Boris, das Känguru / Die deutschen Großmachtphantasien kollidieren mit der schlechten Haushaltslage

Von Hans-Georg Münster

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der die Kriegstauglichkeit der Bundesrepublik ausgerufen hat, zeigt sich entschlossener denn je. In Alaska in der Nähe der Beringstraße, die die USA von Russland trennt, tauchte der deutsche Minister zusammen mit einigen Flugzeugen der deutschen Luftwaffe beim Manöver „Arctic Defender“ auf und tönte:

„Wir sind bereit, NATO-Gebiet zu verteidigen, überall da, wo es bedroht werden könnte.“ 

In Wirklichkeit erinnert das Verhalten des deutschen Ministers eher an ein Känguru: Pistorius macht große Sprünge mit leerem (Geld-)Beutel.

Dabei haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Pistorius noch großes Glück beim NATO-Gipfel in Washington. Denn einerseits zeigte sich das Bündnis in Feierlaune anlässlich seines 75-jährigen Bestehens, und andererseits überdeckten die Debatten um die angeschlagene Gesundheit des amerikanischen Präsidenten Joe Biden alle anderen Nachrichten, die sonst so ein Treffen bestimmt hätten. Somit spielte es in Washington keine Rolle, dass Pistorius bei den Haushaltsverhandlungen in der Berliner Koalition eine krachende Niederlage einstecken musste.

Bisher verfügt der Verteidigungsminister für die Bundeswehr über 52 Milliarden Euro im Jahr. Das hört sich viel an, ist es aber nicht, weil Pensionen und Renten der ehemaligen Soldaten und Zivilbeschäftigten mit hineingerechnet werden.

Um dem Gerede von der Kriegstauglichkeit Taten folgen zu lassen, wollte Pistorius mehr Geld – bis zu sechs Milliarden Euro und zudem einen Schritt zur Wiedereinführung der Wehrpflicht machen. Von der Wehrpflicht blieb nur ein Fragebogen übrig, den alle jungen Männer ausfüllen müssen und Frauen ausfüllen dürfen. Was mit den Daten geschehen soll, ist unklar. Kreiswehrersatzämter, die früher die Wehrpflichtigen einzogen, sind schon lange abgeschafft worden. 

Finanziell wurde Pistorius von Scholz und Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit nur 1,5 Milliarden Euro zusätzlich für 2025 abgefunden. Der Verteidigungsminister muss sich schon die Frage stellen lassen, ob er sich noch an seine Äußerung vom Januar erinnert, als es schon einmal breiten Widerstand gegen seine Finanzierungswünsche gab. 

Damals sagte Pistorius: „Ich muss den Job nicht machen.“ Aber er blieb trotzdem im Amt und bleibt vermutlich auch jetzt im Amt.
Trotz des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro, das nach der Zeitenwende-Rede von Scholz 2022 geschaffen wurde, bleibt die Bundeswehr schlecht ausgestattet. Das Sondervermögen geht überwiegend an amerikanische Rüstungsproduzenten für deren Flugzeuge und Hubschrauber, während für das Heer viel zu wenig Geld zur Verfügung steht.

Der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, André Wüstner, erklärte zu den Berliner Haushaltsbeschlüssen:

Mit diesem Haushalt mag sich die Bundesregierung zwar durch diese Legislaturperiode hangeln wollen, aber die Bundeswehr als wesentlicher Teil unserer Sicherheitsarchitektur - und damit wir alle - zahlt den Preis dafür." 

Auch René Obermann, der im Aufsichtsrat des europäischen Flugzeug-und Rüstungsproduzenten Airbus sitzt, weist daraufhin, dass Deutschland in den vergangenen 30 Jahren insgesamt rund 500 Milliarden Euro zu wenig in sein Militär investiert habe. Der CDU/CSU-Haushaltsexperte Christian Haase sagt, dass mit diesem Haushaltsentwurf nicht eine einzige zusätzliche Investition für die Bundeswehr abgedeckt sei.
Wenn das denn alles so ist, gibt es zwei Möglichkeiten: 

Erstens: Die von Scholz und Pistorius ständig beschworene Bedrohung durch Russland ist vielleicht doch nicht so stark, denn sonst würde man mehr Geld für die Bundeswehr ausgeben und vor allem für die Stationierung der Bundeswehr-Brigade in Litauen, deren Finanzierung ebenfalls völlig offen ist. 

Zweitens und andererseits: Wenn die russische Bedrohung aber tatsächlich so massiv sein sollte, dann bleibt Scholz und Pistorius der Vorwurf nicht erspart, dass sie gegen ihren Amtseid verstoßen. Beide haben geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. 

Aus der misslichen Lage könnten Scholz und Pistorius sehr einfach herauskommen. Ein Anruf in Kiew bei Wolodymyr Selenskyj würde ausreichen, um den ukrainischen Präsidenten zum Eintritt in Verhandlungen mit Russland zu bewegen. Deutschland, das derzeit 1,6 Millionen Ukrainer nobel bewirtet und unterbringt und überdies das Regime in Kiew mit Milliardenzahlungen und Waffenlieferungen über Wasser hält, kann sich diese Politik mit Blick auf seinen Haushalt, wo sich der Verzicht auf preiswerte und zuverlässige Energie aus Russland sowie die Aufgabe des russischen Marktes für Exporte schmerzhaft bemerkbar machen, einfach nicht mehr leisten. Somit würde Frieden nicht nur Menschenleben, sondern auch den deutschen Staatshaushalt retten.

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