Kurdish fighters in Kobane/dpa

Der Plan „T“

Von Alexander Sosnowski, Journalist, Schriftsteller

Die Terroranschläge des IS in Paris, zum Beispiel, oder auch im Himmel über Sinai, stellen die Weltgemeinschaft nicht nur vor die Aufgabe diese Terrorgruppen zu vernichten. Eine nicht minder wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Aufgabe wird es sein, die Sponsoren des Terrors zu finden sie auszuschalten und zu bestrafen. Die Koalitionen, die in Syrien den Kampf gegen den IS führen, kommen zu verschiedenen Einschätzungen darüber, wer die in Syrien aktiven Terrornetzwerke schlussendlich finanziert. Die von den USA angeführte Koalition versucht diese Frage zu umschiffen und verschiebt die Beantwortung der Frage auf später - wenn der IS besiegt ist. Russland nimmt eine andere Position ein. Es greift sowohl die Stellungen des IS an, als auch anderer terroristischer Gruppen auf syrischem Boden. Moskau mahnt immer wieder an, dass der IS ein drittel seiner Waffen von Saudi Arabien und Katar über die Türkei geliefert bekommt. Informationen darüber, dass die Türkei an den Waffenlieferungen an den IS beteiligt ist, haben  bereits vor einem Jahr einige deutsche und amerikanische Massenmedien veröffentlicht.

Das geht aus einem öffentlich gewordenen Bericht des US-Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agency (DIA) hervor. Die konservative Anwaltskanzlei und Watchdog-Organisation „Judicial Watch“ stellten das Papier (Bericht im PDF-Format abrufbar) auf ihrer Website der Öffentlichkeit zur Verfügung, berichtet die Internet-Ressource NEOPresse, die ihr Image als unabhängige Quelle pflegt.

(http://www.neopresse.com/politik/naherosten/syrien-usa-bleibt-bei-waffenlieferungen-an-isis-nahe-milizen/)

Auch deutsche Medien berichteten. So hat, zum Beispiel, der Korrespondent des SPIEGEL in Istanbul, Hasnain Kazim, bereits im Januar letzten Jahres geschrieben, dass „die Türkei seit Langem im Verdacht steht, Extremisten in Syrien zu unterstützen“. Auch wissenschaftliche Publikationen sind deutlich in Ihrer Einschätzung der Rolle der Türkei. So schreibt Bruno Schirra in seinem Buch „Der globale Dschihad“ auf Seite 137 unter Verweis auf westliche Geheimdienstquellen "Die Rattenlinie zu ISIS kann ohne direkte Kooperation mit türkischen Diensten, ohne das Wissen und Dulden der türkischen Regierung niemals so gut funktionieren."

Die türkische Regierung weist derartige Vorwürfe derweil empört von sich. Jetzt haben Hacker geheime Protokolle veröffentlicht, wonach der Geheimdienst drei Lastwagen mit Waffen an al-Qaida schickte. 

Die Hackergruppe, im Netz unter dem Namen @LazepeM bekannt, veröffentlichte ein Protokoll, versehen mit einem „GIZLI“-Stempel, was „streng geheim“ bedeutet. Neben zahlreichen Details, sind diejenigen interessant, die den genauen Inhalt der erwähnten Lastwagen aufzählen. Laut Inventarliste befanden sich darin Raketen, Schusswaffen, Munition. Nach Kazims Einschätzung ist das Dokument eine indirekte Bestätigung dessen, dass die türkische Regierung heimlich Terrorgruppen mit Waffen versorgt, zum Beispiel Al-Qaida. Anzumerken ist noch, dass die Lastwagen von türkischen Geheimdienstagenten begleitet wurden, berichtet der SPIEGEL.

(http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkischer-geheimdienst-soll-waffen-an-al-qaida-geliefert-haben-a-1013499.html)

Was hat sich in dem Jahr nach diesen Enthüllungen verändert? Die erwähnte „Rattenlinie“ besteht weiterhin und die Türkei interveniert in Syrien zunehmend offen im Sinne einer hegemonialen Politik. Der Abschuss eines russischen Kampfjets zugunsten turkmenischer Milizen, denen sich die Türkei ethnisch verbunden fühlt - auch wenn die meisten auf Seiten islamistischer Kräfte stehen - ist ein Beispiel. Die aktive Bekämpfung der Einheiten der syrischen Kurden ein anderes. Die Kurden sind, auch nach offizieller türkischer Lesart eine größere Gefahr als der IS.

Die türkischen Interessen in Syrien und auch dem Irak konzentrieren sich zu aller erst auf den Kurden, das wird in letzter Zeit auch in Europa und den USA erkannt. "Wir möchten die Türken ermuntern, in dieser Frage Zurückhaltung zu üben“, zitiert die ARD eine Quelle aus dem Weißen Haus. 

Kurdish fighters in Kobane / Foto Dr. Scherkoh

Die türkische Interessensphäre endet dabei nicht in Syrien.

Laut einigen unabhängigen Quellen sei die Rede von einer „Neo-Osmanischen Doktrin“  Bei einer frühen Etappe des Arabischen Frühlings versuchte die Türkei, mit der Unterstützung Katars, ihren Einflussbereich auf Ägypten, Libyen und Tunis auszudehnen und benutzte dafür die heute verbotene „Muslimbruderschaft“, ebenso wie Al-Qaida und dem IS nahe stehende Dschihadisten. Verstanden werden muss dies alles vor dem Hintergrund der relativen Isolation der Türkei. Hatte der Staatsgründer Atatürk noch festgestellt „Es gibt viele Kulturen, aber nur eine Zivilisation, die europäische“, ist es keiner Regierung gelungen die Türkei in Europa zu verankern. Zu fremd sind Kultur und Geschichte. Auch in den arabisch islamischen Kulturraum will die Türkei nicht so recht passen. Für die meisten Araber sind die Türken aufgrund der kolonialen Geschichte des osmanischen Reiches genauso als Kolonialisten und Unterdrücker verschrien wie die Briten, bei den meisten kommen die Briten sogar noch besser weg. Die turkmenischen „Brudervölker“ wären die logische Alternative, doch diese liegen politisch und wirtschaftlich weit hinter der Türkei zurück und geben damit keine guten Verbündeten ab.