Deutscher Sicherheitsberater und Ex-Militär warnt vor NATO-Aggression gegenüber Russland: „Spiel mit dem Feuer“

Von Hans-Georg Münster

Erstmals hat ein führender Vertreter des deutschen politisch-militärischen Komplexes die aggressive Haltung der NATO gegenüber Russland vor allem im Ukraine-Konflikt zugegeben und zugleich vor einer Eskalation gewarnt. Der frühere Oberst der Bundeswehr und heutige Vorsitzende des Berliner Think Tanks „Politisch militärische Gesellschaft“ (PMG), Ralph Thiele, lässt es in der jüngste Ausgabe der PMG-Hauszeitschrift „Denkwürdigkeiten“ nicht an Deutlichkeit fehlen und warnt die westliche Allianz davor, nicht mehr vorhandene Stärke zu demonstrieren und „mit dem Feuer zu spielen“.
In Sicherheitskreisen und in der Berliner Politik gilt der frühere Oberst Thiele als absolute Ausnahmeerscheinung, der das kleine und große Einmaleins der Militär- und Sicherheitspolitik sowohl von der Truppenseite als auch von der politischen Seite her beherrscht. Thiele war unter anderem Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 39 der Bundeswehr. Seine politiknahen Verwendungen führten ihn in den Planungsstab des Verteidigungsministers und in das Privat Office des NATO-Oberbefehlshabers. Außerdem war er Chef des Stabes am NATO- Defense-College im Rom-Cecchignola, einer Kaderschmiede für Stabsoffiziere und Generäle der westlichen Allianz. Zudem war er Kommandeur des Zentrums für Transformation der Bundeswehr.
Thiele gehört zu den wenigen Vertretern des politisch-militärischen Komplexes in Deutschland, die sowohl in politischen als auch militärischen Kategorien denken können. In Sicherheitskreisen wird es durchaus für möglich gehalten, dass Thieles Laufbahn in der Bundeswehr noch lange nicht zu Ende ist. Möglich sei zum Beispiel die Ernennung zum Kommandeur einer Teilstreitkraft (zum Beispiel Heeresinspekteur). Eine spätere Beförderung zum Generalinspekteur sei bei einer für Thiele günstigen politischen Konstellation nicht ausgeschlossen.
Thiele wirft dem russischen Präsidenten Putin vor, den Westen in einer breit angelegten hybriden Kampagne zu „testen“. Dies werde aber in der westlichen Politik und Öffentlichkeit allenfalls partiell wahrgenommen. Als Beispiele nennt Thiele die russische Aggression gegenüber der Ukraine oder Cyberangriffe auf Regierungen, Parlamente, Behörden, Industrie und Bürger. Der Zusammenhang und die strategische Zielsetzung würden aber nicht erkannt. China stehe übrigens seinen russischen Partnern nicht nach, erklärt Thiele, der in Peking weitaus ambitionierte Ziele als in Moskau ausgemacht hat.
Zum Zustand der westlichen Allianz zieht Thiele ein bitteres Fazit:
„Bislang fehlt es den westlichen Staaten an zeitgemäßen, das heißt Technologie gestützten (künstliche Intelligenz, virtuelle Realität, etc.) Fähigkeiten zur ressortübergreifenden Lageübersicht und strategischer Frühwarnung. Auch die technologische Überlegenheit der westlichen Streitkräfte in NATO und EU ist ins Wanken geraten. Sie schwächeln in ihren Fähigkeiten.“
Schwächeln würden sie derzeit besonders deutlich im Kontext von Überschallwaffen und im elektromagnetischen Spektrum. Thiele wirft einer Reihe von - wie er schreibt - „westlichen Protagonisten“ vor, „vermeintliche Stärke zu demonstrieren und mit dem Feuer zu spielen. Die US-Diplomatin Victoria Nuland habe einst den Satz geprägt: ,Erst Kiew, dann Moskau. Es folgte die Maidan-Revolution.“ Nun wirke Victoria Nuland wieder in der neuen US-Administration mit und der ukrainische Außenminister rufe: „NATO - helft uns.“

Quelle: https://www.pmg-ev.com/denkwuerdigkeiten-nr-122-april-21/

Bilder: Depositphotos

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