Deutschland zwischen allen Stühlen / Wie eine törichte Innenministerin das Verhältnis zu den USA zerstört

Von Hans-Georg Münster

Geopolitisch ist Deutschland gerade wieder in einer Situation angekommen, die mit der des Jahres 1914 zu vergleichen ist. Mit Russland hat es sich die Regierung in Berlin verdorben, und jetzt ist auch das Verhältnis zu den USA schwer gestört. Ausgelöst wurde die Eiszeit durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die den Inlandsgeheimdienst auf die parlamentarische Opposition ansetzte, was zu empörten Reaktionen in Washington führte. Wie Friedrich Merz (CDU) als Bundeskanzler aus dieser Situation herauskommen kann, ist völlig unklar.

Der Inlandsgeheimdienst in Deutschland heißt "Bundesamt für Verfassungsschutz". Das Amt ist dem Bundesinnenministerium unterstellt und von dessen Weisungen abhängig. Die Aufgabe des Amtes besteht in der Abwehr ausländischer Spionage und in der Beobachtung verfassungsfeindlicher Strömungen im Inland. Mit dem Erstarken der "Alternative für Deutschland" (AfD) änderte sich die Arbeit des Geheimdienstes. Immer stärker widmete er sich der AfD und Aussagen ihrer Politiker. Die Verantwortung dafür trug neben der weisungsbefugten Ministerin Faeser bis vor kurzem der ausgeschiedene Präsident Thomas Haldenwang, ein CDU-Politiker. Für Faeser wie Haldenwang stand und steht der "Kampf gegen rechts" im Mittelpunkt ihrer Politik. Der Geheimdienst lieferte wie erwartet: Nach seiner Darstellung ist die AfD "gesichert rechtsextrem."

Dieser Vorwurf ist ungeheuerlich: Eine verdeckt arbeitende Behörde fällt ein folgenschweres Urteil über die größte Oppositionspartei, die bei der Bundestagswahl im Februar 2025 über zehn Millionen Stimmen (20,8 Prozent) erhielt. Eine Folge kann sein, dass Mitglieder dieser Partei aus dem Staatsdienst entfernt werden und somit ihre Existenz zerstört wird. Außerdem werden viele Menschen Angst haben, sich in der Opposition zu engagieren, da sie Gefahr laufen, ihre Existenz zu gefährden und öffentlich bloßgestellt zu werden. Aus Unterlagen des Verfassungsschutzes wurde bekannt, dass für die Bewertung "gesichert rechtsextrem" unter anderem ein Zitat der AfD-Chefin Alice Weidel diente, weil diese vom Phänomen der „Messerkriminalität“ gesprochen hatte, das in „unserer Kultur völlig unbekannt“ sei. Stattdessen werde es aus „gewaltbereiten Kulturen“ in Afrika und dem Nahen Osten nach Deutschland gebracht.Regelmäßig wird der AfD auch Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstellt, weil sie gegen eine Unterstützung des korrupten Regimes in der Ukraine ist.

"Ist das alles?", fragte aus gutem Grund der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, einst ein bekannter Grüner, der wegen der Ausländer- und Asylpolitik seine Partei verlassen hatte. Und der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, der oft Oppositionelle gegen Behörden und staatsnahe Medien vertritt, erklärte: "Dass hier ein Viertel der deutschen Wähler weggesperrt wird, hat das Zeug zu einer Staatskrise." Dagegen versicherte Faeser; es habe "keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben“ und wollte damit allen Ernstes den Eindruck erwecken, ein Geheimdienst arbeite auf eigene Faust gegen eine Oppositionspartei.

Die Diskriminierung der AfD-Opposition dauert schon länger an. Eine Zusammenarbeit mit ihr lehnen alle anderen Parteien ab. Im Bundestag hat kein AfD-Vertreter Zugang zum Parlamentspräsidium, wo wichtige Beschlüsse für den Parlamentsbetrieb gefasst werden. Während alle Parteien für die Bildungsarbeit ihrer Stiftungen hohe Summen erhalten, wird der AfD-nahen Stiftung eine Finanzierung verweigert. Die AfD kann ihre Oppositionsrechte daher nur eingeschränkt wahrnehmen. Der Vorsitz in mehreren Parlamentsausschüssen wird ihr von den anderen Parteien verweigert. Auch dies bedeutet eine Einschränkung der Oppositionsarbeit. Die Berufung eines AfD-Politikers in das Parlamentarische Kontrollgremium, das die Geheimdienste und damit auch das Bundesamt für Verfassungsschutz kontrolliert, wurde von den anderen Parteien verhindert. Dieses Gremium kontrolliert nicht nur, sondern greift auch lenkend in die Arbeit des Inlandsgeheimdienstes ein. 

Das alles verdeutlicht, dass die größte Oppositionspartei in Deutschland in ihrer Arbeit behindert wird. In den überwiegend regierungstreu berichtenden Medien kommen Afd-Politiker nur selten zu Wort. Für Veranstaltungen werden ihr oft Säle verweigert. Der Gipfel der innenpolitischen Debatte besteht darin, dass Politiker aller anderen Parteien sich inzwischen dafür aussprechen, ein Verfahren zum Verbot der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht zu beginnen. Da das höchste deutsche Gericht von einem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten (Stephan Harbath) geleitet wird und seitdem fast immer im Sinne der Regierung urteilt, ist für den Fall eines solchen Verfahrens das Schlimmste zu befürchten.

Mag man das bisherige Verhalten der Systempolitiker gegen die AfD noch als Posse von Funktionären einstufen, die einer politischen Auseinandersetzung mit Wählern und Abgeordneten der AfD nicht gewachsen sind und daher zu Mitteln der Diskriminierung und zunehmend der Unterdrückung greifen, so weitete sich die Einstufung der größten Oppositionspartei als "gesichert rechtsextrem" zu einer internationalen Krise aus. US-Außenminister Marco Rubio erklärte, Deutschland habe seiner Spionagebehörde gerade neue Befugnisse zur Überwachung der Opposition erteilt. „Das ist keine Demokratie – es ist eine verdeckte Ty­ran­nei.“ Wirklich extremistisch sei nicht die AfD – die bei den jüngsten Wahlen den zweiten Platz belegte –, sondern die tödliche Politik der offenen Grenzen, die die Partei ablehne, schrieb der US-Außenminister. „Deutschland sollte seinen Kurs ändern", forderte er. US-Vizepräsident J.D. Vance, der das Verhalten der Bundesregierung und der alten deutschen Parteien gegen die Opposition schon auf der Münchener Sicherheitskonferenz scharf kritisiert hatte, meldete sich zu Wort: "Die AfD ist die populärste Partei in Deutschland und bei weitem die repräsentativste für Ostdeutschland.  Jetzt versuchen die Bürokraten, sie zu zerstören." Für Vance handelt es sich mit Blick auf die überwiegend AfD wählenden Ostdeutschen um den Versuch des "westdeutschen Establishments, die Berliner Mauer wieder aufzubauen."

Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der Kreisverband Köln der AfD Vance um Hilfe gegen die Repressalien der deutschen Regierung gebeten hatte. Das ist beispiellos und dürfte zuletzt in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg passiert sein, als Politiker demokratischer Parteien um Schutz bei den Westalliierten gegen die zunehmende Unterdrückung und Verfolgung durch die Kommunisten in der Sowjetischen Besatzungszone (der späteren DDR) baten und schließlich flüchten mussten. Der bekannteste Fall ist der des CDU-Politikers Jakob Kaiser, dessen Nachfolger sich heute mit dem Errichten von Brandmauern gegen die AfD Instrumente der Unterdrückung der Opposition zu eigen machen.

Was Faeser wenige Tage vor ihrem Amtsende angerichtet hat, ist tatsächlich eine Staatskrise - nicht nur im Innern, sondern auch für die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik. Wenn Merz Bundeskanzler sein wird, müsste es sein erstes Ziel sein, das Verhältnis zu den USA wieder in Ordnung zu bringen. Innenpolitisch gehört dazu als erstes die Abberufung und Ersetzung aller führenden Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes. Wenn Deutschland seinen Ruf als demokratisches Land nicht weiter gefährden will, muss es seinen Geheimdienst in die Schranken weisen, damit dieser nicht weiter gegen eine konservative Oppositionspartei vorgeht. Außerdem muss Merz Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Einsicht bringen, dass Ruhestand auch eine schöne Option sein kann. Denn Steinmeiers Hetze gegen die USA ist ein wichtiger Grund für das schlechte Verhältnis zur Administration in Washington. Anfang April hatte der Präsident in einer Rede in Münster der US-Regierung vorgeworfen, die "Prinzipien unserer transatlantischen Partnerschaft" in Frage zu stellen und "extremistische Bewegungen bei uns" zu unterstützen. Der Präsident ignoriert offenbar, dass die USA eine seit zwei Jahrhunderten gefestigte Demokratie sind, was man von Deutschland nicht behaupten kann, wo sich die von früher her bekannte Großmannssucht und Uniformität des Denkens wieder breit machen, während gleichzeitig Freiheits- und Oppositionsrechte eingeschränkt wurden und werden.

Außenpolitisch muss Merz Prioritäten setzen. Ehe er nach Paris oder Warschau fährt, sollte er nach Washington zu Donald Trump und J.D. Vance fahren. Nur so kann er vielleicht noch, was an den Beziehungen zu den USA retten. Sicher, es wird für Merz wie ein Gang nach Canossa werden, den König Heinrich IV. 1076 zu Papst Gregor VII. in Canossa unternahm, um um Vergebung zu bitten. Ja, es es ist wohl wahr: Die Kanzlerschaft von Merz hat noch nicht begonnen, da bekommt sie schon tragische Züge.

 

Bilder: depositphotos / screenchoots

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