Bündnis ohne Bindung

Immerhin. Was nahezu ein Jahrhundert des kalten Kriegs nicht geschafft haben, hat US Präsident Trump beinahe im Alleingang erreicht. Nach dem Gipfel ist die NATO geschwächt wie nie zuvor.

von Dr. Gabriel Burho

Während Trump, wie man es von ihm gewohnt ist, im Nachgang des Gipfels den Sieg seiner Verhandlungsstrategie verkündete - "Fantastisch" sei er gewesen der Gipfel, geprägt von einem "großartigen Gemeinschaftsgeist" und die NATO sei "sehr geeint, sehr stark" – verkündete zeigten sich europäische Politiker und Diplomaten schockiert vom Auftreten des „Führers der freien Welt“. Von Mafia Methoden und Schutzgelderpressung ist die Rede und das Ergebnis ist ein Kompromiss mit keinerlei Verbindlichkeit und vielen Sollbruchstellen.

Was ist also wirklich passiert in Brüssel?

Der Streit zwischen den USA und dem Rest der NATO über die Höhe des jeweiligen Beitrages zur gemeinsamen Sicherheit ist älter als Trumps Präsidentschaft. Auch der Ruf anderer Gemeinschaftsmitglieder nach einer aktiveren Rolle Deutschlands als reichstem Land in Europa ist ebenso wenig neu der deutsche Reflex mit Verweis auf die eigene Geschichte gerne anderen den  Vortritt zu lassen.

Vor diesem Hintergrund brannte Donald Trumpt nun wieder sein bekanntes Verhandlungsfeuerwerk aus Einschüchterung, Verwirrung und Erpressung ab um zu bekommen was er seinem Publikum, den amerikanischen Wählern, gerne zeigen wollte: Höhere Militärausgaben seitens der europäischen Partner, die er in geringere Ausgaben der USA und höhere Gewinne (=Jobs) für die amerikanische Rüstungsindustrie übersetzt. Durchaus eine Verhandlungstaktik die in der freien Wildbahn der Privatwirtschaft erfolgreich sein kann, mit der das diplomatische Parkett aber zunehmend überfordert ist.

Entsprechend groß war der Schock über die Drohung notfalls „sein eigenes Ding zu machen“ sofern die NATO Mitglieder die eigenen Militärausgaben nicht in kürzester Zeit auf 2% ihres Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen bereit wären. Dies indes nur ein Zwischenschritt zu dem eigentlichen Ziel von 4%. 

Sprach hier gerade ein amerikanischer Präsident vom Austritt des großen Bruders USA aus dem westlichen Verteidigungsbündnis? 

Auch wenn sich alle Staats- und Regierungschefs im Nachgang Mühe gaben zu betonen, dass dies nun wirklich nicht Trumps Aussage gewesen sei nahm NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Lage offensichtlich anders war und berief eine Notfallkonferenz ein und handelte einen „Kompromiss“ aus der es an vielen Stellen an Eindeutigkeit mangeln lässt. 

Auch in den USA bestand offensichtlich die Befürchtung der Präsident werde die USA eigenmächtig aus der NATO führen. Bereits am Dienstag hatte der Senat daher – auch mit den Stimmen von Trumps Republikanern - beschlossen sich hinter die NATO und den Beistandsparagrafen zu stellen. Das US-Abgeordnetenhaus folgte. Solcherlei Notfallmaßnahmen waren, aufgrund des Kompromisses, zum Glück nicht notwendig.

Die anderen NATO Partner haben beschlossen „mehr“ zu tun ihre Verteidigungsausgaben entsprechend zu erhöhen – eigentlich nichts weiter als eine Bekräftigung der Beschlüsse des Gipfels von 2014. Deutschland, das im Brennpunkt von Trumps Kritik stand wurde auch nicht deutlicher, allerdings deutete Kanzlerin Merkel „weitere Zugeständnisse“ an und stellte fest: „Die Trendwende ist bereits eingeleitet.“

Das Unklare Ergebnis zeigt zudem weitere Sollbruchstellen auf. 

Das Ziel von 4% Verteidigungsausgaben für alle NATO Partner ist vor allem für den deutschen Fall hochgradig unrealistisch. Vor dem Hintergrund der deutschen Wirtschaftsleistung bedeutete dies mit über 130 Milliarden Euro die doppelten Militärausgaben von Russland. Deutschland wäre dann wieder die militärische Supermacht in Europa, was, bei allen Rufen nach größerer deutscher Verantwortungsübernahme, doch den meisten unserer Nachbarn nicht wirklich gefallen dürfte. Zudem ist Trumps Wunsch nach höheren Militärausgaben auch von der Vorstellung getrieben dann höhere Investitionen in die amerikanische Rüstungsindustrie fließen zu sehen ("Die USA bauen die besten Waffen. Die besten Raketen, die besten Kanonen, die besten Flugzeuge."). Dies wird indes nicht passieren und höhere Militärausgaben werden in erster Linie der europäischen Industrie zugute kommen. Der nächste Konflikt ist also vorprogrammiert.

Auch dieser Gipfel zeigt wieder die tiefe Spaltung zwischen den beiden Seiten des Atlantischen Bündnisses – und dass muss nicht schlecht sein. 

Immer deutlicher wird das Europa eine eigene Linie und Außenpolitik finden und sich vom Patron USA emanzipieren muss. Gerade Deutschlands Rolle in der Welt ist eher eine diplomatische als eine militärische. Der Einfluss Deutschlands liegt auf dem diplomatischen Parkett. In weiten Teilen der Welt ohne koloniale Vergangenheit haben sich die Spielräume deutscher Gesprächsdiplomatie seit Bismarck wenig verändert. Die Rolle des ehrlichen Mittlers zwischen Konfliktparteien könnte, in vielen Weltteilen, die Rolle eines Deutschlands sein, dass sich selbst von einer zu engen Anbindung an Bündnisinteresse löst.

Bilder: @www.nato.int

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