Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
Sie waren vor einigen Tagen in Rom beim Heiligen Vater. Der öffentlich bekannt gemachte Anlass war eindeutig und Ihre Überlegungen werden im deutschen Volk weit geteilt. Vielleicht nicht bei denjenigen, die feste Bestandteile der transatlantischen Steuerungselemente sind oder auf Fremdmittel angewiesene „Experten“ genannt werden. Die Funktion beider ist eindeutig und in unserem Land in der derzeitigen Lage bestimmend, leider.
Sie und die Öffentlichkeit sollten wissen, wie ich darüber denke und was mich bewegt, bevor wir wieder gegen andere Völker aufgehetzt werden.
Zum Jahresende 1989 befand ich mich nach einer Begegnung von Herrn Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl im Bundeskanzleramt mit einer von mir eingeladenen Gruppe sowjetischer Generale von Bonn aus auf dem Weg nach Mönchengladbach. Im Münster zu Mönchengladbach wollten wir ein Weihnachtskonzert des Territorialkommandos der Bundeswehr besuchen. Wegen starken Schneefalls kamen wir nicht bis Mönchengladbach, aber bis zu unserem Haus in Jüchen, an der Stadtgrenze zu Mönchengladbach. Damit die sowjetischen Besucher überhaupt aus den Fahrzeugen ins Haus kommen konnten, hat meine Frau alleine die Schneemassen auf der Straße vor unserem Haus beseitigt.
Von dieser Stunde an haben wir mit unseren russischen Nachbarn die Erfahrungen gemacht wie mit unseren holländischen oder norddeutschen Nachbarn auch, nämlich gute Erfahrungen. Das gilt menschlich und politisch, solange wie ich es als Abgeordneter des Deutschen Bundestages beurteilen konnte. Mir ist durchaus bekannt, das seinerzeit in der Allianz für den Fall geplant worden ist, dass vor allem Russland das Elend, in das es gefallen war, würde hinter sich lassen können. Ich hatte aber noch das im Gedächtnis, was Kolleginnen und Kollegen und mir Monate vorher die Führungsspitze des amerikanischen Auslandsnachrichtendienste in Washington/Langley uns deutschen Abgeordneten mit auf den Weg gegeben hatte. Das ist übrigens vor einiger Zeit offiziell in Washington publiziert worden. Danach sei, als Konsequenz aus den Verheerungen durch Napoleon und Hitler, die Sowjetunion in Europa rein defensiv unterwegs.
Es vergeht kein Tag, an dem nicht gegen Hass und Hetze gewettert wird. Wenn man ins Land hinein hört, gilt das nicht für Hass und Hetze mit der Russland, seine politische Führung und Einzelpersönlichkeiten überzogen werden. Unsere Friedhöfe sind voll von Grabstellen für die Ewigkeit. Es sind Gefallene des letzten Krieges. Dem sollen und dürfen keine neuen Gräber hinzugefügt werden.
Fahren Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, immer wieder zum Heiligen Vater. Das deutsche Volk sieht schon, dass Sie es sind, der fährt.
Mit vorzüglicher Hochachtung und den besten Wünschen für Ihren Dienst für den Frieden
Willy Wimmer
Bilder: willy wimmer, vatikan media, screenshot
Die Meinung des Autors/Ansprechpartners kann von der Meinung der Redaktion abweichen. Grundgesetz Artikel 5 Absatz 1 und 3 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“