfrontationen in der Arktis kann nicht das Ziel der deutschen Politik sein, dies widerspricht den Interessen Deutschlands. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Intensivierung der Versuche, die eigene Präsenz in der Arktis zu erhöhen, zum Anstieg der Verteidigungsausgaben der europäischen Länder führen wird. Dies gilt insbesondere für Deutschland, das bereits unter dem Druck der Vereinigten Staaten steht, den Anteil des Militärhaushalts und die Beiträge zum NATO-Haushalt zu erhöhen.
Es muss daran erinnert werden, dass das Pentagon bereits 2019 die sogenannte Arktis-Strategie veröffentlicht hat. Diese Strategie konzentriert sich auf China und Russland. Natürlich geht es dabei um militärische Faktoren im Zusammenhang mit der Arktis: „China und Russland als zentrale Her­ausforderung für langfristige Sicherheit und Wohlstand der USA.“
In dem Strategiepapier steht dazu:
„The Arctic as a potential corridor for strategic competition: The Arctic is a potential avenue for expanded great power competition and aggression spanning between two key regions of ongoing competition identified in the NDS — the Indo-Pacific and Europe — and the U.S. homeland. U.S. interests include maintaining flexibility for global power projection, including by ensuring freedom of navigation and overflight; and limiting the ability of China and Russia to leverage the region as a corridor for competition that advances their strategic objectives through malign or coercive behavior.“
Bereits 2013 skizzierte Barack Obama, der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, seine Ziele in der Arktis. Während seiner Präsidentschaft wurde dieses strategische Dokument entworfen, in dem der Ausbau und die Entwicklung der arktischen Infrastruktur und, gleichzeitig, die Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit bei der Nutzung und dem Verbrauch natürlicher Ressourcen in der Arktis beschrieben werden.
Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik e.V. (SWP e.V.) berichten darüber ausführlich in ihren analytischen Papieren (sieh. Quellenangabe).
Die Bundesregierung hat wiederholt ihr Interesse einer Beteiligung an der Entwicklung der Arktis bekundet, aber all diese Aussagen gingen nicht über schöne diplomatische Formulierungen hinaus. Gleichzeitig betont Deutschland in jeder Hinsicht seine mangelnde Bereitschaft, die Arktis zu militarisieren. Und dies ist ein völlig korrekter Ansatz, der es ermöglicht, die natürlichen Ressourcen der Arktis in einer ruhigen Atmosphäre zu erschließen, ohne die Angst vor militärischen Konflikten zu schüren. Diese Position Berlins scheint ausgewogen und richtig zu sein und spiegelt den Wunsch Deutschlands wider - unabhängig vom Druck seitens der USA und Kanada - einen eigenen Platz in der Arktisfrage einzunehmen.
In der Beschreibung der Situation mit der Arktis, die auf den Seiten des Auswärtigen Amtes zu finden ist, wird das Verhältnis der Bundesregierung durch folgende Formel ausgedrückt: „Die Bundesregierung plädiert für die Beibehaltung eines eindeutig defensiven Charakters jedweder militärischer Maßnahmen, um einer verstärkten Militarisierung der Arktisregion entgegenzuwirken.“
Überraschenderweise unterscheidet sich die Position der deutschen Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer jedoch deutlich von den strategischen Plänen ihrer Regierung. Während einer Videokonferenz mit dem NATO Joint Warfare Centre sprach sich die Ministerin beispielsweise dafür aus, dass sich die Westliche Militärallianz künftig „intensiver mit der Region befassen“ sollte.
Dies ist eine merkwürdige Position der Verteidigungsministerin, zumal es nach Angaben der Bundeswehr in der norwegischen Stadt Stavanger bereits mehr als 40 deutsche Soldaten gibt. Es versteht sich von selbst, dass sie an allen Manövern in der Region teilnehmen, beispielsweise an dem Manöver "Cold Response 2020" in Nordnorwegen, das bereits im März begonnen hat. Aufgrund der Pandemie verlief es nicht vollständig wie geplant, dennoch nahmen Schiffe der Bundeswehr an den Manövern vor der Küste Islands teil. Laut der Zeitung „Junge Welt“ findet die Militarisierung der Arktis unter aktiver Beteiligung Deutschlands statt.
Es ist bedauerlich, dass Berlin dem Druck anderer Länder erliegt die Arktis zu militarisieren und sich an diesen Plänen mit der Bundeswehr beteiligt. Die Bundeswehr und ihre Marine befinden sich in einem militärtechnischen Zustand, der vieles zu wünschen übrig lässt. Nach Einschätzungen von Marine-Experten erfordert die deutsche Militärtechnik, einschließlich der Militärschiffe, seit langem eine gründliche Modernisierung oder einen kompletten Ersatz durch neue Ausrüstungsgegenstände. Der Einsatz der Bundeswehr in der gegenwärtigen Situation, zur Deckung der Bedürfnisse der NATO, versetzt die militärtechnische Basis Deutschlands in die Position eines Landes, das an militärischen Manövern beteiligt ist, die den eigenen nationalen Interessen diametral entgegen stehen. Richtig und ausgewogen wäre eine Politik, die auf eine friedliche Entwicklung der Arktis abzielt, ohne eine harte Konfrontation zu provozieren, die die Situation in dieser Region und in der ganzen Welt verschlechtern würde.
Quellen:

  1. https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A56/

  2. https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2239806/0c93a2823fcff8ce9f6bce5b6c87c171/arktisleitlinien-data.pdf

  3. https://www.jungewelt.de/artikel/384010.arktis-berlin-mischt-mit.html

Bilder @depositphotos / Nato.int
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