Die Bilder von den schweren Kämpfen in Südossetien waren für die Weltöffentlichkeit ein Schock. Die Ereignisse im Kaukasus ließen die Hoffnungen auf eine enge Kooperation zwischen Russland und dem Westen wie Seifenblasen zerplatzen. Insgesamt starben bei den heftigen Kämpfen mindestens 70 russische und 170 georgische Soldaten. Auf südossetischer Seite verloren etwa 360 Menschen ihr Leben. Was waren die Gründe für diesen Krieg, der für die Weltöffentlichkeit so überraschend kam?
Mit der Unabhängigkeit Georgiens 1990 wurde das traditionelle Siedlungsgebiet der überwiegend christlichen Osseten gespalten. Nordossetien wird Teil der Russischen Föderation, Südossetien bleibt als autonome Teilrepublik Bestandteil des georgischen Staates. Etwa 450.000 Osseten leben in Nordossetien und knapp 60.000 in Südossetien. Die Rivalität zwischen Georgiern und Osseten ist historisch gewachsen. Schon nach dem Ende des Zarenreiches 1917 kam es zu schweren Kämpfen zwischen georgischen Truppen und ossetischen Aufständischen. 1921 annektierte die junge Sowjetunion Georgien. Die eiserne Kontrolle der Sowjetherrscher über den Kaukasus sorgte für einen jahrzehntelangen, oberflächlichen Frieden.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990 hat Südossetien seine Loslösung vom unabhängig gewordenen Georgien verkündet. Es kommt zu schweren Kämpfen mit der georgischen Armee. 1500 Menschen sterben, bis Russland eingreift und Georgier und Südosseten trennt. Seitdem überwachen russische Friedenstruppen die Frontlinie zwischen den Konfliktparteien. 2003 kommt in Georgien Michael Saakaschwili durch die sogenannte „Rosenrevolution“ an die Macht. Präsident Saakaschwili hat beste Beziehungen zur Bush-Administration in Washington. Er will Georgien in die NATO führen und verkündet Südossetien und das ebenfalls nach Unabhängigkeit strebende Abchasien wieder voll unter georgische Kontrolle zu bringen.
Seit Mitte 2007 wird der Waffenstillstand zwischen Georgiern und Osseten zunehmend brüchig. Immer wieder kommt es zu vereinzelten Kämpfen an der Demarkationslinie. Im August 2008 eskaliert die Lage. Georgische Truppen dringen in Südossetien vor und besetzen am 8. August die südossetische Hauptstadt Zchinwali . Dabei werden auch russische Friedenstruppen angegriffen, unter denen es bereits am ersten Kriegstag fünfzehn Gefallene gibt. Nur einen Tag später schlägt die russische Armee zurück. Die Truppen sind aus dem russischen Nordossetien durch einen Tunnel nach Südossetien vorgedrungen. Die schnelle Reaktion der russischen Armee deutet nach Ansicht mancher Beobachter darauf hin, dass der Angriff schon länger geplant gewesen sei. Der damalige russische Präsident Dmitri Medwedew streitet dies, ebenso wie Ministerpräsident Putin, ab. Es gibt auch keine wirklich stichhaltigen Beweise für einen geplanten Angriff.Allerdings gab es wenige Wochen vor dem russischen Angriff ein größeres Militärmanöver der russischen Armee im Nordkaukasus, aber auch ein amerikanisches Militärmanöver in Georgien.
Bei ihrem Gegenschlag gegen die vorrückenden georgischen Truppen sind die russischen Verbände erfolgreich. Schnell erobern sie Zchinwali zurück und dringen in der Folge sogar weit auf georgisches Gebiet vor. Die georgischen Truppen ziehen sich überstürzt zurück und der Vormarsch der Russen auf die georgische Hauptstadt Tiflis scheint sogar möglich. Das Vordringen nach Georgien ruft massive Proteste im Westen hervor. Schließlich stoppt die russische Armee nach einigen Tagen ihren Vormarsch und zieht sich zurück.
Präsident Putin begründet das russische Eingreifen damit, dass ein Völkermord an den Osseten gedroht habe. Dafür gibt es keine konkreten Beweise, allerdings sind massive Übergriffe der Georgier gegen ossetische Zivilisten nachgewiesen. Eine weitere Belastung erfährt das georgisch-russische Verhältnis durch die Anerkennung der Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien durch die russische Regierung, die international wenig Zustimmung findet.
Ein von der EU in Auftrag gegebener Untersuchungsbericht kommt 2009 zum Schluss, dass viele der georgischen Behauptungen Propaganda seien und Georgien erhebliche Schuld am Konflikt trage. Saakaschwili hat damit erheblich an Glaubwürdigkeit verloren. Es kommt zu Protesten gegen ihn und nach dem Ende seiner Amtszeit flieht Saakaschwili 2013 aus Georgien, in dem nun ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorliegt. Die neue georgische Regierung bemüht sich, das Verhältnis zu Russland zu normalisieren.
Wie groß ist die Gefahr eines Wiederaufflammen des Konfliktes? Zum einen ist die wirtschaftliche Abhängigkeit Georgiens von Russland weiterhin groß. Russland ist, vor der Türkei und China, das wichtigste Zielland georgischer Exporte. Als die russische Regierung nach dem Krieg einen Importstopp für georgische Produkte verhängte, zeigte sich, wie verwundbar das kleine Kaukasusland ist. Außerdem ist die georgische Armee zu schwach und ein Angriff auf die russischen Truppen in Südossetien käme einem Selbstmord gleich. Zudem gibt es auch im Westen kein wirkliches Interesse an einem erneuten Konflikt. Zwar besteht eine enge Kooperation zwischen der NATO und Georgien. Doch die geplante Aufnahme Georgiens in das Bündnis ist unsicher . Die russische Regierung hat massiven Widerstand dagegen angekündigt. Und besonders Frankreich und Deutschland wollen das gespannte Verhältnis zu Russland nicht noch mehr belasten. Es scheint als ob man sich sowohl in Russland wie im Westen mit einem „frozen conflict“, einem eingefrorenen Konflikt, arrangiert hat. Es bleibt Georgien vermutlich nichts anderes übrig als das zu akzeptieren.
Von Mathias v. Hofen
Bilder: @depositphotos
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