CSU legt sich mit Merkel an. Massiver Druck in der Berliner Koalition für den Bau von Nord Stream 2

Von Hans-Georg Münster

Das Ende der parlamentarischen Sommerpause in Berlin begann am 8. September mit einem Paukenschlag: Nachdem die Große Koalition zunehmend in Richtung eines Baustopps der Ostsee-Erdgaspipeline Nord Stream 2 navigiert hatte, kam vom Koalitionspartner CSU unerwartet ein klares „Njet“ zu einem Baustopp. Die überrumpelte Kanzlerin Angela Merkel ruderte zunächst wieder einmal zurück.
Die Bombe ließ der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt auf seinem wöchentlichen Pressegespräch in der Bayerischen Vertretung platzen, nachdem vorher keine Zweifel bestanden hatten, die CSU würde einen Baustopp der Pipeline mittragen. Denn der Europapolitiker und stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred Weber hatte in Brüssel bereits einen Stopp der Pipeline gefordert, um Russland zur Aufklärung des vermuteten Giftanschlags auf den Oppositionellen Alexej Nawalny zu bewegen: „Für Nord Stream 2 brauchen wir jetzt zumindest einen Baustopp, sollte es von Russland keine Kooperation geben.“
Dobrindt, der in der Machthierarchie der CSU als Chef der bayerischen Bundestagsabgeordneten über Weber steht, erklärte dagegen klipp und klar, die Antwort auf Nawalny dürfe nicht im Unterbinden einer Investitionsmaßnahme bestehen. Mit kurzfristigen Maßnahmen zu versuchen, dass man in Russland einen Schalter umlegt, „das sehe ich nicht“. Der CSU-Politiker empfahl, die Ursache richtig zu sehen: Ursache sei die Entscheidung für Erdgas aus Russland und nicht die Entscheidung für die Pipeline. Man müsse langfristig Alternativen zum russischen Gas finden. Dobrindt brachte LNG-Flüssiggas in Spiel, das zum Beispiel von den USA exportiert wird. Er spielte damit die amerikanische Karte aus, nachdem auch US-Präsident Donald Trump noch am Montag wieder einen Stopp der Pipeline gefordert hatte. Die USA und Nato beschützten Deutschland vor Russland, während Berlin Milliarden an Moskau bezahle, wurde Trump von Medien zitiert.
Allerdings ist der Import von LNG in Deutschland sehr umstritten, weil es in den USA überwiegend mit der umstrittenen Fracking-Methode gefördert wird. In Deutschland wird Fracking, mit dem das Gas mithilfe einer chemischen Flüssigkeit aus dem Erdboden gepresst wird, aus Umweltschutzgründen strikt abgelehnt. Dabei gibt es besonders in der Region Münsterland in Nordrhein-Westfalen riesige Gas-Vorräte, die mit dieser Methode gefördert werden könnten.
Eine Rückkehr zur Kernenergie, aus der Deutschland aussteigen wird, lehnte Dobrindt ab und ist sich in dieser Frage mit den anderen Koalitionspartnern einig. Die Steinkohleförderung ist in Deutschland ebenfalls eingestellt worden, aus der Braunkohleförderung wird das Land in knapp zwei Jahrzehnten aussteigen. Die Abhängigkeit von russischem Gas wird auf Dauer eher wachsen als zurückgehen, da Wind- und Solarenergie keine sichere Versorgung rund um die Uhr garantieren können Deutschland hat im vergangenen Jahr 55,6 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland bezogen, vergleichbare Länder wie Italien nur 20,7 und Frankreich nur 14,7 Milliarden Kubikmeter.
In der CDU gibt es eine breite Bewegung, den Weiterbau der Pipeline zu stoppen. Der Außenpolitiker Norbert Röttgen, der im Herbst für den CDU-Parteivorsitz kandidieren will, hält einen Abbruch des Pipeline-Projeks für ein geeignetes Sanktionsmittel gegen Präsident Wladimir Putin: „Das versteht er. Da geht es um sein Geschäft und es geht um seine Machtpolitik.“ Der Koalitionspartner SPD ist ebenfalls auf Stopp-Kurs. Außenminister Heiko Maas hatte am Wochenende erklärt: „Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern.“ Maas hielt es für falsch, Auswirkungen auf die Pipeline von vornherein auszuschließen. Das war eine klare Positionsänderung der Bundesregierung, die sich zuvor stets dagegen gewandt hatte, den Fall Nawalny mit der Pipeline zu verknüpfen.
Für Aufregung hatte am Montag eine Äußerung von Regierungssprecher Steffen Seibert gesorgt, der das unbedingte Vertrauen der Kanzlerin genießt. Seibert sagte, es sei zwar noch zu früh, zu entscheiden, ob der Fall Nawalny Konsequenzen für den Bau der Pipeline haben werde. Die Kanzlerin halte es aber auch für falsch, etwas auszuschließen. Genau das hatte sie in der Woche zuvor noch getan, als sie es ablehnte, den Fall Nawalny mit der Pipeline zu verknüpfen.
Am Dienstag Nachmittag nahm die Kanzlerin offenbar aufgrund des Drucks des Koalitionspartners CSU wieder eine Wende vor. Sie habe sich noch kein abschließendes Urteil gebildet, erklärte sie in einer Sitzung der Abgeordneten der Unionsfraktion. Es sei eine europäische Reaktion auf den Fall Nawalny gefragt, soll Merkel nach Teilnehmerangaben gesagt haben.
Das Schicksal der Pipeline ist also wieder offen.

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