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„Wind of change“ muss her!

Willy Wimmer, Staatssekretär a.D. im Gespräch mit World Economy

WE: Wir haben heute einige Themen zu denen wir gerne ihre Meinung hören würden. Zuerst - der islamische Terror, dessen Hände inzwischen bis nach Berlin reichen und wahrscheinlich sogar noch weiter. Wie sehen Sie das?

Willy Wimmer:

Wir haben im letzten Jahr durchaus schreckliche Ereignisse in vielen Teilen Europas erlebt, darunter auch in Berlin. Und wir haben gegenüber unseren Staaten den bürgerschaftlichen Anspruch, dass für unsere Sicherheit gesorgt werden muss. Das ist die wichtigste Grundbedingung überhaupt für bürgerschaftliches Leben in Europa. Ich will in diesem Zusammenhang nur einen Gesichtspunkt heraus greifen. Man kann nicht davon ausgehen, dass Bagdad und Damaskus in die Luft fliegen und wir in Europa dafür keine Konsequenzen zu befürchten haben, obwohl wir die wesentliche Grundvoraussetzung dafür geschaffen haben, dass uns zwischen Kabul und Tripolis die Welt um die Ohren fliegt. Die Kriege in diesem Teil der Welt, die von uns in der NATO und über die Führungsmächte Vereinigte Staaten, Großbritannien und Frankreich los getreten worden sind, diese Kriege treffen uns natürlich auch an der Heimatfront. Wir müssen unsere Politik grundsätzlich ändern. 

WE: Die Kanzlerin hat weitere vier Jahre Amtszeit für sich beansprucht. Wie gehen wir damit um?

Willy Wimmer:

Man muss ja den Eindruck haben, dass die Bundeskanzlerin, die bei der Bundestagswahl erneut als Spitzenkandidatin antreten will, eine Agenda hat, die sie nicht mit dem deutschen Volk abgestimmt hat und auch nicht mit ihrer eigenen Partei. Die Parteitage der CDU zeichnen sich dadurch aus, dass sie tief gespalten sind. Im Plenum wird die Bundeskanzlerin bejubelt und außerhalb wird die Wahrheit gesagt. Eine Partei, die so zu einer Bundestagswahl antritt, muss sich nicht wundern, dass das schief gehen kann. 

WE: Das Verhältnis zwischen den USA und Russland befindet sich auf dem Tiefpunkt. Ist das die Neuauflage des Kalten Krieges?

Willy Wimmer:

Wir haben es mit einem langfristigen - möglicherweise einem über hundert Jahre laufenden - Prozess zu tun, bei dem die Vereinigten Staaten im eigenen Interesse darum bemüht sind, die große Landmasse und den Ressourcen-Speicher Russland entweder als einheitlichen Staat zu beseitigen oder sich diesen Staat so gefügig zu machen, dass man damit machen kann, was man will. So, wie man das mit den europäischen Staaten - als Ergebnis des zweiten Weltkrieges - schon macht. Diese Politik aus Washington wird von dem demokratisch-republikanischen Kriegsestablishment wesentlich mitgetragen und ist von Präsident Obama auf die Spitze getrieben worden. Wenn in wenigen Wochen rund 2000 Fahrzeuge, Panzer, Artillerie und was es sonst alles in einer amerikanischen Brigade gibt, über den Kriegshafen der NATO in Kiel wieder öffentlich sichtbar in Richtung Osten verschifft werden, wird man in Deutschland und Europa ein Gefühl dafür bekommen, was es bedeutet, erneut gegen Russland aufzumarschieren. Solange Präsident Obama noch im Amt ist. Die Hoffnung, die wir in Europa auf eine Änderung dieser Politik haben, ist mit dem Namen Trump verbunden. Da wird man sehen müssen, ob diese Hoffnung trägt. 

WE: In letzter Zeit kommt oft ein Gefühl auf, dass das, was uns von der Politik gesagt und was in der Bevölkerung gesprochen wird sich in krasser Weise unterscheiden. Haben Sie das Gefühl, dass uns in diesem Bereich etwas verloren gegangen ist, in der deutschen und auch in der europäischen Politik?

Willy Wimmer:

Dieses Gefühl kann ich uneingeschränkt teilen und dieser Prozess hat nicht erst in diesem Jahr angefangen. Der Prozess geht auf den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin zurück. Wir haben die rheinische Demokratie nicht von Bonn nach Berlin mitgenommen. Und den Eindruck, dass wir uns in einem Zensurstaat befinden, haben wir schon lange. Auch das hat, aus meiner Sicht, angefangen, als wir mit der Regierung von Bonn nach Berlin gegangen sind. Es hat sich substanzielles verändert. Die deutsche Demokratie, wie Willy Brandt sie sich vorgestellt hat - Mehr Demokratie wagen - ist von Angela Merkel jedenfalls in eine solche Situation gebracht worden, dass wir unmittelbar vor der Etablierung eines Zensurstaates stehen. 

WE: Herr Wimmer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. 

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