Deutsche Panzer vor Kursk: Wie Selenskyj Berlin in den Krieg hineinzieht

Von Hans-Georg Münster

Rund acht Jahrzehnte nach der Schlacht um den „Kursker Bogen“ im Zweiten Weltkrieg rollten deutsche Panzer wieder in Richtung der russischen Stadt Kursk – diesmal mit ukrainischen Besatzungen. Die kriegslüsternde deutsche Presse jubelt über den Einmarsch ukrainischer Truppen in russisches Gebiet und verkennt völlig, dass das Regime in Kiew den Konflikt damit nur weiter anheizen, Deutschland tiefer mit hineinziehen und vor der eigenen Niederlage noch einen großen europäischen Krieg anzetteln will.

So jubelte der Journalist Julian Röpke (BILD-Zeitung) über „deutsche Marder im Dienste der ukrainischen Armee bei der Offensive in Kursk, im Westen Russlands“. Die Fahrzeuge vom Typ Marder sind als Schützenpanzer konzipiert, die leicht bewaffnet sind und Soldaten an die Front bringen sollen. Von Deutschland wurden solche Fahrzeuge der ukrainischen Armee zur Verfügung gestellt und offenbar ihre Verwendung für den Einmarsch in Russland freigegeben. Denn sonst hätte sich der ukrainische Präsident Selenskyj diese Aktion mit deutschen Panzern nicht getraut. Weit kamen die „Marder“ dieses Mal nicht. Die drei oder vier Fahrzeuge wurden von der russischen Abwehr wenige Kilometer hinter der Grenze abgeschossen. BILD-Röpke bedauert: „Leider erneut ohne adäquate Flugabwehr und somit nach nur vier Kilometern Opfer russischer Kamikaze-Drohnen.“

Das war im Zweiten Weltkrieg anders gewesen, und deshalb wollte Selenskyj mit den Mardern auch ein Signal setzen. Die Bezeichnung Marder war schon von der deutschen Wehrmacht verwendet worden, wo ein sehr wirksamer Jagdpanzer diesen Namen trug. Bei der Schlacht um den Kursker Bogen („Operation Zitadelle“) 1943 wurden von deutscher Seite etwa 350 Marder des Typs III eingesetzt. Die Wirkung war enorm: Nach Angaben des deutschen Historikers Roman Tölpel wurden beispielsweise „Teile der sowjetischen 25. Panzerbrigade am 12. Juli 1943 bei Pochorowka durch die Marder der Panzerjäger-Abteilung der ,Leibstandarte SS Adolf Hitler’ völlig aufgerieben“. Dabei hätten vier Marder ohne eigene Verluste 24 sowjetische Panzer und Selbstfahrlafetten zusammengeschossen. Wenn heute wieder Panzer aus Deutschland in der Region rollen, ist das für Russland eine ungeheuerliche Provokation. Bisher reagierte Moskau nur mit verbalen Drohungen. Das könnte sich ändern.

Vom „Kursker Bogen“ wird in der Militärgeschichte deshalb gesprochen, weil die Rote Armee nach der deutschen Niederlage in Stalingrad weit nach Westen vorgerückt und es im Gebiet Kursk zu einer Ausbeulung der Front nach Westen gekommen war. Hitler und seine Generäle wollten die dort stehenden Einheiten der Roten Armee in die Zange nehmen, einkesseln und vernichten lassen. Die Schlacht um den Kursker Bogen gilt als die größte Panzerschlacht des Zweiten Weltkriegs, und es war die letzte massive Offensive der deutschen Truppen an der Ostfront. Sie scheiterte völlig.

Dass Selenskyj gerade in der Region Kursk angreifen lässt, stößt auch bei einem anderen namhaften deutschen Journalisten auf Begeisterung: Wolfram Weimer, ehemals einer der Top-Journalisten beim Springer-Verlag, schreibt auf dem Internetportal des Fernsehsenders ntv, der Name Kursk stehe in Russland für den Mythos der eigenen Unbesiegbarkeit. „Wenn Putin nun ausgerechnet dort Niederlagen beigebracht werden, dann beschädigt das seinen Nimbus als unumstrittener Autokrat schwer. Selenskyj hat also das Datum und den Ort der Offensive bewusst gewählt - er trifft Putin damit ins Mark.“ Man kann die Dinge allerdings völlig anders sehen: Der Name Kursk steht auch für die Niederlage des Angreifers.

Und der Ausgang der neuerlichen Schlacht um Kursk wird von Militär-Experten negativ beurteilt – für die Ukraine. Der frühere Bundeswehr-General Erhard Bühler, der regelmäßig in Medien auftritt und als inoffizielles Sprachrohr des Verteidigungsministeriums gilt, rechnet nicht mit einem größeren ukrainischen Vorstoß: „Es wird bei dieser Kommandoaktion bleiben.“ Der frühere Bundeswehr-Oberst und Chef des Stabes am NATO Defense College in Rom, Ralph D. Thiele, spricht von einer für die Ukraine kontraproduktiven Hochrisikooperation. Für die Operation seien Kapazitäten anderer Brigaden geplündert worden, „was bedeutet, dass diese Ressourcen jetzt an anderen Fronten fehlen“. Auch die personellen Verluste würden für die Ukraine aufgrund der bestehenden Mängel weitaus schwerer wiegen als für Russland. Thiele warnt: „Die Gefahr besteht, dass die Lage noch instabiler als bisher schon werden könnte. Militärisch gesehen könnte der schlimmste Fall sein, dass die Front bricht und der Einsatz knapper Ressourcen in der Kursk Region am Ende nur mediale Wirkung hat.“

Der Militär- und Osteuropa-Experte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR) in Berlin weist darauf hin, dass mit jedem weiteren Vorrücken der Ukrainer immer mehr Personal nachrücken und Material nachgeliefert werden müsse. Gressel warnt daher: „Das Kursk-Manöver könnte das militärische Ende der Ukraine einleiten.“

Nur in der deutschen Politik sind die Warnungen und Mahnungen der Experten bisher nicht angekommen. In Berlin beherrschen nach wie vor Endsiegphantasien die Debatte. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte, der Erfolg der Ukraine sollte die Unterstützer ermutigen, Waffen- und Munitionslieferungen zu beschleunigen und im Umfang massiv zu erhöhen. Marcus Faber (FDP), der von der nach Straßburg gewechselten Agnes Strack-Zimmermann (FDP) den Vorsitz im Verteidigungsausschuss des Bundestages übernommen hat, jubelt: „Der ukrainische Vorstoß verläuft besser als gedacht. Ein Anlass, über weitere Leopard 2 zu sprechen.“

Dass Selenskyj versucht, Deutschland immer mehr in den Konflikt hineinzuziehen, wird in Berlin weitgehend ignoriert, auch wenn es innerhalb der Regierungskoalition kritische Stimmen gibt: So meint der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner: „Den Krieg nach Russland zu tragen, halten wir für falsch.“ Stegner steht für den linken Flügel der SPD, der auch die Stationierung neuer amerikanischer Raketen in der Bundesrepublik ablehnt. Auch in der CDU sind kritische Stimmen zu hören. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ist strikt gegen Waffenlieferungen für die Ukraine: „Wir können nicht länger Mittel für Waffen an die Ukraine in die Hand nehmen, damit diese Waffen aufgebraucht werden und nichts bringen.“ Seiner Ansicht nach wird der Ukraine-Krieg nicht auf dem Schlachtfeld beendet, sondern am Verhandlungstisch.

In Deutschland stehen im Herbst Wahlen in drei Bundesländern (Sachsen, Thüringen, Brandenburg) an, die zu einer massiven Stärkung der für ein Ende der Kämpfe und für einen Verzicht auf deutsche Waffenlieferungen plädierenden Parteien AfD und Bündnis Wagenknecht (BSW) führen dürften. Den Parteien der Berliner Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP drohen schwere Verluste. Das ist für Selenskyj ein Grund für den Marsch auf Kursk. Denn in Wirklichkeit hat er Deutschland im Blick, das er noch mit in den Abgrund reißen will.

Bilder: depositphotos

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